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bin ich kein kleines Kind.“

      Gleich darauf begann sie den Aufstieg. Schon nach einem Viertel bereute sie ihre großspurigen Worte. Sie hatte kein richtiges Gefühl mehr in den Armen und Beinen, so dass sie häufiger abzurutschen drohte. Als sie nach unten schaute, konnte sie das besorgte Gesicht von Kerwin sehen. Da sie sich aber keine Blöße geben wollte, erklomm sie mit viel Mühe dennoch die Strickleiter und setzte sich auf die Plattform, dabei war es ihr inzwischen egal, was die anderen Leute von ihr denken mochten.

      Kerwin kam kurz nach ihr auf der Plattform an und Amber musste sich wieder aufrichten, um ihm zu Bertas Taverne zu folgen. Dort angekommen, schlug Kerwin den Weg nach unten ein und Amber folgte ihm wortlos. Berta viel wie immer aus dem normalen Rahmen. Ihre Kleider hatte sie diesmal komplett in grün gewählt und ihren Kopf zierte ein Hut in Blattform. Amber hätte am liebsten laut aufgelacht, aber dafür hatte sie einfach nicht mehr die Kraft.

      „Kannst Du bitte für mich und Amber ein heißes Bad einlassen?“, sprach Kerwin Berta höflich an.

      „Wird gemacht!“, kam die knappe Antwort und Berta gab einem kleinen Jungen, der hinter der Bar Geschirr abwusch einen Wink, so dass er zu ihnen herüberkam.

      Bevor Berta zu dem Jungen noch etwas sagen konnte, bemerkte Kerwin noch: „Für jeden ein Bad mit frischem Wasser und bring uns schon mal etwas zu essen.“

      Daraufhin ging Kerwin zum nächsten freien Tisch und setzte sich.

      Als Amber ihm folgte, konnte sie noch Berta murmeln hören: „Wenn der Kerl nicht mein Freund wäre und gut bezahlen würde, hätte ich ihn schon längst erwürgt.“

      Nachdem sie eine kleine Mahlzeit zu sich genommen hatten, war das Bad auch schon fertig. Mit schlurfendem Schritt folgte Amber dem kleinen Jungen in einen Nebenraum. Eine nicht allzu große hölzerne Wanne stand mitten im Raum und das heiße Wasser dampfte verlockend. Nachdem Amber alleine in dem Raum war, entledigte sie sich ihrer Kleidung, wobei sie bei jeder Bewegung schmerzhaft ihre überanstrengten Muskeln spürte. Schließlich setzte sie sich nackt in die kleine Badewanne und genoss es, wie sich ihre Muskeln entkrampften. Dabei wurde sie von einer großen Müdigkeit überwältigt und schlief schließlich ein.

      „Du hast sie heute aber ganz schön hart rangenommen.“, sprach Berta Kerwin an.

      Er schaute auf die Schlafende: „Sie soll sich möglichst bald an körperliche Anstrengungen gewöhnen und sich auch verteidigen können.“

      „Du willst sie also tatsächlich zu einer Kämpferin ausbilden. Meinst Du nicht, sie hätte ein besseres Leben, wenn Du für sie einen netten Ehemann findest?“, fragte Berta.

      „Das geht leider nicht.“

      „Ich verstehe Dich nicht. Du gibst Dir so viel Mühe und was wird dabei herauskommen? In ein paar Jahren wird sie die Wahrheit über Dich erfahren und dann? Falls sie Dich dann nicht hassen sollte, wirst Du ihrem langsamen Altern und schließlich ihren Tod mit ansehen. Du kennst das doch schon von früher. Warum tust Du Dir das immer wieder an?“

      „Diesmal ist es anders. Hast Du Dir die Kleine mal genau angesehen?“, fragte Kerwin.

      Als Berta ihn fragend ansah, fuhr er fort: „Sie hat nicht eine Narbe!“

      Berta schaute die schlafende Amber mit einem forschenden Blick an: „Vielleicht hast Du recht... Weiß sie es schon?“

      „Nein, sie darf es auch noch nicht erfahren. Ich glaube, sie ist noch viel zu sehr in der allgemeinen Lehre der Kirche verwurzelt. Hilfst Du mir sie ins Bett zu bringen?“

      Nachdem sie Amber in ihr Zimmer getragen hatten, gingen sie noch mal in die Gaststube, um sich einen gemütlichen Abend zu machen.

      Der Tagesablauf in der nächsten Woche war immer gleich. Morgens ging Amber mit Kerwin in den Wald für ihr Training. Dies begann üblicherweise mit einigen Geschicklichkeitsübungen und später folgte dann das anstrengende Ausdauer- und Krafttraining. Am Nachmittag war Amber jedes Mal zu mute, als ob sie gleich zusammenbrechen würde. Sie schaffte es gerade noch in die Taverne, um dann erschöpft in ihr Bett zu fallen und bis zum nächste Morgen zu schlafen. Es kam Amber so vor, als ob sie nur sehr langsam Fortschritte machte. Allerdings stellte sie nach der ersten Woche fest, dass sie schon kräftiger geworden war und auch das Jonglieren klappte schon ab und zu.

