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      Mein Vater verabschiedet uns und flüstert mir ein „Man munkelt, Lord Sussex plane einen Anschlag auf mich“ ins Ohr.

      „Dann hast du ja Glück, Vater“, wende ich ein.

      „Wie darf ich das verstehen?“, hakt er etwas erzürnt nach.

      „Er ist ein Dummkopf“, lässt meinen Vater dann wieder schmunzeln.

      Artis bringt mich in ein Zimmer, in dem ich mir die Hände in einer Schüssel wasche.

      Dabei umarmt mich mein Bruder von hinten. „Geht es dir wirklich gut?“, will er wissen.

      „Als ich eine Trauerweide war, habt ihr mich das nicht ständig gefragt, warum jetzt, wo ich doch bester Laune bin?“, will ich wissen. Er lächelt nur und tritt zur Tür.

      „Ähm Artis?“, halte ich ihn zurück. „Borgst du mir vier Goldstücke?“

      „Ja natürlich, wofür brauchst du sie?“, hinterfragt er mein Schnorren.

      „Ähm, für einen höheren Zweck“, rede ich mich raus.

      Artis lächelt und wirft mir einen klimpernden Beutel zu. „Shoppen gehört aber keinem höheren Zweck an.“ Ich lächle gekünstelt und warte, bis er weg ist, bevor ich eine innerliche Schimpftirade ablasse. Seh ich so aus, als ob ich shoppen gehen würde? Mann, ich fass es nicht, dass er das gerade gesagt hat. Soviel zum Feingefühl von Kerlen.

      Kurzerhand beschließe ich, nach draußen zu gehen – es ist definitiv viel zu schönes Wetter, um in der Burg rumzuhängen.

      Im Innenhof vernehme ich lautes Waffengeklimpere. Ein paar junge Männer üben sich gerade im Schwertkampf. Thomas ist unter ihnen. Wow, ich erkenne gerade, dass alle ausnahmslos gutaussehend sind. Das ist irgendwie verdächtig. Vor allem, weil ich die Typen hier noch nie gesehen habe.

      Irgendwie beschleicht mich der Verdacht, mein Vater könnte hier ganz „zufällig“ die heiratsfähigen Kerle eingeladen haben. Hm, ja, er hat ja schon mal so einen Kommentar abgelassen, ich würde mit meiner Art nie einen Ehemann erhaschen. So will er mir vielleicht zu meinem Glück verhelfen. Vielleicht denkt er, ich krieg sonst nie einen Kerl ab, wenn er mir nicht unter die Arme greift. Hab ich ein Glück – spotte ich in Gedanken.

      Als sie sich dann auch noch alle gentlemenlike verbeugen, muss ich fast automatisch wie eine Hormongesteuerte grinsen. Ganz zum Leidwesen der weiblichen Hofdamen, die in einiger Entfernung Stellung bezogen haben und die Männer kichernd beäugen. Jetzt, da ich in ihr Revier eingedrungen bin, ist ihr Kichern einem bösen Funkeln gewichen.

      „Leistet uns doch etwas Gesellschaft, Lady Raven“, fordert Thomas. Er ist wohl doch nicht so schüchtern, wie ich dachte. Oder er ist genauso wenig Gentleman, wie ich eine Lady bin – da bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Das ist mir hier eigentlich zu viel geballtes Testosteron, aber ich bin gut drauf, also nicke ich keck.

      „Lasst uns ein Spiel spielen“, schlägt eine wunderhübsche, blonde Hofdame vor und trifft auf sehr viel Zuspruch bei der weiblichen Brigade. Wieso hab ich das ungute Gefühl, die planen etwas gegen mich? Naja, die interessierten Blicke der Männer, die lästig häufig über meinen Körper schwenken, lassen den Verdacht erhärten, dass sie die Konkurrenz ausschalten wollen. Da bin ich ja mal gespannt.

      „Wie wäre es mit: ‚Rettet die jungfräuliche Hexe‘“, schlägt die blonde Frau vor, die etwa in meinem Alter sein dürfte. Die Mädels kichern wie wild. Anscheinend ist das somit beschlossene Sache.

      „Raven beginnt“, bestimmt sie lächelnd. Dabei zieht es mir die Gänsehaut auf.

      „Was soll ich tun?“, will ich wissen. Die Frage, ob es für das Spiel relevant ist, noch Jungfrau zu sein, verkneif ich mir lieber. Die sind ja hier nicht so aufgeschlossen für das Thema.

      „Kennst du das Spiel denn nicht?“, faucht sie, einen Hauch zu unfreundlich für meinen Geschmack. Davon lasse ich mich aber nicht beeindrucken.

