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nach der Ausprägung diverser Attribute gefragt, wie: „sympathisch, vertrauenswürdig, leistungsorientiert, furchtsam, verantwortungsbewusst, konservativ“ usw. Die Ausprägung dieser Attribute sollte man auf einer siebenstufigen Skala von +3 (sehr ausgeprägt) über Null (neutral) bis -3 (gar nicht ausgeprägt) angeben. Fast allen Maßnahmeteilnehmern, wie auch mir, ging diese Schnüffelei entschieden zu weit, weshalb diese Befragungsaktion vorzeitig ihr Ende fand. Auf der anderen Seite war aber auch die Sinnhaftigkeit dieser nicht anonymen, stümperhaften Befragung sehr in Frage zu stellen, da davon ausgegangen werden musste, dass sich die Befragten wohl eher so positiv darstellen, wie sie gesehen werden wollten und damit tendenziell positiver erscheinen würden als sie es in Wirklichkeit sind. Denn es erscheint kaum vorstellbar, dass ein Mensch mit nur halbwegs gesundem Menschenverstand unter diesen Bedingungen zugeben würde z. B. zur Unpünktlichkeit zu neigen.

      Eine andere Art von Aktivität, die man wohl unter Verlegenheitsaktionismus zusammenfassen muss, betraf einige ganztägige Außenaktivitäten, bei denen uns auszufüllende Aufgabenblätter mit gegeben wurden. Einmal ging es darum aufzunehmen welche Arten von Geschäften sich wie häufig in einer bestimmten großen Neuköllner Geschäftsstraße befanden. Ein anderes Mal sollten wir in Gruppen ganze Neuköllner Gewerbegebiete nach freien Stellen durchkämmen, indem wir persönlich direkt bei den Betrieben vorsprechen sollten. Regelmäßig wurden die auf den Weg geschickten von den Pförtnern mit dem Hinweis auf fehlende offene Stellen abgewiesen, oder sie wurden allenfalls damit vertröstetet, besser eine sog. Initiativbewerbung schreiben zu sollen. Einige dieser Aufgaben durften auch mit Hilfe des Internets zuhause gelöst werden, da dies wegen technischer Probleme in der Bildungseinrichtung selbst häufig nicht möglich war (s. u.). Kennzeichen all dieser Aktivitäten war, das sie in keiner Weise auch nur im Ansatz auf die individuellen Belange, Fähigkeiten und die Situation der Maßnahmeteilnehmer eingingen, sowenig wie die ganze Maßnahme insgesamt. Einige der uns ausgehändigten Aufgabenbögen passten genau in das pauschalierte und unterstellte Klischee vom nur rumhängenden, rauchenden, trinkenden und überhaupt ungesund lebenden und infolge seiner individuellen Mankos nichts geregelt bekommenden Arbeitslosen bzw. Unterschichtmenschen, das man von interessierter Seite so gern in der Öffentlichkeit kolportiert, um daraus eine Legitimation zu ihrer Bevormundung und Abstrafung ableiten zu können. In den betreffenden Aufgabenblättern wurden wir u. a. nach unserer Auffassung von Gesundheit befragt und dazu aufgefordert uns in unserer Wohngegend nach Fitnesseinrichtungen und deren Preisen zu erkundigen. Siehe eine Auswahl der betreffenden Formulare auf den nächsten Seiten.

      Abbildung B:

      Abbildung C:

      Hier wurde also tatsächlich so getan, als sei mangelnde Fitness eine relevante Ursache für Arbeitslosigkeit, womit auf ziemlich penetrante Weise die Privat- und Intimsphäre der Maßnahmeteilnehmer tangiert wurde. Abgesehen davon, dass diese Scheinlösungsansätze von den tatsächlichen Problemen des Arbeitsmarktes ablenken sollen, wurde nicht mit einem einzigen Wort darauf eingegangen, wie Erwerbslose mit ihrem geringen Einkommen ein Fitnessprogramm in einer entsprechenden Einrichtung finanzieren sollen. Und natürlich wurde auch nicht der Krankheiten verursachende Stress unter den heutigen Bedingungen der Erwerbslosigkeit thematisiert. Das war und ist Tabu, denn Stress mache man sich schließlich nur selbst, wie auch dies gern dem neoliberalen Mainstream entsprechend propagiert wird.

      Mindestens ein Drittel der Zeit, die wir in dieser Maßnahme anwesend sein mussten, wurde mit ziemlich allgemeinem Palaver und Diskussionen über Gott und die Welt, mit dem Anschauen von mal gehaltvolleren und mal weniger gehaltvollen Videos, wie Actionfilmen, mit ausgiebigen sog. Frühstücksrunden, die sich häufig über mehr als einen halben Tag dahin zogen, oder mit Gesellschaftsspielen, wie z. B. dem Galgenspiel vertan, so wie es von unserem Dozenten angeregt wurde. Bei dem Galgenspiel, z. B., wurde unsere Gruppe in zwei Fraktionen aufgeteilt, die gegeneinander spielen sollten. Es ging darum, mit der Beantwortung von Fragen bzw. Rätseln ein Strichmännchen an einem Galgen hängend zu erzeugen – jede richtige Antwort ein Strich. Und so schlugen wir unsere Zeit noch mit einigen anderen ähnlichen Spielchen buchstäblich tot.

