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Gemeinsam zogen sie an den Netzseilen. Heute war es ausgenommen schwer, nur mit Mühe und gemeinsamer Kraft zogen sie die Beute ins Boot, das unter dem Gewicht des prallgefüllten Netzes beinahe kenterte.

      Triate sah gierig nach den zappelnden Fischen. Sie ergossen sich trommelnd ins Boot. Ihre Münder schnappten nach Luft und ihre Augen blickten starr in den schwarzen Himmel, ihre Schwanzflossen schlugen wild. Ihre nassen Körper glitschten umher.

      Kreto nahm wahllos einen der Fische und warf ihn seinem Helfer zu. Gierig packte Triate den Fisch und biss ihm genüsslich den Kopf ab. So war es und so ging es Tag für Tag. Die Ausbeute war gut und so würden sie später einen Großteil auf dem hiesigen Fischmarkt verkaufen. Triate wurde derweil versteckt. Kreto wies den Wicht an, während seiner Abwesenheit, das Haus nicht zu verlassen – denn die Inquisition war auf Absonderlichkeiten, wie ihn nicht gut zu sprechen. Alle wussten zwar, dass die Magie schuld an dieser Misere war, aber niemand setzte sich für diese armen Opfer ein. Sie galten als unrein und man erachtete sie im Allgemeinen für eine Gefahr. Allerlei Unsinn schrieb man ihnen aus Unwissenheit und Missgunst zu. Kreto war da anders, aber nicht ganz uneigennützig, er genoss die Zweisamkeit. Die Jahre der einsamen Tage, waren mit dem Fund dieses Jungen für ihn ein für alle Mal vorbei – so war seine Hoffnung. Die Gesellschaft dieses Halbwesens, wollte er nicht mehr missen. Und zu guter Letzt, half er ja auch und sorgte emsig für ihr tägliches Auskommen.

      Das vermeintliche Strandgut entpuppte sich als lebendig, als er ihn dann endlich, restlos von Schlick und Seetankgirlanden befreit hatte. Der Kleine erwies sich als ganz ansehnlich, jedenfalls für eine ausgehungerte und nicht verwöhnte Seele wie Kreto. Erst blieb dieses Ding stumm, doch mit der Zeit, fing dieser Zwerg an zu plappern. Wo er herkam, wollte er nicht verraten – augenscheinlich war er irgendwo angekettet gewesen, deutlich zu erkennen an den Spuren von Fesseln, an seinen Handgelenken die sich deutlich, von der sonst so weißen Haut, abhoben. Auch wie er sprach, war ungewöhnlich und deutete auf eine lange und abgeschiedene Lebensweise hin. Sicherlich fristete der arme Teufel sein Dasein, irgendwo in einem Kellerloch, als ein dunkles Geheimnis, dessen man sich schämen musste.

      Schnell fasste diese großköpfige Missgeburt Vertrauen und begann wie von selbst zu helfen – dass ließ sich der alte Fischer gefallen und so kam es zu dieser, mehr als ungewöhnlichen Freundschaft. Kreto stellte ihm auch nicht mehr mit Fragen nach, er ließ ihn gewähren und so blieb seine Herkunft bis auf weiteres sein Geheimnis.

      Das Boot kippte deutlich auf die Seite, eine ungewohnt heftige Böe tat das Ihrige dazu. Der kleine Kerl, von dem Kreto nicht wusste, ob er überhaupt schwimmen konnte, fiel wild mit den Armen schwenkend in die Tiefe.

      Vergebens griff er nach ihm. Der Junge verschwand in der leicht welligen See. Die Fische sprangen verzweifelt auf und ab im Todeskampf, aber der Goldene, den sie staunend vor ein paar Minuten wahrgenommen hatten, war nicht unter ihnen. Ein goldener Fisch von ungeheurem Ausmaß – so etwas hatte Kreto noch nie erblickt. Kreto fluchte und nahm den Sichtkasten zur Hand. Gerade als er einen Blick riskierte, sah er den großen goldenen Fisch heranschwimmen, er war größer als angenommen, das gefaltete Meer schnitt den Blick ab – Kreto schätzte dieses Prachtexemplar auf ungefähr fünfzig Kilo, es war ein Riese, welcher da aus den Schatten der Tiefe tauchte und gierig nach dem armen Triate schnappte. Das Wasser schäumte, Blasen stiegen auf und nahmen Kreto die Sicht.

      Als er endlich wieder etwas sah, war der Junge verschwunden. Der "Goldene" schwamm seelenruhig nach oben, an die Oberfläche. Er war gewaltig, nicht nur einfach üppig, Kreto meinte ihn größer als sein Boot. Die Rückenflosse stach durch die Wasseroberfläche und zeichnete einen hypnotischen weißen Schaumkreis um seinen Kahn. Gebannt folgte sein Blick den goldenen Schuppen, die da verheißungsvoll vor ihm im trüben Tageslicht funkelten.

      Eilig schöpfte er etwas Wasser aus dem Boot, dabei ließ er die kreisende Flosse nicht aus den Augen. Möwen kreischten, die Biester hatten seinen Fang gewittert und kamen in einer dunklen Wolke herangeschwebt. Es war Zeit an den Strand zurückzukehren – wenn er nicht kentern wollte. Der Fang war einfach zu schwer und der Seegang allmählich zu lebhaft nach seinem Geschmack.

