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rücksichtslos. Kritisiert wird ebenso die mangelnde „Zahlungsmoral“ der Jobcenter, durch die viele Kunden in existenzielle Bedrängnis geraten, und dass so zusätzlich Gefühle der Ohnmacht ausgelöst würden: „Denn während von den ALG-II-Beziehenden ständige Verfügbarkeit erwartet wird, sind ihre zuständigen Sachbearbeitenden für sie nur selten ansprechbar. Auf Termine müssen ALG-II-Beziehende lang warten und auch telefonisch sind die Sachbearbeitenden nur schlecht erreichbar.“ (vgl. ebd. S. 6).

      Insgesamt wird das Verwaltungshandeln der Jobcenter in der Studie als willkürlich betrachtet, wobei diese Ansicht „von den Expert/innen durchgängig geteilt“ werden würde. Durch die Abschottungspraxis der Jobcenter werde ebenso die Arbeit der Experten „gravierend erschwert“, die sich um die Belange ihrer Klienten bzw. sog. Kunden kümmern müssen. So wird eine Expertin folgendermaßen zitiert: „Man kriegt eigentlich generell kaum direkte Antwort. Die direkte Kommunikation hat sich ziemlich verflüchtigt. Der Bescheid ist der Kommunikationsweg. Das Persönliche fehlt total.“ (vgl. ebd. S. 6).

      Als „sehr problematisch“ werden unverständliche Formulare angesehen, die selbst mit hohem Bildungsstand Schwierigkeiten bereiten würden, zumal bei Falschangaben Sperren und Sanktionen drohen würden. „Verschlüsselte Briefe“ mit „seitenlangen Rechtsfolgebelehrungen“ würden ein Angst besetztes Verhältnis zum Jobcenter herstellen. Da würde es als psychologischer Trick erscheinen, dass man Post vom Jobcenter immer nur zum Wochenende bekommt. Am Wochenende könne man sich erst mal schön aufregen, auch weil man nichts machen kann und hat sich bis zum Montag wieder etwas beruhigt, wird die Aussage einer Interviewpartnerin zusammengefasst. Ein anderer Interviewpartner wird folgendermaßen zitiert: „Man ist immer froh und selig, wenn man mal keine Post von der ARGE hat. (…) Es ist ja nie wie früher: Oh ein Brief vom Arbeitsamt, vielleicht krieg’ ich einen Job. Nein, es ist immer: Ach Gott, was kommt denn jetzt. (…) Es ist ein Verhältnis, als wenn man zu seinem Fürsten geht. (lacht) Dieser alte Spruch: Genieße deinen Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst, trifft voll auf die ARGE zu.“ Auch dies kann der Autor nur bestätigen, dass Post vom Jobcenter ganz überwiegend zum Wochenende kommt, mit den oben beschrieben und wohl auch beabsichtigten Effekten. ARGE steht übrigens in dem voran gegangenem Zitat synonym für Jobcenter bzw. für die früheren kommunalen Arbeitsgemeinschaften.

      Als Fazit ziehen die Autoren der Studie, dass die Ebene der bürokratischen Abwicklung nicht durch Entgegenkommen und Unterstützung geprägt sei, sondern durch den Aufbau von Barrieren und Verzögerungen bei gleichzeitiger Missachtung der krisenhaften Lebenssituation der ALG-II-Beziehenden.

      Aber auch auf der sog. Interaktionsebene würde sich das per se asymmetrische Verhältnis zwischen Jobcentern und ALG-II-Beziehenden in problematischer Weise manifestieren, denn die Kunden könnten sich nicht grundsätzlich darauf verlassen, dass ihnen Respekt und Höflichkeit entgegengebracht würde. So würde von Experten das Fehlen von verbindlichen Regeln im Umgang mit ALG-II-Beziehenden kritisiert werden. Es gäbe auch positive Erfahrungen mit Jobcentermitarbeitern, jedoch gleiche die Situation im Jobcenter aufgrund der fehlenden Wahlfreiheit der Kunden einem Glücksspiel, an welches Gegenüber sie geraten. Aussagen von Kunden wie folgende werden als typisch angeführt: „Ich stand neulich am Tresen und sag’, ‚Schönen guten Tag, mein Name ist Ebert’. ‚Ja Ihren Namen brauchen Sie nicht sagen, was wollen Sie?’ So wird man zum Beispiel angemacht unten (! d. V.) am Tresen.“

