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schaute Amber ihrer Freundin hinterher. Sie freute sich für sie, doch war sie auch etwas traurig. Bald würde Jasmin wegziehen und wahrscheinlich werden sie sich dann nie mehr wieder sehen. Und auch der Gedanke an ihre eigene Situation beschäftigte sie. Wieso war sie noch nicht verheiratet? Schließlich war sie viel älter als alle anderen Mädchen hier im Dorf. Jasmin gehörte schon zu den älteren mit ihren 15 Jahren und sie war noch 2 Jahre älter! Amber wusste, dass ihr Vater schon einige Angebote für sie abgelehnt hatte. Er sagte zu ihr dann immer, dass es nicht der Richtige wäre. Aber langsam hatte sie das Gefühl, dass es niemals das richtige Angebot geben wird. Hätte sie doch eine Mutter, die hätte schon dafür gesorgt, dass sie bald vermählt würde. Aber leider hatte sie keine Mutter mehr. Sie ist kurz nach ihrer Geburt gestorben.

      Amber nahm die beiden Eimer wieder auf und ging zum Brunnen. Nachdem sie das Wasser eingefüllt hatte, machte sie sich mit den schweren Eimern auf den Heimweg. Dabei dachte sie an ihre Freundin und den Besuch ihres Bräutigams in der folgenden Woche.

      Ihr Vater würde nicht begeistert sein, wenn ein klerikaler Inspektor ins Dorf käme. Sie hatte nie die Abneigung ihres Vaters gegenüber den Vertretern der Kirche verstanden. Dabei machten sie doch nur ihre Arbeit. Vor jeder Hochzeit musste schließlich das Hochzeitspaar überprüft werden. Das Böse konnte sich überall verbergen. Und die Vergangenheit hatte bewiesen, dass eine Überprüfung der Säuglinge nicht ausreichte. Erst letztes Jahr ist dadurch erkannt worden, dass Marie zu den Jungmenschen gehörte. Sie hatte Marie immer gemocht und hätte nicht im Traum daran gedacht, dass Marie vom Bösen besessen sei.

      Die Reinigung oder wie ihr Vater sagen würde die Exekution, hatte sie nicht miterleben können, weil er sie an diesem Tag nicht aus dem Haus gelassen hatte. Aber nach den Erzählungen von Jasmin dauerte sie sehr lange und war unbeschreiblich grausam gewesen. Immer wenn sie darüber nachdachte, fragte sie sich, wozu diese Grausamkeit gut ist.

      Zu Hause angekommen öffnete sie die Pforte zum Grundstück und stellte die Eimer erst mal vor der Tür ab. Sie rieb sich die Hände, um die verkrampften Finger wieder beweglich zu machen. Es war doch ziemlich beschwerlich die vollen Eimer vom Dorfbrunnen bis zu ihrem kleinen Haus zu bringen. Deshalb hatte Amber auch diesen Dienst vor ein paar Monaten freiwillig übernommen. Ihrem Vater ging es seit dem letzten Herbst nicht gut und er sollte sich schonen.

      Sie öffnete die Haustür und wollte die Wassereimer in die Kochnische bringen, als sie bemerkte, dass ihr Vater nicht allein war. Amber blieb mitten im Raum stehen und schaute zu dem Fremden. Dieser blickte zu ihr rüber und musterte sie. Er hatte einen unangenehmen, durchdringenden Blick, der sie frösteln ließ. Die Kleidung aus schwarzem Leder sorgte für einen noch unheimlicheren Eindruck.

      „Sie sieht hübsch aus“, sagte er ohne die Augen von ihr zu wenden. „Und Du bist Dir sicher?“

      Die Frage löste bei ihrem Vater nur ein Kopfnicken aus.

      Nach einer kurzen Weile des Schweigens bat sie ihr Vater: „Bitte stell doch die Eimer ab und mach uns und unserem Gast das Abendbrot.“

      Erst da bemerkte Amber, dass sie immer noch mit ihrer Last mitten im Raum stand und den Fremden anstarrte. Sie beeilte sich der Aufforderung ihres Vaters zu folgen und stellte einen Eimer in die Ecke. Den Inhalt des anderen Eimers schüttete sie in einen Topf. Ihre Finger waren schon wieder verkrampft. Sie rieb Ihre Hände aneinander und begann das Feuer zu entzünden.

      Während sie das Wasser für den Tee erhitzte und das Abendbrot herrichtete, konnte sie ein paar Bruchstücke des Gesprächs mitbekommen. Die meiste Zeit schien sich die Unterhaltung um die Vergangenheit zu drehen. Zwischendurch entstanden oft Pausen, in denen keiner etwas sagte. Über dem Ganzen hing eine seltsame Aura.