      Trotzdem sie in dieser Woche viel Zeit mit ihrem Mentor verbrachte, konnte sie ihn immer noch nicht einschätzen. Er war und blieb ein Mysterium für sie. In seiner Nähe fühlte sie sich immer etwas unwohl. Umso mehr freute sie sich darauf Gideon wieder zu treffen. Ihre Gedanken schweiften oft zu ihm ab, auch wenn sie ihn bisher nur ein einziges Mal begegnet war.

      Ein paar Wochen später, als Kerwin und Amber gerade von ihrem täglichen Training aus dem Wald zurückkamen, sahen sie mehrere Personen unten an dem Lastenaufzug stehen. Irgendetwas schien damit nicht in Ordnung zu sein. Es hatte am Mittag angefangen zu regnen und bis jetzt nicht aufgehört. Ihre Kleidung war bis auf die Haut durchnässt und Amber sehnte sich nach einem heißen Bad, um Ihre überanstrengten Glieder zu beruhigen. Beim Näherkommen konnte sie erkennen, dass scheinbar das Seil an dem Aufzug gerissen war und die Ladung von großer Höhe abgestürzt sein musste. 5 Männer mühten sich ab, die schwere Kiste anzuheben. Den Grund dafür konnte sie ein paar Augenblicke später erkennen. Ein Mensch war unter der Last eingequetscht. Sie eilten zu den anderen, um ihnen zu helfen. Mit vereinten Kräften schafften sie es nach mehreren Anläufen die Kiste umzukippen und die Beine des Eingequetschten freizulegen. Erschöpft lehnte Amber sich gegen die Kiste und blickte nach unten. Ein Gefühl der Übelkeit überkam sie, als sie die Beine oder vielmehr, das was davon übrig war, sah. Man konnte in der roten Masse nicht einmal mehr im Ansatz erkennen, dass es sich um Beine handelte. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und drehte sie sacht beiseite.

      „Danke für Deine Hilfe“, es war Gideon der sie wegführte, während die anderen sich um den Verletzten kümmerten.

      Amber schaute zu ihm auf und war trotz allem froh Gideon wiederzusehen.

      „Das war doch selbstverständlich“, erwiderte sie schwach lächelnd.

      Ein schmerzhafter Aufschrei ließ sie wieder zu dem Verletzten sehen. Er lag inzwischen auf einer Trage und in eine Decke eingewickelt. Sie konnte nur noch das bleiche, schmerzverzerrte Gesicht sehen.

      „Wie konnte so was passieren?“, fragte Amber flüsternd.

      „Ich bin mit Waren für die Waldstadt zurückgekehrt und als wir sie nach oben transportieren wollten, riss plötzlich das Seil und die Kiste viel herunter. Während ich noch gerade zur Seite springen konnte, hatte Peter nicht so viel Glück. Oh Mann, ich hoffe, dass er wieder gesund wird.“

      „Er wird sterben.“, kam ein trockener Kommentar von Kerwin, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte.

      Als Gideon und Amber ihn sprachlos anschauten, setzte er hinzu: „Ich habe mir die Wunden angesehen, sie sind tödlich. Es wäre am besten, man würde ihn von seinen Qualen erlösen.“

      „Nein, keiner rührt ihn an.“, kam prompt die Erwiderung von Gideon und er schaute Kerwin wütend an. „Wir schaffen ihn jetzt in die Waldstadt und werden ihn wieder zusammenflicken.“

      Hilflos schaute Amber Gideon und den anderen Männern zu, wie sie den Verletzten wegtransportierten. Sie hatte den Wunsch zu helfen und wusste doch, dass sie nur im Wege stehen würde.

      „Wie kannst Du nur so kalt und herzlos sein? Du wolltest ihn wirklich töten, oder?“, wandte sie sich wütend an Kerwin.

      „Er wird keine 2 Tage überleben und den kurzen Rest seines Lebens nur noch Schmerzen haben. Glaube mir, ihn zu töten wäre nicht grausam, sondern eine Gnade. Ich habe so etwas schon zu oft erlebt.“

      Sie machten sich schweigend auf den Rückweg zu Bertas Taverne. Amber wusste nicht was sie glauben sollte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass man nicht einfach jemanden tötet, aber Kerwin hatte mit einer großen inneren Überzeugung gesprochen. Durch das Grübeln merkte sie kaum, wie sie den Weg in die Taverne fanden. Auch beim Abendessen

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