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eine mathematische Begabung; das hatte auch den Nachteil, dass sie sich viel zu viele Gedanken machte, was alles passieren konnte, indem sie diese Gefahren addierte und in Relation setzte zu ihren Chancen, den Gefahren auszuweichen. Sie war auch zu keinem Ergebnis für die wirkliche Gefahrenbilanz ihres Lebens gekommen, und deshalb ganz dankbar, dass sie an den Wettkämpfen teilnehmen konnte. Das lenkte ab und man musste sich konzentrieren.

      Die Wettkampfanlage war neuartig. Die Veranstalter waren nämlich der Meinung es mache wenig Sinn, weit zu springen und dann in einer weichen Sandgrube zu landen, aus der man nur mit Mühe wieder herauskam. Zum anderen entsprach es auch nicht der normalen, natürlichen Welt, über ein Stück Land hinweg zu springen, über das man genauso gut laufen konnte.

      Im Mittelpunkt der Weitsprunganlage der Tolympischen Spiele stand daher ein See mit festen Ufern mit unterschiedlichen Breiten. An der engsten Stelle war er fünf Meter breit, erweiterte sich dann zu sechs Metern, sieben Metern, nach einer weiteren Strecke war der Wasserspiegel acht Metern breit und an der weitesten Stelle genau zehn Meter. Danach verjüngte er sich wieder in kleinen Rundungen und Kurven. In der Mitte des Sees waren blühende gelbe und orange-rote Seerosen angepflanzt, zwischen denen einigen Familien von Wildenten, mit ihren Jungen herum schwammen und damit die besten Plätzen für den Wettbewerb hatten.

      Jeder Teilnehmer hatte sechs Sprünge zur Verfügung und die Regeln waren einfach: der Sprung war gelungen und die Weite erreicht, wenn man nicht ins Wasser sprang. Die Teilnehmer konnten bei den kleinen Weiten anfangen und bei den großen aufhören. Es war auch erlaubt, alle Kräfte zusammenzunehmen und über die breiteste Stelle des Sees einen Versuch zu wagen. Natürlich hatte man dann das Risiko, mit nassen Füßen da zu stehen und erst die Füße oder die Schuhe zu trocknen.

      Die Regeln gaben ein Beispiel dafür, wie man den Teilnehmern ein Stück Freiheit zurückgeben konnte und sie nicht in ein zu enges Bett der Abhängigkeit zwängen wollte. Die Reihenfolge der Teilnehmerinnen war so ausgelost, dass immer im Wechsel eine Teilnehmerin der Impalafamilie und eine Teilnehmerin der Menschenfamilie an der Reihe waren.

      Anne Lypsham wählte als erstes den sieben Meter breiten See, lief mit ihrer eigenen leichten Kurventechnik an, sprang ohne viel am Ufer zu verschenken ab, streckte sich weit in die Luft hinein und landete sicher am anderen Ufer. Es gab keinen Spritzer, auch die Entenfamilie hielt still, um das Ergebnis nicht zu beeinflussen, kein Maßband war erforderlich und eine weiße Flagge für einen erfolgreichen Sprung von sieben Metern wurde gezogen.

      Die Silbermedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele hatte sich lange mit ihrer Trainerin beraten. Ihre beste Marke lag deutlich über sieben Meter, bei den höchstoptimierten Bedingungen des Olympiastadiums. Sie wählte zunächst eine Breite von 5,50 m und einen mittelweiten Anlauf. Mit ihrer großen Routine war es auch kein Problem, den Absprung gut zu erwischen, und sie landete etwa hart aber sicher am jenseitigen Ufer und ihr wurden 5,50 m gutgeschrieben.

      Obwohl ihre Trainerin dringend davon abriet, wählte Jocelyn Omo in ihrem jugendlichen Übermut eine Weite von 8,50 m, das wäre immerhin ein klarer Frauenweltrekord. Sie nahm einen sehr langen Anlauf. Der Absprung war nicht perfekt und sie landete mit den Hinterbeinen im Wasser. Die Vorderbeine erreichten zwar das rettende Ufer, aber der Sprung war selbstverständlich ungültig. Die Uferzonen waren so flach, dass keine Verletzungsgefahr bestand.

      Die Goldmedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele fühlte sich durch den erfolgreichen Sprung der Zweitplazierten herausgefordert, ihre Rekordweite lag bei 7,53 m, und sie wählte als erste Breite die 6,50 m Strecke, die sie mehrfach zunächst mit den Augen und mit einer Bewegungssimulation übersprang, um dann den wirklichen Sprung anzuschließen. Sie landete klar im Wasser, das zwar kühl und erfrischend war, doch der Boden war etwas weicher als am Ufer, aber es half nichts, der Sprung war auch ungültig.

