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antwortet er. Ich weiß nicht, ob es an den Glücksgefühlen liegt, mit denen ich vollgepumpt bin, aber ich glaube ihm. Als ich mich erhebe, drückt mich mein Vater sofort zurück auf den Stuhl.

      „Nein“, erklärt er forsch.

      „Es ist meine Entscheidung, Vater“, wende ich ein.

      „Du bist meine Tochter. Er könnte dir den Verstand rauben. Dieses Risiko gehe ich nicht ein“, stellt er fest.

      „Aber ich muss es sehen. Sonst erfahre ich nie, wer ich wirklich bin“, argumentiere ich.

      „Du weißt, wer du bist“, korrigiert mich mein Vater. Nein, weiß ich nicht, aber seinem Ton zufolge, sind Widerworte zwecklos.

      Plötzlich lässt Nadar einen Zauber los, der meine Begleiter mit einer Druckwelle an die Wand befördert. Seine Arme schnellen vor und ziehen mich brutal über den Tisch vor sich.

      Dabei legen sich seine langen Ketten, mit denen seine Arme und Beine fixiert sind, aus Zauberhand über meinen Körper und pressen mich an ihn. Das ging alles so schnell, dass ich den spitzen Gegenstand, den er mir an die Kehle drückt, erst jetzt wahrnehme.

      „Hmmmm, du riechst gut“, schwärmt Nadar und versenkt seinen Kopf in meinen Locken. Mein Vater hat die Augen vor Zorn aufgerissen. Junus und Artis sind in Kampfposition, was Nadars Griff um meinen Körper noch verstärkt.

      „Du tust mir weh“, keuche ich unter Schmerzen, weil er mir das scharfkantige Teil, was immer das auch sein mag, tiefer in den Hals drückt.

      Die rosa Wolke schirmt mich zwar weitgehend vor den Todesängsten ab, aber ich spüre dennoch ein tiefes Unbehagen in mir.

      „Lass meine Tochter los“, fordert mein Vater mit ruhiger Stimme. Das kommt so autoritär rüber, dass ich erneut stöhne.

      „Ich werde sie töten, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn du mich nicht vorbeilässt, Onkel“, droht Nadar meinem Vater.

      „Ganz ruhig, Raven“, versucht mir Artis Mut zu machen.

      „Okay“, hauche ich.

      „Aus dem Weg“, herrscht sie Nadar an. Als sie nicht gleich reagieren, greift er nach meiner Hand und drückt zu. Ein Knacken gefolgt von unsagbarem Schmerz lässt mich schreien. Meine Knie geben sogleich nach. Ich atme stoßartig, um nicht zusammenzuklappen.

      Als das Pfeifen in meinen Ohren nachlässt, wird mir bewusst, dass er mir gerade das Handgelenk gebrochen hat.

      Meinen Brüdern steht der Schock darüber ins Gesicht geschrieben. „Wenn ihr weiterhin zögert, breche ich ihr nacheinander jeden Knochen in ihrem wunderschönen Körper“, verlautbart Nadar. Ich atme wieder schneller, damit ich nicht ohnmächtig werde. Verdammt, er macht ernst – bewegt euch endlich, anstatt mich anzuglotzen.

      „Wir ziehen uns zurück“, befiehlt mein Vater und verlässt mit meinen Brüdern den Raum, ohne mich dabei für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. In dem Moment bricht er mir das andere Handgelenk und mein Brüllen hallt durch das gesamte Verlies. Erneut stellen meine Beine die Arbeit ein.

      Nadar presst mich fester an sich und küsst meine Wange. „Schhhh, meine Schönheit. Ich halte dich“, haucht er mir ins Ohr.

      „Dafür wirst du durch meine Hand fallen“, stößt mein Vater zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er zittert sogar vor rasender Wut.

      „Das war nur als kleine Demonstration gedacht, damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt“, verlautbart Nadar. Ich bin gerade nur noch am Krepieren, verliere immer wieder die Orientierung.

      Der Schmerz lässt nicht nach, ich kann kaum einen Fuß vor den anderen setzen, als sich der Seher mit mir in Bewegung setzt.

      „War das die Rache dafür, dass ich dich meinem Vater ausgeliefert habe?“, hauche ich.

      „Mir gelüstet es nicht nach Rache, Raven“, flüstert er und küsst erneut meine Wange.

      Junus knurrt verächtlich. Die Körpersprache meiner Brüder, die rückwärts durch die Gänge vor uns schreiten, ist mehr als angespannt.

