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Arbeitsmart zu sprechen, offenbar um die Gesellschaft an diesen Arbeitslosensockel zu gewöhnen, ihn als normal und naturgegeben darzustellen. Wie grotesk dies ist zeigt sich, hält man sich vor Augen, dass man in den 1960er und 1970er Jahren bei nur sehr wenigen hunderttausend Erwerbslosen zu recht von Vollbeschäftigung sprach. Sehr aufschlussreich ist indessen wie sich die Europäische Kommission u. a. in ihren „Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008)“ zum Erreichen von Vollbeschäftigung äußerte. Danach wäre neben der Belebung der Arbeitkräftenachfrage auch eine „Verringerung der Nichterwerbstätigkeit“ (nicht Menschen die Arbeitslos gemeldet sind, sind hier gemeint, sondern solche die bisher nicht im Erwerbsleben standen, wie z. B. Hausfrauen) und die „Steigerung des Arbeitskräfteangebots“ notwendig! Das ist etwa so als würde man versuchen ein Glas zu leeren, indem man immer wieder etwas hinein gießt. Die wahre Absicht, die dahinter steht, gilt vielmehr der Erhöhung des untereinander konkurrierenden Arbeitskräftepotenzials zur Optimierung seiner Allokation, d. h. zu seiner preiswertesten Verfügbarkeit. U. a. wird dies auch durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die o. g. sog. „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ gefördert. Letztendlich gehen die offiziellen Arbeitslosenzahlen auf eine Vielzahl von Verordnungen zur Kaschierung derselben zurück bzw. auf die sog. „Entlastung der Arbeitslosenstatistik“, vor allem seit Einführung der Hartz-Gesetze. So müsste die tatsächliche Zahl der Erwerbslosen in Deutschland heute ungleich viel höher liegen, würde man frühere Erfassungsmaßstäbe zugrunde legen.

      Auch mit dem Wirtschaftswachstum ist es seit der neoliberalen Wende in Deutschland, vor rund dreißig Jahren, nicht mehr weit her, wobei es sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt deutlich weiter abschwächte. Von den über dreißig Industrie- bzw. OECD-Mitgliedsstaaten hat Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, tatsächlich mit die schwächsten Wachstumsraten in diesem Zeitraum zu verzeichnen. Das mag angesichts der permanenten Beteuerungen von Politik und Wirtschaft, Wirtschaftswachstum hätte absolute Präferenz, verwunderlich erscheinen, was es in der Tat jedoch keineswegs ist. Denn dieses verminderte Wirtschaftswachstum wurde und wird unmittelbar durch eine restriktive Spar- und Niedriglohnpolitik, einer Politik des schlanken Staates und Sozialabbaus verursacht. Infolge der Minderung und Stagnation der großen Mehrzahl der Einkommen erfolgte und erfolgt ebenso eine Minderung und Stagnation des privaten Konsums, denn Menschen die weniger Einkommen erzielen können nun mal nicht mehr ausgeben. Ebenso ist ein immer schlankerer Staat nicht fähig seinerseits Waren und Dienstleistungen nachzufragen, womit er zusätzlich seiner Fähigkeit beraubt wird, seine Aufgaben zum Ausbau und Erhalt der gesellschaftlichen Infrastruktur erfüllen zu können. Letzteres wirkt sich zudem negativ auf die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland aus. Dort wo sich der Staat zurückzieht sollen private Unternehmen u. a. die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Da private Unternehmen naturgemäß primär um ihren Profit besorgt sind und allenfalls an nachrangiger Stelle um die Versorgung der Bevölkerung, wird dies in aller Regel für die Verbraucher teurer als zuvor. Die drastischen Erhöhungen der Wasser- und Strompreise in den vergangenen Jahren, vor allem für Privatkunden, sei nur ein kleines Beispiel, wobei die Versorgung der Bevölkerung nicht unbedingt besser wird, sondern in vielen Fällen sogar noch erheblich schlechter, wie das Beispiel der Berliner S-Bahn zeigt. Auch dies, die höhere Belastung der Bevölkerung mit steigenden Lebenshaltungskosten und Abgaben bei gleichzeitiger Stagnation oder sogar Minderung ihrer Einkommen, kann ganz sicher nicht zu einem höheren Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitragen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ein höheres Wirtschaftswachstum keineswegs zu mehr Belastung der Umwelt führen muss; ebenso gut kann es die Belastungen verringern, indem z. B. der Ausbau regenerativer Energien gefördert wird. Das verminderte Wachstum der Realwirtschaft begünstigt zudem eine weitere fatale Entwicklung. Entsprechend dem geringen Wachstum sinken dort auch die Profitraten, was zu höheren Anreizen für Kapitalanlagen in der lukrativer erscheinenden und nun ebenfalls deregulierten Finanzwirtschaft führt (Kasinokapitalismus). Dies wiederum schürt die Gefahr von sich immer häufiger und weiter aufblähenden Spekulationsblasen, die mit ihrem Platzen entsprechende Krisen verursachen.

