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Hintergrund dieser Tragödie war eine Beschwerde der Kundin über nicht überwiesenes Arbeitslosengeld und ihre Bitte um eine Bargeldauszahlung, die ihr offensichtlich abschlägig beschieden wurde. Möglicherweise sind solche Fälle, von denen man früher nie etwas hörte und die unter den damals vergleichsweise weit humaneren Bedingungen des Arbeitsamtes wahrscheinlich nie, oder zumindest viel seltener vorkamen, heute nur die Spitze eines Eisberges. Denn der Autor selbst wurde Zeuge eines nicht unspektakulären Selbstmordes (zum gnädigen Glück nicht unmittelbar während seines Vollzugs) im Zusammenhang mit dem Jobcenter bzw. einer sog. Aktivierungsmaßnahme, der bemerkenswerter Weise nirgendwo in den Medien einen Widerhall fand und auf den ich im Folgenden noch einmal zurückkommen werde. Es scheint so, als scheue man in solchen Fällen von verantwortlicher Seite die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und verhängt möglicherweise sogar Nachrichtensperren, soweit dies die Situation erlaubt, sprich: solange die Öffentlichkeit bzw. Medien von einem Vorfall noch keinen Wind bekommen haben.

      Was bringt einen Menschen dazu sich selbst oder anderen im Affekt tödliche Gewalt anzutun? Da muss i. d. R. schon Einiges zusammenkommen, viel Wut, viel Frust, viel Demütigung, da muss viel kochen; das passiert nicht einfach aus irgendeiner Laune heraus, sowenig man den Betreffenden grundsätzlich immer gern psychische Labilität unterstellen sollte, damit bloß nicht grundsätzlich etwas in Frage gestellt werden muss. Angesichts der z. T. recht derben Provokationen bis hin zu Beleidigungen, denen die sog. Kunden sehr häufig ausgesetzt sind, klingen die Verlautbarungen aus dem Dunstkreis der Agentur für Arbeit nach o. g. Gewaltvorgängen, man wolle die Mitarbeiter nun verstärkt in Deeskalationsstrategien schulen, wie der blanke Hohn, wie eine erneute Provokation. Die beste Prävention gegen Gewalt, ob verbaler oder tätlicher Art, wäre mit den Menschen anständig umzugehen und ihnen das Gefühl zu geben ihnen wirklich helfen zu wollen und nicht ihnen Fallen zu stellen, sie von oben herab zu behandeln. Davon sind wir jedoch Lichtjahre entfernt, wie sich auch im Folgenden noch zeigen wird. Selbst mit Abitur, einem Hochschulabschluss und einem soliden Selbstbewusstsein ist die oft herabwürdigende Art vieler Mitarbeiter in den Jobcentern, die sich des enormen Machtgefälles zu ihren Gunsten bewusst sind, manchmal kaum zu ertragen, auch wenn man weiß, dass diese häufig nur Schafe sind, die den propagierten Mainstream unhinterfragt nachblöken und nun endlich auch mal den Wolf spielen dürfen. Manche Menschen handeln vielleicht gewalttätig, weil sie schlicht am Ende sind, weil sie angesichts des Zynismus, der Kälte, der Verlogenheit und der nicht selten himmelschreienden Ungerechtigkeit, die ihnen in den Jobcentern entgegen schlägt, geradezu von Fassungslosigkeit geschüttelt werden, weil sich in diesen quälenden, demütigenden Momenten ihr Atem durch die würgende Ohnmacht so beschleunigt, dass sie von der Urangst vor dem Ersticken gepeinigt werden, womit sie von Sinnen nur noch blindlings um sich schlagen können, weil ihnen der Fluchtweg versperrt wurde, denn sie haben verfügbar zu sein. Dann hat man den Menschen schon sehr viel bis alles genommen, ihre Würde, ihre Freiheit und ihre Existenz bedroht, auch die geistige.

      Wir alle machen mal Fehler und es können immer mal Dinge und Dokumente verloren gehen, aber nicht in dieser ausufernden, alltäglichen Häufigkeit und Menge, wie dies in den Jobcentern der Fall ist, das widerspricht jeglicher statistisch zu erwartenden Häufigkeit (s. nächstes Kap.). So versuchte man mir in den folgenden Jahren bei etwa jedem zweiten bis dritten ähnlichen Vorgang und Antrag zu unterstellen, ich hätte es versäumt entsprechende Unterlagen beizubringen, womit ich dann wiederum angeblich nicht meinen Mitwirkungspflichten nachgekommen wäre. Erfahrungen, die ebenso regelmäßig von anderen und bundesweit gemacht werden. Z. B. schätzungsweise etwa jede zweite bis dritte Krankschreibung, die nicht direkt am Schalter gegen eine Eingangsbestätigung abgegeben wird, verschwindet irgendwo im Universum, was ebenso von Ärzten bestätigt wird, die dann wiederholt eine Bescheinigung ausstellen müssen. Aufgrund meiner Erfahrungen war ich später jedoch immer auf solche Fälle vorbereitet und hatte entsprechende Nachweise in der Hinterhand, so auch im zuletzt geschilderten Fall. Ich hatte noch weitere Kopien von meinen Bewerbungen und ging damit noch einmal zum Jobcenter. Zu meinem großen Glück wurde ich zu dem Sachbearbeiter, der meinen Antrag auf Bewerbungskostenerstattung ablehnte vorgelassen, nachdem ich dem zugänglichen Empfangsmitarbeiter die Sachlage schilderte. Diese Praxis ist aber völlig unüblich und dürfte, wenn überhaupt, nur noch sehr selten vorkommen. Entsprechend verdattert war der Sachbearbeiter, ein junger Mann, als ich zu ihm hinein trat und ihn zur Rede stellte. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich auch eine Anzeige wegen Unterschlagung in Erwägung ziehen würde, was offenbar Eindruck machte, händigte ihm die Kopien aus und verlangte eine schriftliche Bestätigung für den Erhalt der Bewerbungen, wobei sich herausstellte, dass der junge Mann erhebliche Probleme im Umgang mit seinem Computer hatte und mich hinaus bitten wollte um unbeobachtet die Bestätigung schreiben zu können. Zunächst wollte mir der junge Mann nur eine handgeschriebene Bestätigung geben, was ich jedoch aus verständlichen Gründen ablehnte. Einige Tage später hatte ich den entsprechenden Bewilligungsbescheid im Briefkasten. Anzumerken ist an dieser Stelle allerdings, dass solche Unterschlagungen i. d. R. nur sehr schwer wenn überhaupt nachzuweisen sind, wodurch sie wohl auch umso häufiger auftreten.

