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Tiere, besonders die schwarzen Jericho Skorpione, über den weichen Kies flitzen.

      Der Tag schritt voran, die Schwestern wussten nicht, wie viel Zeit tatsächlich vergangen war, doch irgendwann verließen sie ihr Heimatgebiet.

      Beide waren erleichtert, denn die Straßen auf dieser Seite der Grenze waren weitaus besser erhalten und machten das Fahren somit zu einer weitaus geringeren Tortur. Aus dem Radio ertönte ein arabisches Lied, als der laue Nachmittagswind Sakine dazu antrieb, das Gaspedal durchzutreten. Sie genoss das schnelle Fahren, das Schnurren des alten Motors, während eine angenehme Brise durch beide geöffneten Seitenfenster die Luft im Auto zirkulieren ließ.

      Schläfrig sank Rya in ihrem Sitz zurück, lehnte einen Arm aus dem offenen Fenster und spielte mit dem Widerstand des Winds auf ihrer Haut. Die lange Reise in der schwülen Hitze war ermüdend und kräfteraubend, doch vor allem war sie für die tatenlose Rya langweilig. Gedankenverloren spähte sie durch den Wagen, bis ihr Blick auf Sakine fiel, an welcher etwas silbrig Glänzendes Ryas Aufmerksamkeit erregte.

      Schelmisch grinsend näherte sich ihre Hand der Haarpracht ihrer Schwester, ehe sie vorschnellte und das graue Haar mit einem Ruck ausriss. Erschrocken zuckte Sakine zusammen, der Motor heulte ebenfalls kurz wehleidig auf, während seine Fahrerin sich empört an den Kopf griff.

      »Was zur Hölle …?«, entfuhr es ihr atemlos, den Blick abwechselnd auf Rya und die Straße gerichtet, beide mit vernichtendem Ausdruck aufspießend.

      »Ein graues Haar. Du wirst langsam alt«, frotzelte die Jüngere mit triumphierendem Ausdruck. »Das bedeutet, du bist bald dran mit Heiraten, Schwesterherz. Aber wenn ich mir deine heimliche Liebe so ansehe …«

      Sie ließ den Satz im Raum stehen, brachte Sakine dazu, ertappt und zugleich empört aufzuatmen, bevor sie weitersprach. »Der scheint viel zu nett für dich zu sein. So wie er sich kleidet, ist er bestimmt ein Muttersöhnchen.

      Ich hätte dir eigentlich mehr zugetraut, als dich in jemanden zu verlieben, dessen Kleidung geschmackloser ist als Tantes Suppe«, stichelte Rya grinsend ihre Schwester und vertrieb somit auch den letzten Rest Langeweile aus der Luft.

      Schnaubend schüttelte Sakine den Kopf, während sie das Auto trotzig aufheulen ließ. »Was genau soll denn an ihm auszusetzen sein?«, schmollte sie vorwurfsvoll, während sie ihre Schwester aus den Augenwinkeln betrachtete. »Er ist gebildet und reif, was ja nicht gerade typisch für das andere Geschlecht ist. Und ich finde, nur darauf kommt es an. Auf den Charakter. Was er anzieht ist gleichgültig«, verteidigte Sakine mit wachsender Vehemenz ihre heimliche Liebe.

      Das versteckte Lächeln Ryas quittierte sie mit einem beiläufigen Augenbrauenhochziehen. Mit gespitzten Lippen fügte sie noch hinzu: »Wir können es uns wenigstens leisten, auf dem Heiratsmarkt wählerisch zu sein.«

      »Nein, mein Schwesterherzblatt. Mit deinen 23 Jahren bist du wirklich reif für die Ehe. Andere Mädchen tragen schon längst einen Ring am Finger«, widersprach Rya und grinste dabei zufrieden vor sich hin.

      Ihre Schadenfreude über das Wortgefecht wurde jäh gehemmt, als Sakine ihr einen Klaps auf den Hinterkopf versetzte. »Wenigstens habe ich jemanden in Aussicht. Mit deiner losen Zunge wirst du in zehn Jahren keinen Mann finden, der sich mit deiner Frechheit arrangieren kann.«

      Den verärgerten Blick ihrer Schwester ignorierte Sakine, denn nun war sie es, die stolz lächelte. »Noch ist er nicht dein Ehemann«, verteidigte Rya sich, bevor sie ansetzte: »Erst dann hast du einen Grund, zu behaupten, du hättest ihn in Aussicht. Und selbst wenn ich noch zwanzig Jahre warten muss – wozu die Eile? Ehe ist nicht die Essenz unseres Lebens.« Sie bemerkte zu spät, dass ihre Worte all den Belehrungen ihrer Mutter widersprachen, doch ehe Sakine sie dessen erinnern konnte, räusperte Rya sich laut.

      »Lass uns besser das Thema wechseln, dieses lässt noch jeden Baum seine Blätter abwerfen.«

      »Einverstanden«, stimmte Sakine ihr dankbar zu.