      Kreto warf mit blutendem Herzen einige der Fische zurück ins Meer. Und plötzlich wusste Kreto, was zu tun war – er musste dem Fisch folgen, koste es was es wolle. Seinen Freund, der ganz offensichtlich von dem Monster verschluckt wurde, war sicher noch am Leben und hoffte auf seine Hilfe.

      Kreto fluchte sich innerlich einen Idioten, während er einen toten Fisch nach dem anderen über Bord warf. Die Möwen fielen gierig herab und machten sich kreischend über die Beute her. Der Mast mit dem kleinen, tausendfach geflickten Segel war aufgerichtet. Die Flosse blieb gut sichtbar vor seinem Bug und schnitt eine schäumende Spur ins dunkle Wasser. Wie lang war er bereit zu folgen? Kreto band die Netzseile am Mast fest, richtete sich vorsichtig, aber entschlossen auf und warf das Bündel kühn nach vorn über den Bug des nickenden Bootes. Das Netz öffnete sich und fiel einer Spinne gleich über den voranrasenden Fisch. Ein Ruck ging durch das Boot, Kreto konnte sich gerade so eben vor einem Sturz ins Wasser bewahren. Das Tempo des Bootes nahm zu. Der Bug bäumte sich auf und so ging es in rasanter Fahrt weiter, direkt auf die Geisterküste zu. Hinter sich sah er Friedstatt auf den Hügeln thronen, es klärte auf und der Wind ließ nach. Diese Reise würde böse enden, denn schon sah er die scharfen Klippen, die ganz in der Nähe bedrohlich aus dem Wasser ragten. Plötzlich nahm ein anderes Ereignis seine Aufmerksamkeit in Beschlag. Die Gischt färbte sich ein – aus Weiß wurde urplötzlich ein Rot. Tränen stiegen dem Alten in die Augen. Wurde der arme Junge gerade verspeist? Plötzlich wendete der Fisch, änderte spontan seine Richtung. Er wich von den Klippen und orientierte sich an der Küstenlinie. Das Boot folgte weiterhin ungebremst. Kreto legte sich auf den glitschigen Boden. Ein Rumpeln ging durch die alten Bohlen, das Boot lief auf Grund. Der Fisch tauchte aus dem Wasser und mit einem unbeholfenen Sprung landete er an der Wasserlinie auf dem nassen Sand. Blut färbte augenblicklich alles ein. Das Boot stoppte knirschend und zitternd. Es war am Strand aufgelaufen.

      Mühsam und stinkend erhob Kreto sich. Ein Blick über den Rand des Bootes verriet ihm, wo er gelandet war. Der gestrandete Fisch war von kolossaler Größe, seine goldenen Schuppen waren kaum mehr auszumachen, denn sein Körper triefte vor Blut, aus vielen geschlagenen Wunden.

      Beim Näherkommen sah er einen Arm, dann folgte ein zweiter, die Wunde klaffte auf und der Zwerg schälte sich stöhnend, unter den Augen des Fischers, aus dem Körper des übergroßen Fisches. Triate keuchte angestrengt und jetzt ragte sein Kopf aus dem blutigen Kadaver. Eilig sprang Kreto heran und zog sein Helferlein aus dem Körper des goldenen Fisches.

      „Oh bei den Göttern – ich dachte du seist tot!“

      Triate lag auf dem Rücken, er war blutverschmiert, seine Augen blinzelten verwirrt. Er stöhnte: „Fisch wollte mich fressen – aber Triate Mittag von innen.“ Der Kleine hustete und keuchte, er würgte einen bläulich schimmernden Brocken von beachtlicher Größe hervor und spie ihn direkt vor die Füße des überraschten Fischers. Dieser schwieg und nickte nur. Kreto reichte dem Gnom die Hände – Triate ergriff sie und ließ sich auf die kurzen Stummelbeine stellen. Er sah nach dem Fisch, er staunte nicht schlecht – es war ein Prachtexemplar.

      Kreto ging zurück zum gestrandeten und leckgeschlagenen Boot. Er fand in seiner Kiste sein Messer. Geschickt setzte er es an und schnitt dem großen Fisch fachmännisch den Kopf ab. Er war unversehrt und gab sicher eine gute Trophäe ab. Sie würde ihm so einiges an Gold einbringen – vielleicht auch ein neues und besseres Boot.

      Triate hustete immer noch, er zitterte, denn seine Kleidung war komplett verschleimt und mit Blut verschmiert.

      „Was?“, Triate deutete auf den Kadaver.

      „Ich weiß nicht! – es muss die Magie sein. Er ist einfach viel zu groß und zu golden.“

      Kreto schüttelte verwundert den Kopf – noch etwas anderes beanspruchte seine Aufmerksamkeit – ganz in der Nähe sah er bündelweise Rohre, sie führten zu den Klippen ganz in der Nähe.

      Ein gelblicher Dunst stieg auf und ein Brodeln wie von kochendem Wasser, ging von diesem geheimnisvollen Ort aus.

      Der Stoff seines Umhangs reichte nicht ganz den Kopf vollständig zu verpacken und so zog

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