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du noch pummelig warst, hast du mir besser gefallen.» Er kreuzte die Arme vor der Brust und ich schnaubte empört auf. «Ich war nicht pummelig!»

      «Jedenfalls warst du noch nicht immer so ein Klappergestell.» Lennard griff nach meinem Handgelenk, aber ich schlug seinen Arm beiseite, ehe er es zu fassen bekam. «Fass mich nicht an!» Ich trat einen Schritt zurück. «Nimm dich in Acht vor mir, ich bin verrückt, schon vergessen? Und Satanistin bin ich auch, also komm mir lieber nicht zu nah.»

      Lennard grinste breit. «Tatsächlich?!»

      «Na klar, ich treib mich nachts auf Friedhöfen herum und buddle Leichen aus!»

      «Klingt ja spaßig», nickte er und belächelte mich spöttisch.

      «Noch nicht gehört, dass jemand ein Grablicht zertreten hat?», fragte ich kühl. Jetzt lachte er richtig los. «Doch. Aber das warst nicht du.»

      «Woher willst denn du das wissen?» Ich funkelte ihn wütend an und versuchte, nicht in seine grünen Augen zu sehen. «Weil ich es war», antwortete er. Irritiert blickte ich ihn an. Verdammt, diese Augen waren mir so wahnsinnig vertraut und gleichzeitig völlig fremd. «Äh… Was?»

      «Na das mit dem Grablicht. Das war ich. War ein blödes Versehen, es war dunkel und ich bin gestolpert. Hab am nächsten Tag ein neue gekauft und hingestellt.»

      Ich musste lachen. «Du bist so ein gottverfluchter Schleimscheißer.»

      Lennard grinste. «Deswegen magst du mich so.»

      «Ich kann dich nicht ausstehen.»

      «Natürlich nicht.» Er verdrehte die Augen und ich schob die Hände in die Hosentaschen. «Was wolltest du denn auf dem Friedhof?»

      «Leichen schänden.»

      «Du siehst nicht aus wie jemand, der Tote ausgräbt», gab ich von mir. Lennard grinste breit. «Die echten Satanisten sind diejenigen, die es nicht zeigen.»

      «Soll mir das jetzt Angst machen? Du wirkst kein Stück bedrohlich.»

      «Echt nicht? Es gibt `ne Menge Leute, auf die ich so wirke, wenn sie mich nicht kennen. Wegen der Narbe und so.»

      «Ja, ich weiß aber zufällig, dass du nicht in eine harte Schlägerei verwickelt warst, sondern dich von einem zwölfjährigen Mädchen mit einem Tennisschläger hast vermöbeln lassen», spottete ich.

      «Das tat ziemlich weh», nickte er. Ich kreuzte die Arme vor der Brust. «Das sollte es auch.»

      Er grinste breit und deutete auf seinen Wagen. «Soll ich dich nach Hause bringen?»

      «Nein, nicht nötig. Ich bin nicht mehr behindert, wie du siehst.» Ich deutete auf meinen Fuß.

      «Physisch gesehen jedenfalls», grinste er und ich spürte, wie mein Puls wieder in die Höhe schnellte. «Fahr zur Hölle, Lenny», fauchte ich, schubste ihn beiseite und marschierte die Straße entlang in Richtung unseres Hauses.

      Kapitel 6

       «Oh mein Gott, hat sie wirklich ihren Teddy mit in die Schule genommen?!», rief Alissa aus meiner Klasse und lachte los.

       «Das ist nicht irgendein Teddy!», hatte ich erwidert. «Das ist Georg, der kommt ursprünglich aus Australien und musste ewig hierher fliegen, obwohl er eigentlich total Flugangst hat. Und er wollte unbedingt meine Freunde kennen lernen.»

       «Ja, Flugzeuge kann ich wirklich nicht ausstehen», seufzte Georg. «Aber jetzt bin ich ja hier.»

       «Genau», grinste ich. «Und du musst auch nicht nochmal fliegen.»

       «Die hat doch voll die Meise!», grölte irgendjemand anderes und alle lachten los. Lennard stand da und schwieg. Er sah mich nicht einmal an.

       «Durchgeknallte Psychokuh!», brüllte jemand und schubste mich. Georg fiel auf den Boden und schlug sich hart den Kopf an.