      Die bereits im Vorangegangenen kurz erwähnte Dozentin aus dem Nachbarkurs ließ in ihrem standardisiert herablassenden Tonfall zur Einweisung in eine der o. g. Außenaktivitäten wissen, dass diese dazu gut wäre mal wieder unsere Gehirne in Gang zu bekommen, so als wären wir alle grundsätzlich phlegmatische Dummköpfe, die nichts sinnvolleres mit ihrer Zeit anzufangen wüssten. Die Teilnehmer eines, dieser Dozentin zugeteilten Kurses, soll sie pauschal als Sozialschmarotzer heruntergeputzt haben. Einer der Teilnehmer aus unserer Gruppe hatte einmal eine Unterredung mit dieser Dozentin, die ihm bei dem Versuch einen Sachverhalt darzulegen rüde ins Wort gefallen sein soll. Auf seine folgende Bitte ausreden zu dürfen soll die Dozentin wörtlich entgegnet haben: „Das hier ist mein Raum. Da haben Sie den Mund zu halten, wenn ich das sage…“, worauf der genannte Maßnahmeteilnehmer konsequent das Gespräch beendete und sich anschließend über die Frau beschwerte. Bei dieser Frau handelte es sich um eine von jenen grotesken Erscheinungen, die wohl nicht recht mit sich selbst im Reinen sind, und die leider viel zu häufig auf diesen Ebenen anzutreffen sind. So war auch ihr die Attitüde des kleinen, von Minderwertigkeitskomplexen geplagten, Gernegroß zueigen, der meint den Untergebenen dank seiner Position nun endlich auch einmal zeigen zu dürfen wo der Hammer hängt (vgl. Kap. 2.4.1). Diese kleine, zierliche Frau, augenscheinlich bereits über fünfzig, aber kein bisschen weise und mit einem überproportionalen Bierbauch, der von Storchenbeinen und Stöckelschuhen balanciert wurde, (ver)kleidete sich derb geschminkt in der Art einer Domina, stets mit Miniröckchen. Nicht, dass der Autor etwas gegen extravagante, individuelle Kleidung hätte, ganz im Gegenteil, aber in diesem Fall passte das in seiner beinahe unübertroffenen Geschmacklosigkeit so absolut gar nicht. So konnte die verbreitete Belustigung über diese wunderliche Erscheinung und in manchen Fällen ihre Bemitleidung oder aber auch ihre wiederum häufigere Verachtung, infolge ihres mangelndem Charmes und Taktgefühls, nicht sonderlich verwundern.

      Ein anderes, großgeschriebenes Thema dieser Aktivierungsmaßnahme war das Bewerbungstraining bzw. die Massenproduktion von Bewerbungen. Dies war beileibe nicht das erste Bewerbungstraining, dass der Autor und die meisten der anderen Teilnehmer über sich ergehen lassen mussten. Mittlerweile wird wohl so ziemlich jede sog. berufliche Weiterbildung mit dieser Art von billigen Füllsegmenten, die sich Bewerbungstraining nennen, aufgeblasen. So sympathisch und nett unser Dozent war, so sehr muss ihn eines Tages doch der Teufel geritten haben bzw. muss er einen sog. Blackout gehabt haben, als er von uns verlangte sage und schreibe sechs Bewerbungen pro Tag schreiben zu sollen. Wie er auf diese Schnapsidee kam und wohin man diese Unzahl von Bewerbungen hätte schicken sollen wird wohl für ewig sein Geheimnis bleiben. Auch angesichts dessen, was uns eben dieser Dozent über Bewerbungstechniken vermittelte, wovon doch einiges als brauchbar erschien, erschien seine Forderung völlig unverständlich. Davon abgesehen wurde in jeder Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter von vorn herein fest geschrieben, wie viele Bewerbungen im Monat zu schreiben waren, so auch in meiner, in der fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat festgeschrieben wurden, die ich zu leisten hatte.

      Wer schon einmal Bewerbungen geschrieben hat, wird vielleicht wissen, dass es zu einer guten Bewerbung i. d. R. einen halben Tag und mehr brauchen kann, inklusive den Recherchen und was sonst noch dazu gehört. Und am nächsten Tag schaut man sich das ganze noch einmal an und entschließt sich möglicherweise zu Änderungen. Jedenfalls gab es in unserer Gruppe einen regelrechten Aufschrei der Entrüstung, über die Weisung unseres Dozenten, sechs Bewerbungen pro Tag schreiben zu sollen. Die Vorgesetzte des Dozenten wollte jedoch bemerkenswerter Weise nichts von einer Anweisung zu dieser Anzahl von Bewerbungen wissen und wunderte sich sogar in meinem Fall darüber, dass ich laut Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter mindestens fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat auszufertigen hatte, womit diese Angelegenheit allseitig vom Tisch war.

      Im Rahmen des Bewerbungstrainings wurde uns u. a. ein Lehrvideo eines selbsternannten „Bewerbungsexperten“ vorgeführt, dessen z. g. T. doch recht weltfremde und abseitige Vorstellungen von Bewerbungstechniken regelmäßig für Belustigung sorgte.

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