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Er packt mich am Ärmel meiner Jacke, zieht mich in den Flur und wirft die Tür hinter mir zu. Ich zucke kurz zusammen.

      „Du glaubst du kannst machen was du willst? Du glaubst ich lasse mir das von dir gefallen? Da täuscht du dich! Für dein Verhalten wird es Konsequenzen geben, das habe ich dir schon vor ein paar Tagen gesagt, aber scheinbar interessiert dich das nicht! Mir reicht es jetzt!“ Seine Stimme erhebt sich, es ist mir egal, ich lehne mich lässig an den Türstock und lasse ihn reden. Bla, bla, bla, immer dasselbe Geplänkel, jedes Mal.

      „Ehrlich, ich weiß nicht mehr was ich mit dir machen soll Luisa. Du bist fünfzehn. Ich kann dein Verhalten nicht verantworten.“ Er schüttelt verzweifelt den Kopf.

      Ja ich weiß, ich bin fünfzehn, fast. Ich liebe es ihn zur Verzweiflung zu bringen, es ist wie ein Spiel. Wie lange dauert es heute bis er ausrastet? Ich bevorzuge es keine Antwort zu geben, er weiß sowieso alles besser und mein Schweigen bringt ihn noch mehr in Rage.

      „Warst du wieder mit diesem Ben zusammen?“, fährt er indes fort.

      Ich finde er hat genug gefragt, über Ben spreche ich sowieso nicht mit ihm, daher setze ich zum Rückzug an und versuche mich an ihm vorbei zu drängen. Ich will auf mein Zimmer gehen, er hält mich unsanft am Arm fest und schüttelt mich ein wenig, als wolle er mich zur Vernunft zwingen.

      „Du bleibst hier. Wir sind noch nicht fertig.“

      „Doch sind wir, lange schon. DAD.“

      Ich versuche erneut an ihm vorbei zu kommen, was wieder nicht glückt.

      „Ich verbiete dir jeglichen Kontakt mit diesem Jungen, er ist kein Umgang für dich. Ich werde diesen Typen anzeigen! Du bist minderjährig und er achtzehn! Sieh nur was aus dir geworden ist. “

      Er mustert mich mit einem abfälligen Blick, als würde ich ihn anekeln. Ich stemme meine Hände in meine Hüften.

      „Ja, was ist aus mir geworden? Ich bin nicht mehr dein süßes Mädchen und ich will es auch nicht sein. Ich scheiße auf diese falsche Familienidylle! Zeig ihn doch an, wenn dich das glücklich macht, aber dann bin ich weg. Für immer!“

      Trotz allem was ich intus habe, meine ich das ganz ernst, ich lasse mir von ihm nichts mehr gefallen.

      „Luisa! Deine Mutter würde…“

      Seine Stimme wird immer lauter, das beeindruckt mich immer noch nicht, aber mit Mum lasse ich mir nicht drohen.

      „Lass Mum da raus, sie hat damit nichts zu tun!“

      Jedes Wort über meine Mutter klingt wie eine Lüge aus seinem Mund. Wenn sie nur hier wäre, sie würde mich verstehen. Er sieht mich weiterhin mit böser Mine an, sagt aber kein Wort mehr. Am liebsten würde ich ihm vor die Füße spucken, aber das ist wohl keine so gute Idee. Mein Tonfall ist scharf, auch wenn ich mich in Anbetracht meines momentanen Zustandes schwer tue einen ordentlichen Satz zu sprechen, fauche ich ihn an.

      „Geh doch zu deiner geliebten Alice.“

      Er schüttelt verzweifelt den Kopf, ich boxe mich endgültig an ihm vorbei und laufe die Treppe hoch in mein Zimmer, wo ich die Tür hinter mir zuwerfe, sie versperre und mich aufs Bett schmeiße. Ich hasse ihn, er ist so ein Ignorant. Es dauert nicht lange und es klopft an meiner Tür, ich reagiere nicht.

      „Es ist spät. Heute lasse ich dich in Ruhe, aber es geht so nicht weiter, wir sprechen uns morgen.“

