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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Bertha hatte indessen den Wald durchschritten und
gelangte nach mannigfachen Gefahren in das Haus
eines biederen Mannes Namens Simon, der ihr bereitwillig
Unterkunft gewährte. Sie ernährte sich mit
Handarbeiten und blieb neun Jahre lang im Hause Simons
wohnen. Um diese Zeit brach die Königin Blancheflur
von Ungarn auf, um ihre Tochter zu besuchen.
Auf ihrer Reise traf sie einen Bauern und befragte ihn
über die Königin, von deren Herrschaft sie nichts
Gutes gehört hatte. »Frau,« erwiderte jener, »ich muß
mich über Eure Tochter beklagen! Ich hatte ein einziges
Pferd, mit dem ich für mich, meine Frau und
meine kleinen Kinder mein Brot verdiente. Sechzig
Groschen hat es mich gekostet, und ich brachte auf
ihm meine Waren in die Stadt. Das hat sie mir wegnehmen
lassen. Gott strafe sie dafür!« Die Königin
hatte Mitleid mit dem Bauern und ließ ihm hundert
Groschen in die Hand drücken, wofür er ihr dankbar
den Steigbügel küßte.
An einem Montage ritt die alte Königin in Paris
ein. Pippin hörte es und brachte voll Freude seiner
Gattin selbst die Nachricht. Als die Magd diese Botschaft
hörte, wurde sie sehr bestürzt, doch stellte sie
sich, als ob sie lache. Sogleich rief sie ihre Mutter und
Tybert und fragte sie um Rat. »Ich rate,« sagte die
Alte, »daß meine Tochter sich krank stellt. Um nichts
in der Welt darf sie ihr Bett verlassen. Können wir
den Betrug solange durchführen, bis die alte Königin
heimkehrt, so brauchen wir fürderhin nichts mehr zu
fürchten.« Der Rat wurde befolgt; sogleich wurde ein
Lager hergerichtet, und die Magd legte sich nieder
und stellte sich krank. Der König, den die angebliche
Krankheit seiner Frau sehr bekümmerte, ging allein
der alten Königin entgegen. »Was macht Bertha,
meine Tochter?« war ihre erste Frage. »Ach, Herrin,
sobald sie erfuhr, daß Ihr kämet, wurde ihr Herz von
Freude so bewegt, daß sie sich niederlegen mußte,
und seitdem ist sie nicht wieder aufgestanden. Aber
wenn sie Euch erblickt, wird ihr gewiß sogleich besser
werden.« Als die Königin das Schloß betrat, warf
sich Margiste ihr schmerzheuchelnd zu Füßen: »Margiste,
« sagte Blancheflur, »wo ist meine Tochter, ich
will sie gleich sehen.« »Herrin,« jammerte das falsche
Weib, »zum Unheil bin ich geboren! Eurer Tochter ist
die Freude über Eure Ankunft so zu Herzen gegangen,
daß sie ihr Bett nicht mehr verlassen kann. Laßt sie
doch bis zum Abend ruhen!« Als Blancheflur nach
dem Essen ihre Tochter aufsuchen wollte, stellte sich
ihr die böse Alte mit ausgebreiteten Armen entgegen.
»Sie ist gerade ein wenig eingeschlafen, um Gottes
willen, kehrt wieder um!« Blancheflur wartete, bis
ihre Tochter erwachen würde; unterdessen unterhielt
sie sich mit der Alten und fragte sie nach Aliste.
»Herrin,« log das Weib, »sie starb auf dem Stuhle sitzend
eines plötzlichen Todes, ich weiß nicht, welches
Übel sie auf der rechten Brust hatte, ich glaube, sie
wäre zuletzt noch aussätzig geworden. Ich ließ sie
ganz im geheimen in der alten Kapelle bestatten.«
Endlich konnte sich Blancheflur nicht länger halten,
sie befahl einer Jungfrau, sie mit einer Kerze ins
Schlafzimmer der Königin zu begleiten, aber Tybert,
der bei der Kranken Wache hielt, trieb das Mädchen
sogleich mit Schlägen zurück: »Geh', Hündin, unsre
Herrin will schlafen, sie kann durchaus kein Licht
vertragen.« Blancheflur trat im Dunkeln an das Bett
der Magd. »Mutter, seid willkommen!« sagte diese
mit so schwacher Stimme, daß man sie kaum verstand,
und dann, auf eine Frage der Mutter nach ihrem
Befinden: »Mutter, ich leide solchen Schmerz, daß ich
weiß geworden bin wie Wachs. Die Ärzte sagen mir,
daß die Helligkeit mein Leiden verschlimmern würde.
Ich wage Euch daher nicht bei Licht zu begrüßen, so
schmerzlich es mir auch ist. Aber nun laßt mich um
Christi willen ruhen!« Blancheflur erhob sich kopfschüttelnd:
»Bei Gott!« sagte sie, »das ist meine
Tochter nicht, die ich hier vorgefunden habe. Wenn
sie halbtot wäre, so hätte diese mich umarmt und geküßt.
« Dann rief sie ihr Gefolge und ließ trotz der
Alten und Tyberts Widerstreben das Fenster öffnen
und Licht bringen. Sie riß die Decken vom Bett herunter
und betrachtete die Füße der Kranken: sie waren
nur halb so groß wie die ihrer Tochter. »Verrat!«
schrie sie, »Betrug! das ist meine Tochter nicht, es ist
die Tochter der Margiste! Weh! Sie haben mir mein
Kind getötet, meine Bertha, die mich so sehr liebte!«
Als der König den Betrug erfuhr, ließ er die alte Hexe
zum Feuertode führen, Tybert wurde von vier wilden
Rossen totgeschleift, die falsche Braut wurde um ihrer
Kinder willen geschont, doch mußte sie das Land verlassen.
Einst hatte sich König Pippin auf der Jagd im
Walde von Le Mans verirrt, da traf er auf Bertha, die
ihn in das Haus Simons führte. Pippin, der schon
lange im Sinn hatte, sich wieder zu verheiraten, fand
an Simons sittsamer Pflegetochter Gefallen und ersuchte
sie, ihm nach Paris zu folgen, um seine Gattin
zu werden. Bertha wies die Werbungen des Fremden
dadurch ab, daß sie sich ihm als Pippins Gattin offenbarte.
Der König gab sich nicht zu erkennen, sondern
ritt, nachdem er sich nochmals überzeugt hatte, daß er
auch wirklich Bertha vor sich habe, nach Paris zurück.
Dann ließ er das ungarische Königspaar einladen
und entbot auch Simon mit seiner Pflegetochter
an seinen Hof, wo er sich ihnen als König zu erkennen