       «Pass auf, du tust ihm weh!», rief ich entsetzt. Einer der Jungen trat auf den Teddybären, der qualvoll aufstöhnte. Ich schrie los und stürzte mich auf ihn. «Lass ihn in Ruhe!»

       «Du gehörst echt in `ne Anstalt!» Der Junge schubste mich und ich landete unsanft neben Georg auf dem Boden.

       Hilfesuchend sah ich mich nach Lennard um, aber er hatte sich umgedreht und war einfach gegangen. Tränen stoben mir in die Augen und ich hob Georg vom Boden auf und drückte ihn an mich. Das Gelächter um mich herum wurde immer lauter, bis sich die Pausenaufsicht in den Kreis drängte.

      Obwohl ich fast damit rechnete, tauchte Bodo der Clown vorerst nicht wieder in meinem Leben auf. Er lauerte nicht im Vorgarten und er verfolgte mich auch nicht auf dem Weg zur Schule. Offenbar hatte sich meine Wahnvorstellung dahingehend also verbessert.

      Der Maskaron nervte weiterhin rum und Ramona war eigentlich ganz angenehm als Zimmergenossin, weil sie meistens die Klappe hielt.

      Im Moment war mein Zustand also, soweit ich das jedenfalls beurteilen konnte, stabil. Ich fuhr zur Schule, ohne weitere Angstzustände erleiden zu müssen. Nach einigen Tagen dort hatte ich nämlich schnell feststellen können, dass mich Lenny Lennard in Gegenwart von Mitmenschen ignorierte. Das zeigte mir in gewisser Weise, dass er noch der gleiche Idiot war wie früher, brachte aber den Vorteil mit sich, dass ich mir keine weiteren Ausreden einfallen lassen musste, um zu Hause zu bleiben.

      Mein Verhältnis zu Herrn Aschermann hatte sich nicht unbedingt gebessert. Meine ausfallenden Antworten hatte er wohl doch irgendwann persönlich genommen und seitdem behandelte er mich wie Dreck. Wenn er mich einfach ignoriert hätte, wäre es mir egal gewesen. Aber er nutzte jede Gelegenheit, um mich bloßzustellen.

      «Louise!», rief er mit diesem diabolischen Lächeln auf dem Gesicht, als ich heute im Unterricht saß. «Würdest du die Freundlichkeit besitzen und uns verraten, was bei der Gleichung herauskommt?» Er beugte sich über sein Pult und starrte zu mir herüber, während ich an die Tafel glotzte und versuchte, mich zu konzentrieren.

      Mathe war nie meine Stärke gewesen, aber seit ich wieder hier war, merkte ich erst, wie groß die Lücken waren, die das eine Jahr Auszeit und die eher mittelmäßige Bildung an einer Gesamtschule in Hannover hinterlassen hatten.

      «Äh», machte ich und gab schließlich auf. «42 vielleicht?»

      «Nein, weit davon entfernt», lachte er und schüttelte sich vor Spaß. Der schien das richtig zu genießen. Kranker Sadist. «Es ist wirklich ein Trauerspiel, wie schlecht du im Vergleich zum Klassendurchschnitt bist. Vielleicht solltest du dir Nachhilfe geben lassen, um deine Defizite aufzuarbeiten.»

      «Vielleicht sollten Sie mal Ihre Defizite aufarbeiten!», fauchte ich. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. «Nachsitzen, heute nach der letzten Stunde.» Das schien ihm offenbar größtes Vergnügen zu bereiten und ich kreuzte bloß die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster, weil ich wusste, dass weitere Erwiderungen bloß zu noch mehr Strafarbeiten führten. Genau das wollte er doch.

      Dora musste noch mit einer Gruppe ein Referat vorbereiten, sodass ich mich alleine auf den Weg zum Schulhof machte. Lustlos fing ich an, dort den Müll aufzusammeln. Nicht, dass das wirklich von Nöten gewesen wäre. Die meisten Streber hier warfen alles artig in den Papierkorb.

      «Hey, Louise!», rief jemand und ich zuckte erschrocken zusammen und befürchtete schon, Lennard sehen zu müssen. Aber es war Gott sei Dank bloß dieser Typ aus dem Kino. Gott, ich hatte seinen Namen schon wieder vergessen. War ja unangenehm.

      «Musst du Strafarbeit leisten? Was hast du gemacht?!»

      «Dem Aschermann gesagt, er solle seine Defizite aufarbeiten», grinste ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht

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