      „Nie davon gehört“, gebe ich schulterzuckend zu.

      Sie tauschen Blicke aus, die ungefähr das bedeuten: „Von welchem Knusperhäuschen vom Arsch der Welt kommt die denn her?

      Genervt erklärt sie: „Die Herren stellen sich vor dem Glöckchen auf.“ Dabei zeigt sie auf eine Glocke, die ziemlich weit oben an einer Steinmauer befestigt ist. „Die Jungfrau muss es schaffen, an das Glöckchen zu kommen, um es zu läuten. Dann ist sie in Sicherheit“, ergänzt sie.

      Toll, die Mini-Highlander nehmen bereits Aufstellung. Es steht zehn gegen einen und ich hab keine Zauberkräfte, was mich nicht mal zu einer halben Portion macht. Das ist ein Freibrief für jegliche Grapsch-Attacke, was die Jungs nur allzu genau wissen, denn es steht in ihren lüsternen Augen geschrieben.

      „Habt keine Angst, Lady Raven“, ruft mir Thomas zu. „Ich beschütze Euch vor den Wüstlingen.“ Wers glaubt. Das löst ein Lachen bei allen Beteiligten aus. Na wartet.

      Ich lächle, gehe auf den Berg mit den Waffen zu, die sie abgelegt haben und kralle mir eine Axt.

      „Lady Raven, Ihr werdet Euch verletzen“, setzt Thomas an, als ich vor sie trete. Mach dir nicht in die Strumpfhose, Robin Hood.

      Ihnen steht das Unbehagen ins Gesicht geschrieben, aber keiner will den Schwanz einziehen, daher bleiben sie wie angewurzelt stehen. Sie haben wohl Angst, ich treffe damit ihr ganz persönliches Glöckchen. Ihre Gesichter sollte jemand fotografieren und posten. Das wär der Knaller. „Wüstlinge fürchten um ihr Würstchen“, wär der geeignete Kommentar dazu.

      Das Glöckchen ist viel zu weit weg, das treff ich nie, aber die Axt dient als gutes Ablenkungsmanöver.

      Ich lasse die Waffe einmal in meiner Hand schwenken – um anzugeben. Daraufhin ziele ich, brülle laut und schleudere sie weg. Ein paar von ihnen haben sich sogar leicht geduckt. Natürlich schauen alle der Waffe nach, die gerade von der Burgmauer abgeprallt ist – natürlich ohne das Glöckchen zu treffen. Das braucht sie auch nicht, denn was die Jungs nicht gesehen haben, ist der Sprint, den ich hinter ihrem Rücken hingelegt habe und mein fliegender Schuh, der das Glöckchen bimmeln lässt.

      Überrascht drehen sie sich synchron um. Die Erkenntnis, dass ich sie gerade gewaltig verarscht habe, dämmert ihnen schön langsam – spätestens als sie erkennen, dass ich mich gerade über sie schlapplache.

      Sie tauschen Blicke aus und stürmen mit den Worten „Fangt die Jungfrau“ auf mich zu. Ich schreie theatralisch und nehme Reißaus. Thomas holt mich schon bald ein und umklammert mich von hinten.

      „Das kostet Euch einen Kuss“, droht er. Beinahe wär mir ein „Frösche küss ich aber nicht“ rausgerutscht.

      Die anderen Männer umzingeln uns bereits, da reiße ich mich von Thomas los und drehe mich inmitten der Horde Jungs lachend im Kreis.

      „Ein Kuss“, fordern sie, doch das bringt mich nur noch mehr zum Lachen.

      Ein „Raven“, das von den Burgmauern hallt, wischt es mir dann endgültig von der Backe und lässt mich abrupt stoppen. Mein Vater steht zusammen mit meinen Brüdern an der Burgmauer, die gemeinsam mit ihm unser Treiben mit undurchdringlicher Miene betrachten.

      „Komm zu mir, Tochter“, verlangt er emotionslos. Ich tue, wonach er verlangt und trete in die Burg, wo die drei bereits die Treppe hinunterkommen.

      Wieso fühl ich mich gerade so, als hätte ich was angestellt? Vater hat sicher gesehen, dass ich die Axt geworfen habe, daher wappne ich mich schon mal innerlich für die nächste Abreibung.

      Ich versuche, das Thema zu wechseln und nestle, unter den entgeisterten Blicken meiner Zuschauer, das Papier aus meinem Ausschnitt, das ich dort vor meinen Brüdern versteckt hatte, als wir von Chicago aufgebrochen sind.

      „Was ist das?“, will mein Vater von mir wissen, nachdem ich es notdürftig glattstreiche und ihm das Schriftstück überreiche.

      „Mach es auf“, schlage ich vor.

      „Ein

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