      „Gibt es die Vision von mir wirklich oder wolltest du mich damit nur heranlocken, um mich als Geisel zu benutzen?“, frage ich flüsternd, während wir die Treppen emporsteigen.

      „Die Vision gibt es wirklich“, antwortet er.

      „Erzähl mir davon“, fordere ich atemlos.

      Wir treten durch die große Halle hinaus auf den Innenhof. Thomas und die Männer, die sich immer noch ihrem Schwertkampf widmen, stoppen abrupt und ziehen scharf die Luft ein.

      Die Hofdamen haben zu kreischen begonnen und flüchten sich hinter ihre Beschützer. Das ringt mir ein Lächeln ab, das ich zu spät unterdrücken kann.

      „Küss mich, dann bekommst du sie von mir“, fordert Nadar. Sein blutverschmierter Mund taucht vor meinem inneren Auge auf und lässt meinen Körper verkrampfen.

      „LASST LADY RAVEN UNVERZÜGLICH FREI“, brüllt Thomas mit erhobenem Schwert. Ich rolle gedanklich mit den Augen. Mann, steck den Mini-Highlander wieder ein. Nadar kommentiert es mit einem hinterlistigen Lachen, das mir die Gänsehaut aufzieht.

      Wir haben schon die Mitte des Platzes erreicht, da tritt Thomas mit stolz geschwellter Brust zwischen meine Brüder und verkündet: „An mir kommt Ihr nicht vorbei.“

      Sogleich drückt Nadar meinen Brustkorb mit den Ketten, die mich wie in einem Schraubstock umschließen, zu. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib, während ich versuche, bei Bewusstsein zu bleiben und hoffe, meine Rippen halten das aus.

      Mein Vater brüllt: „AUS DEM WEG, THOMAS. KEINE HELDENTATEN. DAS WAR EIN BEFEHL.“

      Als ich die Augen öffne, stürmt ein Reiter durch das Burgtor – Beliar. Unsere Blicke treffen sich. Mein Herz ist kurz stehengeblieben, weil es eine Welle der Emotion aus der Watte schafft.

      „Sieh mal einer an. Der weiße Ritter. Bereit für die nächste Heldentat, um seine geliebte Hure zu retten“, spottet Nadar hinter mir und drückt mir den spitzen Gegenstand tiefer in die Haut, sodass ich Blut spüre, das in einem Rinnsal über meine Haut läuft. In meinen Augen flackern bereits schwarze Punkte auf.

      „Ich machs“, flüstere ich gequält, während ich meinen Kopf zu ihm drehe. „Aber beeil dich, ich kipp gleich weg“, krächze ich.

      Nadar stößt einen genussvollen Laut aus, zeichnet eine Rune, die die Zeit einzufrieren scheint, denn die Taube, die sich gerade an der Burgmauer in die Luft erhoben hat, wird deutlich langsamer.

      Meine kurze Ablenkung nutzt er, krallt sich in meinen Nacken und presst seine Lippen auf die meinen. Eigentlich wollte ich vorher mein Amulett ablegen, aber das ging alles so schnell. Seine Zunge zwängt meine Lippen auf, was mir die Übelkeit aufsteigen lässt. Als ich Blut schmecke, wehre ich mich dagegen, aber er bedient sich an meinen Lippen, als wären sie ein Anker, an den er sich klammert.

      Seine kehligen Laute scheinen aus der Ferne zu kommen. Da ich kaum zu Atem komme, knicken meine Knie bereits weg. Nadar presst mich fester an sich, um sich weiter zu nehmen, was er will.

      Nur bruchstückhaft bekomme ich mit, dass er sich von mir löst und die Zeit wieder normal abläuft.

      Irgendwie hat es Beliar geschafft, zu uns zu gelangen, der nun nahe vor mir steht. Bevor Nadar reagieren kann, packt ihn Beliar am Kopf und bricht ihm das Genick. Seine Arme um meinen Körper inklusive der Ketten erschlaffen blitzschnell.

      Mit einem Laut, als würde ein schwerer Sack auf die Erde auftreffen, ist meine Geiselnahme beendet.

      Wenn das wahr ist, wieso fühl ich mich dann verängstigter als vorher? Mein Atem geht stoßweise. Beliars Lippen bewegen sich, aber ich verstehe ihn nicht, als würde ich in einer Käseglocke stecken, die jeden Laut abschirmt.

      Ich vermag es nicht, mich zu bewegen, geschweige denn einen klaren Gedanken zu fassen. Beliars Hemd ist oben etwas aufgesprungen

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