      Ein herabwürdigendes Verhalten, das von ALG-II-Beziehenden als unhöflich, frech oder pampig beschrieben wird, trete nicht erst in Folge von Konflikten auf, sondern könne von Anfang an die Interaktion mit den Mitarbeitern der Jobcenter prägen. So wird von typischen Erfahrungen berichtet, wonach Kunden nicht zugehört würde, Aussagen nicht ernst genommen würden, Erklärungsversuche einfach abgebrochen würden, Kunden geduzt würden, während des Sprechens kein Augenkontakt gehalten würde (das andere Extrem, d. V.) und über anwesende Kunden in der dritten Peron gesprochen werden würde. Zudem dominiere häufig das per se vorhandene Machtgefälle zwischen Kunden und Mitarbeitern die Interaktion derart massiv, dass Aushandlungsprozesse oft schon im Keim erstickt würden. Zum Abschluss einer sog. Eingliederungsvereinbarung wurde folgende Äußerung eines Arbeitsvermittlers angeführt: „Wenn Sie das nicht unterschreiben wollen, das macht gar nichts, dann erlassen wir das als Verwaltungsakt, nicht dass Sie denken, dass Sie uns so davon kommen.“ Hier würde dem Kunden ganz klar das Recht einer aktiven Mitsprache und Beteiligung abgesprochen werden, was der Autor indessen nicht wirklich anders sehen kann. Und die knappe Antwort, „Dann klagen Sie doch“, die ein Alleinerziehender Kunde angesichts drohender Wohnungslosigkeit von einer Sachbearbeiterin erhalten habe, zeige, dass auch in gravierenden Notlagen mitunter jegliche Kommunikation und Unterhandlung unterbunden würde (vgl. ebd. S. 7). Expert/innen und ALG-II-Beziehenden würden gleichermaßen kritisieren, dass in den Jobcentern ein zu geringes Verständnis vorhanden wäre, dass Bürger/innen einen Rechtsanspruch auf Existenzsicherung in einer Notlage hätten. In der Tat scheint dieses Verständnis häufig nicht (mehr) vorhanden zu sein. Nach Meinung des Autors ist hier aber nicht nur fehlendes Verständnis zu beklagen, sondern nicht selten auch die vorsätzliche Missachtung und Torpedierung der Notlagen und Rechte der Kundinnen und Kunden von maßgeblicher Seite her.

      Nicht selten würden ALG-II-Beziehende eine Haltung zu spüren bekommen, die ihnen Faulheit und Arbeitsunwilligkeit unterstellen würde, und die einem stereotypen Bild aus medialen Diskursen ähneln würden, mit dem ALG-II-Beziehende über einen Kamm geschoren würden. Dies würde z. B. in der folgenden Äußerung einer Arbeitsvermittlerin gegenüber einem Kunden zum Ausdruck kommen: „Passen Sie auf, Sie kriegen jetzt so lange von uns Geld und es ist an der Zeit, der Gesellschaft auch was zurück zu geben.“ In solchen Äußerungen spiegele sich bereits ein übergriffiges Verwaltungshandeln wieder, bei dem ALG-II-Beziehende in einer Weise als ‚ganze Person’ „adressiert und bewertet“ würden, die angesichts ihrer berechtigten Rechtsansprüche eine ganz klare Grenzüberschreitung darstellen würde. Diese Form der „Distanzlosigkeit oder Übergriffigkeit“ könne als ein Ergebnis der Hartz-Reformen gesehen werden, mit denen die Eigenschaften des Kunden in den Vordergrund gerückt wurden, die es nun – anstelle struktureller Ursachen (z. B. fehlende Arbeitsplätze) – zu beheben gelte. Im Jobcenteralltag könne dies für ALG-II-Beziehende darauf hinaus laufen, mit respektlosen Äußerungen konfrontiert zu sein, die ihrer krisenhaften Situation in keiner Weise gerecht werden und somit die Kontakte zum Jobcenter zusätzlich erschweren würden (vgl. ebd. S. 8).

      Neben abfälligen Äußerungen von Jobcentermitarbeitern über die äußere Erscheinung von Kunden, die in der o. g. Studie dokumentiert werden, werden auch handfeste Beleidigungen wie diese von einem Kunden zitiert: „Beleidigungen, die man manchmal so an den Kopp gehauen bekommt“, wie „ Mein Gott, Sie sind ne ganz schöne Nervensäge“ oder „Ach ihre Nummer, immer wenn ich Ihre Nummer sehe, Krieg’ ich nen Hals“ (vgl. ebd. S. 8).

      Ferner zeige sich in den Interaktionen, dass oftmals keine Einzelfallbezogene Betreuung stattfände, die ganzheitlich an der individuellen Lebenssituation der ALG-II-Beziehenden ansetze. Vielmehr würden die Fachkräfte in den Jobcentern als „kleine Robotter“ erscheinen, die sich nicht für „deine Geschichte“ interessieren würden, wird eine junge Kundin zitiert. Dass auf die persönliche Situation und besonderen Problemlagen der Kunden in den Gesprächen zu wenig eingegangen würde, sondern diese nach mehr oder weniger dem selben Schema „abgearbeitet“ würden, zeige sich auch an den vorgefertigten Textbausteinen in vielen sog. Eingliederungsvereinbarungen. So wird von einem älteren Kunden beklagt: „Also gerade dieses Zwischenmenschliche, (…) ja der Umgang, sich mal hineinzudenken in den Menschen und bisschen zu spüren, (…) fehlt völlig. Das ist gerade bei Existenzsachen, ist das natürlich schlimm, ne.“

      Insgesamt zeige sich, dass es ein zu geringes Verständnis für Grenzen gäbe, die in der Behandlung von ALG-II-Beziehenden selbstverständlich sein sollten. ALG-II-Beziehende bekämen zu häufig ein willkürliches und übergriffig-respektloses Verhalten zu spüren, mit dem ihnen eine Autonomie, die man Bürger/innen gemeinhin zuerkenne, tendenziell abgesprochen würde. Dazu das Zitat von einer allein erziehenden Kundin: „Die sind sehr, mit ihren Worten können die einen niedermachen. (…) Und ich mach’s immer so, ein Ohr rein, dann geht’s bei mir einmal durch ‘n Magen und tritt

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