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lassen, weil dies etwas besonderes wäre, das auf positive Resonanz und erhöhte Aufmerksamkeit stoßen würde. Ansonsten befand dieser „Bewerbungsexperte“, man solle man selbst und natürlich bleiben aber zu jedweder Veränderung, Anpassung und Maskerade bereit sein. Wie man diesen Spagat bewältigen sollte blieb indessen sein Geheimnis.

      Angesichts des allgemein katastrophalen Zustandes der EDV-Technik bei dem Bildungsträger hatte man jedoch bereits Mühe das gewöhnliche Pensum an Bewerbungen bewältigen zu können, abgesehen davon, dass man eigentlich nur zuhause die notwendige Ruhe zum Schreiben von Bewerbungen fand. Neben veralteten Betriebssystemen kam es laufend zu Fehlermeldungen und Systemabstürzen, die Software war von Rechner zu Rechner verschieden, es konnte nicht von allen Computern aus gedruckt werden, weil teilweise die erforderlichen Druckertreiber nicht installiert waren, Softwareupdates waren nicht auf dem neuesten Stand und konnten von normalen Benutzern nicht durchgeführt werden, da hierfür nicht die notwendigen Rechte vergeben wurden. Die Arbeit im Internet war nur sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich, da zahlreiche (auch für die Stellensuche relevante) Web-Seiten über den zentralen Proxy-Server in Köln geblockt wurden und nicht zuletzt war auch die Versendung von Bewerbungen über das Internet wegen sog. Netzwerk-Zeitüberschreitungs-Fehlern nicht möglich, um nur die allerwichtigsten Probleme zu nennen. Und das war für eine Aktivierungsmaßnahme bzw. einen Bildungsträger, der sich auf die Fahnen schrieb, den Teilnehmern bei der Vermittlung in Stellen behilflich zu sein, gelinde gesagt ein bisschen sehr, sehr dünn. Offensichtlich wurde die EDV-Technik über Jahre nicht mehr gepflegt, noch hatte man sich anscheinend Gedanken darüber gemacht, wie sie von den Kursteilnehmern im Sinne der Maßnahme bzw. ihrer Verpflichtungen sinnvoll genutzt werden kann. Ebenso vernachlässigt wurde die Reinigung der Räume und der Toiletten, sodass letztere stanken, teilweise nicht funktionierten oder verstopft waren. Besonders brisant war der Zustand vieler Fenster, in diesem Bauwerk aus den sechziger oder siebziger Jahren. Wollte man eines dieser Fenster öffnen oder ankippen musste man aufpassen nicht erschlagen zu werden, so reparaturbedürftig waren sie.

      Wichtig war für den Bildungsträger offensichtlich nur eines, nämlich das Geld vom Jobcenter, das man für ein Minimum an Einsatz für diese Pseudomaßnahme bzw. Alibifunktion einstreichen konnte. Und das Jobcenter schaute da lieber weg und konnte nun wieder einmal behaupten etwas für die Qualifizierung und Integration von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt getan zu haben, neben dem gewünschten Nebeneffekt, dass die Teilnehmer dieser Maßnahme für mindestens zwei Monate aus der Arbeitslosenstatistik verschwanden. Für mindestens zwei Monate, denn wie eingangs angeführt verlängerte sich die Maßnahme entsprechend um Zeiten der Abwesenheit der Teilnehmer. Dies war möglich weil permanent Maßnahmen dieser Art liefen, in denen man Teilnehmer mit versäumter Anwesenheit unterbringen konnte. Bedenklich erscheint diese Praxis vor dem Hintergrund, dass auch Teilnehmer, die ernsthaft erkrankten und krankgeschrieben wurden, so weiterhin zur Teilnahme an solchen sinnlosen („nur“ für die Teilnehmer und die Gesellschaft!) und damit durchaus krank machen könnenden Maßnahmen gezwungen werden. Insofern werden u. a. auch hier verfassungsrechtliche Fragen bzw. die der Menschenrechte berührt.

      Abgesehen von der wieder einmal verschwendeten Lebenszeit in dieser Billigmaßnahme, für die jeder Cent zu schade war, da er quasi aus dem Fenster bzw. in private Taschen geworfen wurde, war dies die bisher schlechteste, die der Autor je über sich ergehen lassen musste. Das, was hier an Verwertbarem rüber kam hätte man allenfalls an zwei Tagen abhandeln müssen, dazu hätte es keinesfalls zwei Monate gebraucht. Zudem wurde aus unserer Gruppe nicht ein einziger Teilnehmer in eine Stelle vermittelt, ebenso wenig wie in anderen Kursen, soweit es dem Autor bekannt wurde.