      Vor ihrem ersten Sprung wanderte Tala Sambe ruhig auf und ab und unterhielt sich mit Anne Lipsham über das Vergnügen, weit und hoch zu springen. Geübt hatten sie das schon als Kinder, wenn sie mit ihren Müttern von Wohngebiet zu Wohngebiet zogen. Manchmal war es auch ernst, wenn sie um ihre Leben rennen mussten, aber das waren immer nur kurze Momente, bis sie außer Gefahr waren. Besonderes Vergnügen machte es übereinander wegzuspringen, und so den Tagesablauf von Weiden, Wiederkäuen, Trinken und Salz lecken zu bereichern.

      Tala Sambe: „Ich wundere mich, dass unsere menschlichen Teilnehmerinnen beim Anlaufen und beim Springen immer ein so ernstes Gesicht machen, als ob es total anstrengt. Ich springe immer nur so weit, dass ich mich nicht überanstrenge.“

      Anne Lipsham: „Auch nach dem Springen sehen sie meistens unzufrieden aus. Sie lachen eigentlich nur, wenn sie gewonnen haben.“

      Tala Sambe: „Vor dem Wasser scheinen sie zusätzlich Angst zu haben, obwohl es ja wirklich nicht tief ist.“

      Anne Lipsham: „Ich habe gehört, dass bei den Menschen die männlichen Teilnehmer weiter springen als die weiblichen. Davon kann bei uns natürlich keine Rede sein; bei uns springen wir eher weiter als die Männer. Übrigens, was ich Dich schon länger fragen wollte, von wie viel verschiedenen Männern stammen Deine Kinder ab?“

      Anne Lipsham: „Ich glaube, es sind vier, aber genau kann ich es nicht sagen, denn ich zähle sie ja nicht. Sie sind vor allem daran interessiert, ihre Territorien abzustecken, mein Land ist immerhin zwölf mal so groß wie das meines letzten Mannes, und er war ein besonders kräftiger Bursche“.

      Tala Sambe: „Ich werde bei meinem ersten Sprung versuchen, auch besonders hoch zu springen, vielleicht ist der Sprung auch besonders weit, ich habe das noch nie richtig ausprobiert!“

      Danach lief sie an, zunächst mit langsamen, dann immer schnell werdenden Schritten und machte einen gewaltigen Satz über die acht Meter breite Strecke des Sees und landete deutlich hinter dem Ufer, das sie mit einem zufriedenen Schnauben quittierte. Ihre Freundin, Anne Lipsham, nickte anerkennend und freute sich mit ihr.

      Die menschliche Bronzenmedaillengewinnerin übersprang sicher die sechs Meter Strecke im ersten Sprung, scheiterte dann aber fünfmal an der 6,50 m Strecke, die im letzten Versuch von der Goldmedaillengewinnerin aber erreicht wurde. Jocelyn Omo hatte sich inzwischen in solch eine gute Stimmung hineingesprungen, dass sie nach der übersprungenen 7,50 m Strecke auch die acht Meter Distanz vornahm, ihren Anlauf verlängerte, immer stärker beschleunigte, mit einem gewaltigen nicht zu hohen aber weiten Sprung die acht Meter Distanz sicher überquerte, sofort weiter rannte, um dieses erfreuliche Ereignis vielen anderen Mitgliedern der Tolympischen Mannschaft mitzuteilen. Selbst das Nashorn Mandrasah hörte mit dem Grasen auf und nickte anerkennend mit seinem spitzen Horn, dass es sich für nichts in der Welt würde absägen lassen.

      Das Endergebnis lautete schließlich so:

      Goldmedaillengewinnerin Jocelyn Omo: 8,50 m

      Silbermedaillengewinnerin: Anne Lipsham: 8,00 m

      Ebenfalls Silbermedaillengewinnerin: Tala Sambe: 8,00 m

      Vierter Platz: die menschliche Goldmedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele: 6,50 m

      Fünfte: Die Bronzenmedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele: 6,00 m

      Sechste: Die Silbermedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele: 5,50 m

      Bei der Siegerehrung wurde die Hymne der Impalas gespielt, die mit den Lauten und Rufen der Steppentiere begann, dann überging in den Rhythmus laufender Herden beginnend mit einem langsamen Tempo, das sich langsam steigerte bis zum Stakkato von tausenden von rasenden Huftieren und dann wieder langsam zum Stillstand kam.

      Der Medaillenspiegel:

      Gold Silber Bronze

      Die Tolympische Mannschaft 2 3 1

      Die Olympische Mannschaft 0 0 0

      6. Kapitel - Drittes Ereignis - „Den Diskus werfen“

      Rillo Go stammte aus den Lowlands von Westafrika und hatte eine beeindruckende Statur. Mit ausgestreckten Knien war er über 2,20 m groß, wenn er sich auf die Waage stellte, sprang der Zeiger auf 263 kg und seine Rückenfarbe

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