      Er kann mich mal, ich will kein Wort mehr von ihm hören, nicht heute und nicht sonst irgendwann. Ich stecke meinen Kopf unters Kissen und warte. Nach einiger Zeit lausche ich, ob ich ihn noch hören kann. Alles ist ganz leise, er scheint zu Bett gegangen zu sein. Ich stehe auf und öffne vorsichtig die Tür. Alles mucksmäuschenstill. Ich schließe die Tür wieder, gehe zum Fenster und mache es mit so wenig Geräusch wie nur möglich auf. Ich setze mich auf die Fensterbank und schwenke meine Beine galant nach draußen. Geht doch, so betrunken bin ich also wirklich nicht. Dad hat wie immer übertrieben, aber er übertreibt ständig. Mit ein wenig Schwung springe auf das Vordach der Veranda und klettere das Rosengitter hinunter. Au, Scheiße, die Rosen sind ganz schön stachelig, ich springe lieber ab, bevor ich mich noch weiter piekse und lande unsanft auf meinem Allerwertesten im Gras. Na bitte, geht doch, man könnte zwar eleganter landen, aber was soll´s. Ich steige auf mein Fahrrad das in der Auffahrt steht und fahre die dunkle Straße entlang, die nur durch den Mond in ein sanftes grau getaucht schimmert. Gut, dass ich ein paar Seitenstraßen kenne, die eine Abkürzung zu Bens Haus sind. Mein Fahrrad lehne ich an den weißen Gartenzaun und öffne das Gartentürchen. Es quietscht ein bisschen. Im Haus ist alles finster, aber in Bens Zimmer leuchtet ein schwaches Licht. Rufen kann ich um diese Zeit schlecht, wenn ich nicht die ganze Straße wecken will. Ich überlege, dann hebe ich ein paar kleine Kieselsteine aus dem Rosenbeet auf und werfe den ersten an Bens Fensterscheibe und warte kurz. Keine Reaktion. Ich versuche es noch einmal und gleich noch einmal. Ah, da ist er ja, er öffnet das Fenster und schaut suchend in die Dunkelheit. Ich gehe einen Schritt näher und winke ihm.

      „Luisa?“, flüstert er und sieht mich überrascht an.

      Ich fuchtle wortlos mit meinen Händen, ob er nicht vielleicht herunter kommen kann. Er signalisiert mir, dass ich leise sein soll und er gleicht komme. Ein paar Augenblicke später öffnet er auch schon die Tür und steht vor mir. Er ist ganz zerzaust und trägt nur Boxershorts und ein weißes Shirt.

      „Mensch Luisa…Was machst du hier? Warum bist du nicht nach Hause gegangen? Du weckst noch Mum.“

      Ich dachte er freut sich, wenn ich noch zu ihm komme, sieht aber nicht so aus, meine Mundwinkel verziehen sich gekränkt.

      „Ich kann auch wieder gehen…“, schmolle ich.

      „Nein…sei nicht albern.“

      Er kommt heraus und schließt ganz leise die Tür hinter sich, dann nimmt er meine Hand und wir gehen durch den Garten, wo zwischen Blumenbeeten idyllisch eine Hollywoodschaukel steht.

      „Setzt dich. Was ist los? Ist etwas passiert?“ Er sieht mich fragend an.

      „Ich dachte du freust dich, wenn ich komme.“

      „Es ist ein Uhr morgens, dein Vater wird mich umbringen, wenn er merkt, dass du hier bist.

      „Merkt er doch nicht. Ich war vorhin zu Hause, er hat eine Megaszene gemacht, ich bleibe keinen Tag mehr in diesem Haus. Ich habe mich rausgeschlichen.“

      Ben lehnt sich seufzend auf der Schaukel zurück. Er nimmt meine Hand und zieht mich zu sich zurück und legt seinen Arm um mich.

      „Du kannst nicht hierbleiben.“

      Ich sehe ihn ungläubig an, das ist jetzt nicht sein ernst.

      „Soll ich mitten in der Nacht wieder mit dem Fahrrad zurück?“

      Er zuckt mit den Schultern.

      „So bist du ja auch hergekommen, oder?“

      „Gut, verstehe, wenn ich dich wirklich brauche, dann kneifst du.“

      Ich springe von der Schaukel wie eine aufgescheuchte Tarantel.

      Er packt mich am Zipfel meines T-Shirts und zieht mich zurück, ich stolpere dabei fast und plumpse wieder hin.

      „Psssssst, wenn meine Mum wach wird, haben wir beide ein Problem.“

      Ich schmolle noch immer.

      „Es war ein Fehler herzukommen, ich bin eben nur irgendein Mädchen für dich, hätte ich mir denken können.“

      Aus mir spricht eine leicht betrunkene fast fünfzehnjährige, ich bereue den Satz, nachdem ich ihn ausgesprochen habe, so werde ich ihm wohl kaum imponieren.

      „Blödsinn, du weißt genau dass das nicht stimmt und natürlich kneife ich nicht, aber bitte benimm dich nicht wie ein launischer Teenager.“

      Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann greift er in die Tasche seiner Boxershorts und holt einen Joint heraus, und kratzt sich hinterm Ohr, das macht er immer wenn er nachdenkt.

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