      Vor allem aber in anderer Hinsicht wird mir diese sog. Aktivierungsmaßnahme leider unvergesslich in Erinnerung bleiben, durch den Suizid einer neuen Teilnehmerin, der bereits im Vorangegangenen kurz angesprochen wurde. Am Morgen des 10. April 2012, einen Tag nach Ostern, wurde uns eine neue Teilnehmerin vorgestellt, die direkt in der Sitzreihe hinter mir Platz nahm. Das war das Letzte was ich von dieser Frau, als sie noch lebte, wahrnahm. Es war noch am selben Tag, kurz vor der Mittagspause, als unser Dozent etwas bleich und aufgelöst zu uns herein trat und mitteilte, dass sich die neue Teilnehmerin von der 8. oder 9. Etage herabstürzte. Daraufhin wurden wir umgehend nachhause geschickt. Als wir hinunter auf die Straße kamen war bereits die Polizei da und hatte die Stelle, wo die Frau aufschlug, weiträumig abgesperrt. Mein Fahrrad, mit dem ich gekommen war, befand sich unmittelbar hinter der Absperrung, sodass ich einen in der Nähe stehenden Polizisten um Zutritt bitten musste, der mir auch gewährt wurde. Jedoch noch während ich mit dem Öffnen des Fahrradschlosses beschäftigt war wurde derselbe Beamte ziemlich unwirsch und forderte mich zur Eile auf, obwohl ich nicht die geringste Schaulust und Lust zum Verweilen verspürte. Aus irgendeinem Grund muss es dem Beamten ziemlich unangenehm gewesen sein, mich hinter die Absperrung gelassen zu haben. Vielleicht konnte die Normalität an diesem Ort aus bestimmten Gründen nicht schnell genug wieder hergestellt werden bzw. sollte die Öffentlichkeit wohl möglichst nichts von der Tragödie mitbekommen. Weitergehende Details zu dieser Straßenszene sollen an dieser Stelle nicht angeführt werden.

      Wir rechneten fest damit in den nächsten Tagen von der Polizei vernommen zu werden, denn es hätte denkbarer Weise auch ein Gewaltverbrechen vorliegen können, aber eigenartigerweise geschah nichts dergleichen. Ein Suizid muss wohl doch zu offensichtlich vorgelegen haben. Dafür bekamen wir am Tag nach der Tragödie in der Bildungseinrichtung Besuch vom Jobcenter, von dem uns psychologische Betreuung angeboten wurde, sofern wir Probleme mit dieser Begebenheit hätten. Ich muss sagen, dass es einfach nur noch ekelhaft bis unerträglich war, sich das verlogene und geheuchelte Geseich dieses Jobcenterangestellten anhören zu müssen. Ohne die Hintergründe und die unglückliche Frau zu kennen, war schnell die Rede von einer angeblich psychisch Gestörten, die da aus dem Fenster sprang. So muss ich gestehen viel Mühe gehabt zu haben mich zurückzuhalten, wusste ich doch, dass noch so gute Argumente, die die Verantwortlichkeit der Arbeitsmarktpolitik und ihrer Erfüllungsgehilfen bzw. Lakaien für diese Tragödie belegen würden, kaltschnäuzig ignoriert werden würden und ich womöglich noch Probleme bekommen könnte, sollte ich an dieser Stelle aus der Deckung kommen und dies womöglich noch allein.

      Eine Teilnehmerin aus unserer Gruppe machte sich indessen Vorwürfe, sich vielleicht nicht genügend um die Unglückliche gekümmert zu haben, denn die wäre ihr kurz vor dem Unglück weinend, mit einem Schreiben vom Jobcenter in der Hand, auf der Toilette begegnet. Wie bereits zuvor an anderer Stelle erwähnt, ist dieser Fall nach Recherchen aus unserer Gruppe nirgendwo in den Medien publik gemacht worden. Ferner ist mir zugetragen worden, dass dieser Fall noch nicht einmal in den einschlägigen Polizeiberichten vorgekommen sein soll. Dies wirft beklemmende Fragen auf. Ebenso drängt sich hierbei die Frage auf, wie viele ähnliche Tragödien im Umfeld von solchen Zwangsmaßnahmen und anderen Aktivitäten der Jobcenter nicht mehr bekannt werden bzw. geheim gehalten werden.

      „Leben“ unter den Hartz-Gesetzen – „Offener Strafvollzug“ oder lebendig begraben

      „Und was ist denn Hartz IV? Hartz IV ist offener Strafvollzug. Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten. Hartz IV quält die Menschen, zerstört ihre Kreativität. Es ist ein Skandal, dass eine rot-grüne Regierung dieses destruktive Element in die Gesellschaft gebracht hat.“

      Prof. Götz W. Werner, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung und Leiter des „Interfakultative Institut für Entrepeneurship“ der Universität Karlsruhe in: Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen, Verlag Freies Geistesleben Stuttgart 2006, S. 37

      Offener Strafvollzug, das ist exakt die Umschreibung, welche dem Autor bereits einige Zeit bevor er die vorstehenden Zeilen zum ersten Mal las, einfiel bzw. sich ihm aufdrängte um das Leben unter dem Joch der Hartz-Gesetze begrifflich fassen zu können. Bei nüchterner und vor allem aber unvoreingenommener und gewissenhafter Betrachtung kommt man offenbar nicht umhin dieses Dasein so oder so ähnlich – lebendig begraben – umschreiben zu müssen. Dennoch wird diese Umschreibung selbst von einigen in meinem Bekannten- und Freundeskreis mit einer gewissen Ungläubigkeit als zu drastisch empfunden, weil sie sich die entsprechende Lebenssituation einfach nicht vorstellen können, in einer vermeintlichen gerechten Demokratie, in der doch die Menschenrechte bei jeder Gelegenheit gelobhudelt werden, die aber tatsächlich immer

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