      So weit so gut und doch so schlecht, wenn man sich vergegenwärtigt mit welch einem nervenaufreibenden Aufwand man hier permanent um jeden Zentimeter Boden, um sein Recht kämpfen muss. Zu manchen Zeiten, und für manche sog. Kunden gar über längere Zeiträume hinweg, gerät das häufig zu einem Vollzeitjob, sich nur mit der Verwaltung des Jobcenters, mit einer vielköpfigen Hydra herum schlagen zu müssen, abgesehen von den Sorgengetriebenen und schlaflosen Nächten, die einen mürbe machen. Viele Menschen sind nicht so wehrhaft, nicht so kundig, wissen sich oft nicht zu helfen oder merken sehr häufig nicht einmal, dass ihnen Rechte vorenthalten werden, was bei der absichtlich kompliziert gehaltenen Amtssprache in Anträgen und Bescheiden nicht verwunderlich ist, oder aber sie lassen sich einschüchtern und wagen es nicht ihre Rechte wahrzunehmen. Und dann sind da noch die, die man so mürbe gemacht hat, denen der letzte Rest an Mut und Lebensfreude abhanden gekommen ist, weshalb sie sich kraftlos geworden nur noch treiben lassen können. Insofern muss durchaus von einer sehr hohen Dunkelziffer unrichtiger und z. T. regelrecht absurder Bescheide und Entscheidungen der Jobcenter zulasten der zu betreuenden ausgegangen werden (s. u.).

      Im Folgenden sollen in Kürze noch einige weitere Beispiele die fragwürdige Praxis der Jobcenter illustrieren. Am 19.12.2006 unterzeichnete ich einen Arbeitsvertrag. Am 21.12.06, dem nächstmöglichen Termin, meldete ich mich vom Jobcenter ab bzw. hinterließ dort eine Kopie meines Arbeitsvertrages und eine ausgefüllte Veränderungsmitteilung. Damit hatte ich nun wirklich alles Menschenmögliche getan, meiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Von sämtlichen Dokumenten hatte ich Kopien und Belege ihres Eingangs. Mit Schreiben vom 18.01.2007 forderte das Jobcenter zu meiner Verwunderung erneut eine Kopie meines Arbeitsvertrages an, die ich umgehend mit dem Hinweis zusandte, bereits am 21.12.06 eine Kopie von meinem Arbeitsvertrag im Jobcenter abgegeben zu haben. Nur wenig später, mit Schreiben vom 26.01.07 erhielt ich ein Schreiben vom Jobcenter worin bemerkt wurde, ich hätte in meiner Beschäftigung ALG II bezogen, das überzahlt worden wäre, weil ich seit meiner Arbeitsaufnahme nicht mehr bedürftig war. Dies gipfelte in folgendem Satz: „Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie in grob fahrlässiger Weise die Überzahlung verursacht, da Sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in Ihren Verhältnissen verspätet angezeigt haben.“ Bis dahin hatte ich noch nicht bemerken können, dass das ALG II weiter gezahlt wurde, da mir die entsprechenden Kontoauszüge noch nicht vorlagen. Ferner wurde zudem grotesker Weise ein Überzahlungszeitraum in der Zukunft, im Februar moniert, obwohl das Jobcenter inzwischen über die Überzahlung im Bilde war. Ich wurde aufgefordert umgehend über ein sonderbares sog. Anhörungsformular, das mir bedauerlicherweise nicht mehr vorliegt, Stellung zu nehmen, dessen eigenartige und z. T. wahrhaftig geistlose Fragen ich kaum beantworten konnte und wollte. Ansonsten verwies ich mit beigefügten Kopien auf meine o. g. Eingangsbestätigungen, womit dieses furchtbare Theater endlich sein Ende fand.

      Das war jedoch längst nicht der letzte Fall dieser Art, den ich erleben musste. Das Ganze ist schon ärgerlich genug. Schlimm ist aber vor allem, dass auch solche leider alltäglichen Fälle gern als Leistungsmissbrauch mitgezählt und in der Öffentlichkeit angeprangert werden. Womöglich sollen sogar so erst „Leistungsmissbräuche“ kreiert bzw. fingiert werden.

      Ein anderer späterer Fall. Wieder standen eine Beschäftigung und eine Abmeldung aus dem Leistungsbezug an. Nach

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