      Amber versuchte unauffällig den Fremden zu mustern. Sie wusste nicht warum, aber es kam ihr so vor, als ob sich der Fremde und ihr Vater schon lange kannten. Dabei konnte es eigentlich nicht sein. Sie hatte ihn zuvor noch nie gesehen und der Fremde war wesentlich jünger als ihr Vater, er konnte kaum älter als 25 sein. Sein Haar war dunkelbraun, fast schwarz. Es hing ihm bis auf die Schulter. Das Gesicht wirkte streng und traurig zugleich, so als ob die dunkelbraunen Augen schon unendlich viel Leid erblickt hätten. Die Kleidung schien bis auf einen Umhang, der auf der Bank lag, ganz aus schwarzem Leder zu bestehen und man konnte deutlich die Abnutzungsspuren darauf erkennen.

      Als der Tee fertig war, füllte sie ihn in Tassen und stellte ihn zusammen mit einem Laib Brot und einer deftigen Rotwurst auf den kleinen fleckigen Holztisch. Auf einen Wink ihres Vaters setzte sie sich dazu.

      „Verzeih Amber, ich habe Dir noch nicht unseren Gast vorgestellt.“ begann ihr Vater: „Sein Name lautet Kerwin. Er ist ein Freund. Wir kennen uns schon eine ganze Weile. Aber jetzt lasst uns erst mal essen.“

      Während des Essens wurde kein Wort gesprochen. Amber konnte ihre Nervosität kaum unterdrücken. Als sie zum Messer griff, um ein Stück Brot abzuschneiden, wäre es ihr beinahe aus der Hand gefallen. Sie wusste, irgendwie hatte die Begegnung etwas mit ihr zu tun. Vielleicht wollte ihr Vater sie ja mit diesem seltsamen Mann vermählen?

      Nachdem alle mit dem Essen fertig waren, entstand eine unangenehme Stille. Plötzlich bekam ihr Vater einen Hustenanfall. Er hielt sich schnell ein Tuch vor dem Mund. Als er es wieder wegnahm, konnte Amber erkennen das es sich rot gefärbt hatte.

      „Du hast es ihr nicht gesagt?“, fragte Kerwin.

      „Nein“, kam die knappe Antwort.

      „Owen, Du solltest es ihr sagen!“, Kerwin sprach sehr eindringlich.

      Ihr Vater schaute sie lange an: „Ja.“

      Langsam ging Ambers Nervosität in Panik über. Sie konnte kaum noch still sitzen. Schleppend fing ihr Vater an zu sprechen: „Amber mein Bernstein, Du weißt, dass ich Dich über alles Liebe und dass ich immer das Beste für Dich wollte. Du musst mir vertrauen und mir versprechen genau das zu tun, was ich Dir jetzt sage.“

      Ein weiterer Hustenanfall ließ ihn innehalten. Nachdem er zu Ende war, hatte Amber das Gefühl, dass sich der rote Fleck auf dem Tuch vergrößert hatte. Die Angst schnürte ihr allmählich die Kehle zu. Sie brachte nur ein jämmerliches „Ja, Vater“ heraus.

      „Du kannst es mir ansehen. Mein Zustand verschlechtert sich immer mehr.“, setzte ihr Vater wieder an und machte eine Pause. „Es lohnt sich nicht, sich etwas vorzumachen. Ich werde bald sterben.“

      Amber merkte, wie Tränen ihre Wange herunterliefen. Die weiteren Worte ihres Vaters nahm sie nur noch wie in Trance auf.

      „Du brauchst jemanden der Dich beschützen kann. Allein bist Du hier nicht sicher. Deshalb habe ich Kerwin eine Nachricht geschickt. Für das rechtzeitige Eintreffen danke ich Gott. Kerwin wird Dich hier wegbringen, Dir alles nötige beibringen und immer für Dich da sein. Du musst ihm vertrauen, wie Du mir vertraust.“

      In Ambers Kopf fing sich langsam an alles zu drehen. Sie fühlte sich, als müsste sie gleich umkippen. Ihr Vater war der einzige Mensch, den sie über alles liebte und für den sie alles tun würde. Sie versuchte Kerwin anzuschauen, aber durch ihren Tränenschleier konnte sie nichts mehr erkennen. Ihr Vater wollte noch etwas sagen, ließ es dann aber doch bleiben. Amber merkte wie ihr aufgeholfen wurde. Sie konnte nicht alleine stehen. Als sie ins Bett gelegt wurde, fing sie an hemmungslos zu weinen. Irgendwann hatte sie keine Tränen mehr und man hörte nur noch ein leises Schluchzen.

      Nachdem sie eingeschlafen war, stand ihr Vater, der neben ihr am Bett gesessen hatte, schwerfällig auf und ging zurück zum Tisch, an dem Kerwin noch saß.

      „Sie weiß noch immer nicht die ganze Wahrheit.“, setzte Kerwin das Gespräch fort.

      „Du hast es gesehen. Meine Kleine kann im Moment nicht mehr ertragen. Du musst es ihr sagen, wenn sie soweit ist.“, erwiderte er.

      Kerwin nickte nur. Es entstand ein lange Pause.

      „Willst Du Dich immer noch rächen?“, fragte Kerwin schließlich.

      Owen nickte und blickte ihn fragend an.

      „Dann nimm dies“, und mit diesen Worten überreichte Kerwin ihm ein Bündel.

      Als

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