      Bevor eine der Beiden jedoch die eingekehrte Stille durchbrechen konnte, spottete Rya ein letztes Mal: »Eines jedoch musst du dir wirklich eingestehen. Die Kleidung deines Geliebten ist wirklich geschmackloser als Tantes Suppe.«

      Obwohl die Worte ein widerwilliges Kichern in ihrer Kehle aufsteigen ließen, knuffte Sakine ihrer Schwester ermahnend in die Seite.

      »Er ist trotzdem ein attraktiver Mann«, quietschte die Geschlagene abwehrend und rutschte anschließend so tief in ihren Sitz, dass sie kaum mehr über das Armaturenbrett linsen konnte.

      Sakine schwieg auf dieses Thema demonstrativ und konzentrierte sich auf die leere Straße. Die erdrückende Stille, die wieder in dem Auto einkehrte, ließ sie beiläufig gähnen. Nach einigen Minuten wurde sie der gespannten Atmosphäre müde und fragte ihre Schwester ganz beiläufig: »Was sagt denn nun eine Schildkröte, wenn sie auf einem Kamel sitzt?«

      Rya grinste, ehe sie verschwörerisch antwortete: »Das verrate ich dir vielleicht ein anderes Mal.«

      Der frühe Abend war bereits angebrochen, als sie die Zielstadt endlich erreicht hatten und am Haus ihrer Großmutter ankamen.

      Eine zweistöckige Steinhütte mit Spitzdach erhob sich hinter dem ausladenden Garten, der Omas ganzer Stolz war. Sattes Gras wucherte wild auf den Grünflächen, die den Kiesweg hinter dem Tor zur Straße flankierten. Tomatensträucher wuchsen aus ihnen empor, lockten mit ihren reifen, roten Früchten, riefen den Mädchen ihren Duft entgegen, als diese ihre Koffer über den Weg zum Haus zogen.

      »Ob sich wohl etwas verändert hat, seit wir das letzte Mal hier waren?«, murmelte Sakine verträumt, nachdem sie den Schlüssel im rostenden Schloss umgedreht hatte und die Tür ins Innere aufstieß.

      Die Antwort bot sich ihnen, als eine stickige, heiße Staubwolke ihnen entgegenschlug. Sofort öffneten die Mädchen alle Fenster im Erdgeschoss und betrachteten dabei nostalgisch die bescheidenen, alten Möbel. Den wackligen Holztisch im Wohnzimmer, die wehenden, schlammfarbenen Gardinen. Sie erinnerten sich, wie sie in ihrer Kindheit stundenlang auf den roten Perserteppichen gesessen hatten und die verschnörkelten Muster nachgefahren waren.

      »Am Besten, wir packen schnell aus und stauben dann ein wenig ab«, schlug Rya seufzend vor, nachdem sie sich wieder bei ihren Koffern in der Eingangstür getroffen hatten. Sakine quittierte ihren Vorschlag mit einem Nicken und sie beide sputeten sich, ihre Zimmer im Obergeschoss einzuräumen, bevor sie sich dem Saubermachen widmeten.

      Als der Himmel sich bereits dunkel färbte und die ersten Sterne am nächtlichen Horizont erschienen, ließen sich die Schwestern schwitzend und erschöpft auf der Terrasse vor dem Haus nieder. Sakine entpackte die Dosen, die sie vor ihrer Abreise mit Hackfleischbällchen und Sesambrot gefüllt hatten und gierig verschlangen sie das köstliche Abendmahl.

      Stille hatte sich über die Häuser der Stadt gelegt und hüllte auch die Mädchen in einen seltsamen Frieden. Lediglich vereinzelte Vögel sangen aus ihren Baumkronen dem Mond entgegen und Grillen zirpten im Dickicht.

      In der Ferne waren vereinzelte Motorengeräusche zu vernehmen, doch das Stadtzentrum lag weit entfernt von ihrem Haus und so störten sie diese kaum.

      Sehnsuchtsvoll blickte Rya in den tiefblauen Himmel und betrachtete die leuchtenden Punkte, die ein prächtiges Gefilde bildeten. ›Die Sterne leben in Frieden. Sie spüren weder Schmerz noch Leid‹, dachte sie sich im Stillen, während ihre dunklen Augen von einem Stern zum anderen sprangen und unsichtbare Linien zwischen ihnen zogen. ›Wieso können wir Menschen keine Sterne sein? Dann würden wir uns nicht selbst kaputt machen …‹

      Sie musste seufzen, was Sakine, die neben ihr auf einem der Liegestühle lümmelte, aufhorchen ließ. Doch bevor sie ihre Schwester auf deren Trübseligkeit ansprechen konnte, hatte Rya bereits das Wort ergriffen.

      Den Blick immer noch starr nach oben gerichtet, den Kopf im Nacken, murmelte sie, mehr zu sich selbst: »Es ist doch bemerkenswert. In einer Stadt, die seit ihrer Erbauung so umstritten, so umkämpft war, ist nun endlich Ruhe eingekehrt. Zumindest fühlt es sich für mich so an. Was für ein Glück wir haben …«

      »Das

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