      Wie o. g. erfolgt die Senkung der Lohnnebenkosten – also die Senkung der Beiträge zu allen Sozialversicherungskassen – vor allem zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Wirtschaft. Also nicht mehr der Erhalt des Lebensstandards steht hier im Vordergrund, sondern die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit zugunsten weniger. Hierin liegt auch der Grund, weshalb z. B. die Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten immer weiter hinter dem allgemeinen Lohnniveau zurück hinken, Leistungskataloge der gesetzlichen Krankenkassen immer mehr zusammengestrichen werden oder für die berufliche Weiterbildung von Erwerbslosen nur noch rund zwanzig Prozent von dem ausgegeben wird, was vor fünfzehn Jahren noch dafür bereitgestellt wurde. Die Kürzung der Renten wird vor allem mit dem demographischen Wandel (hier Geburtenrückgang) gerechtfertigt. Hierbei wird unterschlagen, dass dieser Wandel bereits seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert stattfindet, jedoch durch die erfolgten Produktivitätssteigerungen weit überkompensiert wurde und wird. Auf der anderen Seite ist es aber eben genau diese i. w. S. lebensfeindliche Spar- und Geizpolitik, die einen noch stärkeren Geburtenrückgang fördert, also buchstäblich seine Kinder frisst. Ferner wird hierbei auch unterschlagen, dass durch weniger Kinder Betreuungs- und Bildungskosten eingespart werden.

      Staatliche Institutionen werden schrittweise privatisiert, was nichts anderes heißt, als dass gesellschaftliches Eigentum aus der Hand gegeben wird, also enteignet wird. Die Bürger werden darum in euphemistischstem Ton zu sog. Eigenverantwortung aufgerufen, sollen u. a. für ihren Lebensabend zusätzlich bzw. allein und privat vorsorgen, obwohl dies zumeist ineffizienter und erheblich teurer als früher ist. Angesichts der von Politik und Wirtschaft herbeigeführten Absenkung der Löhne und Einführung eines Niedriglohnsektors ist das weit mehr als ein grotesker Zynismus, können doch gerade die mit den geringsten Einkommen, die es also am dringendsten müssten, am wenigsten zu ihrer Altersversorgung beitragen.

      Die Steuerpolitik folgt ebenso der neoliberalen Wettbewerbspräferenz, was deutlich an der Veränderung der Steuerlastverteilung zugunsten einer erheblich geringeren Besteuerung von Gewinnen und Besitz zu Lasten bzw. höherer Besteuerung von Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit und Verbrauchssteuern ablesbar ist. So trugen in Deutschland im Jahr 1960 sämtliche Gewinnsteuern noch 34,7 Prozent, Umsatz- und Verbrauchssteuern nur 21,7 und die Lohnsteuer nur 11,8 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen bei. Im Jahr 2009 trugen die Gewinnsteuern mit nur noch 20,7 Prozent den kleinsten Posten davon zum gesamten Steueraufkommen bei, während der Anteil der Umsatz- und Verbrauchssteuern auf 35,7 Prozent kletterte und der Anteil der Lohnsteuer auf 28,1 Prozent. Die Erhöhung der Umsatz- und Verbrauchssteuern trifft wiederum am härtesten die Schichten mit den geringsten Einkommen, die den größten Anteil oder gar ihr gesamtes Einkommen zum Erwerb von Verbrauchsgütern aufbringen müssen. Da den meisten Haushalten aufgrund dieser Umstände immer weniger bis nichts zur Bildung von Vermögen übrig bleibt ist zu beobachten wie Deutschland, was das Vermögen des Durchschnittsdeutschen anbelangt, weiter hinter früher sogar ärmeren Ländern zurückfällt. Die Vermögen konzentrieren sich in Deutschland also nicht nur erheblich stärker, sondern wachsen insgesamt lange nicht mehr so stark wie in den ersten vier Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland, als die Arbeitnehmer noch erheblich umfassender am deutlich höheren Wachstum der Wirtschaft partizipierten. Der mit Abstand größte Teil der Menschen in Deutschland wird also ärmer, entsprechend dem schlanker werdenden Staat. Die Häufung von Streiks in den letzten Jahren kommt daher nicht von ungefähr, sondern ist unmittelbar auf die Umverteilung von Vermögen, Besitz und Einkommen von unten nach ganz oben, zu den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung Deutschlands, zurückzuführen.

      Die Zugeständnisse, die dieser dünnen (Ober?)Schicht gemacht werden, müssen von den „unteren“ mindestens 90 Prozent der übrigen Bevölkerung unseres Landes geschultert werden. Heißt es da „wir“ müssen sparen, weil „wir“ angeblich über unsere Verhältnisse gelebt hätten, so wird das keineswegs von den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung gefordert und noch viel weniger von den allerreichsten, sondern ausschließlich vom Rest, dies jedoch progressiv umso weit mehr je ärmer die Menschen sind. Den Arbeitnehmern, den Erwerbslosen, den Rentnern, den Kranken, den Kindern und Jugendlichen, den Sozialhilfeempfängern, den mittelständischen und kleinen Unternehmen, den Solo-Selbständigen, letztendlich fast dem gesamten Volk kommt dabei die Rolle des Kanonenfutters zu, das zur Eroberung der

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