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am besten; in der Diele traf sie auf Marvel. Worte wurden nicht gewechselt, aber die beiden beäugten einander mürrisch. Marvel war sehr modisch gekleidet, mit fünf Rüschen am Kleid, einem Schleier und einem Schirm. Zur gleichen Zeit setzte Lady Isabel sich hin und brach in bittere Tränen und Schluchzer aus. Ein Schüttelfrost hatte sie befallen; es fühlte sich nicht an, als wäre sie nach East Lynne gekommen. Mr. Carlyle trat ein und bemerkte ihren Kummer.

      „Isabel!“, rief er erstaunt, während er zu ihr eilte. „Mein Liebling, was bekümmert dich?“

      „Ich glaube, ich bin nur müde“, antwortete sie sanft. „Als ich wieder in das Haus gekommen bin, musste ich an Papa denken. Ich würde gern in meine Zimmer gehen, Archibald, aber ich weiß nicht, welche das sind.“

      Mr. Carlyle wusste es auch nicht, aber Miss Carlyle kam eilig herein und sagte: „Die besten Zimmer; die neben der Bibliothek. Soll ich mit Mylady hinaufgehen?“

      Mr. Carlyle zog es vor, seine Frau selbst zu begleiten, und bot Isabel seinen Arm. Als sie an Miss Carlyle vorüberging, zog sie sich den Schleier über das Gesicht.

      Die Zimmerflucht war nicht erleuchtet, und der Raum sah kalt und ungemütlich aus. „Im Haus scheint einiges im Argen zu liegen“, bemerkte Mr. Carlyle. „Ich nehme an, die Dienstboten haben meinen Brief missverstanden und uns erst morgen Abend erwartet.“

      In den Salon zurückgekehrt, erkundigte sich Mr. Carlyle nach der Ursache für die Nachlässigkeit der Dienerschaft.

      „Ich habe sie weggeschickt, weil sie eine überflüssige Belastung waren“, erwiderte Miss Carlyle hastig. „Wir haben vier im Haus, und wie ich sehe, hat Mylady ein gutes Dienstmädchen mitgebracht, das macht fünf. Ich bin gekommen und werde hier wohnen.“

      Mr. Carlyle fühlte sich überrumpelt. Er hatte sich immer dem Willen seiner Schwester gebeugt, aber er ahnte, dass es ihm und seiner Frau ohne sie besser gehen würde. „Und dein Haus?“, rief er.

      „Das habe ich möbliert vermietet; die Leute ziehen heute ein. Du kannst mich also nicht von East Lynne auf die Straße setzen oder in eine möblierte Wohnung schicken, Archibald. Wir werden genug Ausgaben haben, auch ohne dass wir zwei Haushalte führen; die meisten Menschen wären an deiner Stelle froh über die Aussicht, dass ich hier wohne. Deine Frau wird die Hausherrin sein. Ich habe nicht vor, ihr diese Ehre streitig zu machen; aber ich werde ihr bei der Verwaltung eine Fülle von Schwierigkeiten ersparen – werde mich als Haushälterin betätigen. Darüber wird sie froh sein, unerfahren wie sie ist. Ich wage zu behaupten, dass sie noch nie in ihrem Leben eine Anweisung im Haushalt gegeben hat.“

      So formuliert, kam Mr. Carlyle die Sichtweise seiner Schwester plausibel vor, und allmählich dachte er, es könne für alle das Beste sein. Vor Miss Cornys Urteilsvermögen hatte er großen Respekt, und die Macht der Gewohnheit ist für uns alle stark. Und doch schwankte er immer noch.

      „Hast du das hübsche Klavier gekauft, das kürzlich angekommen ist?“, fragte Miss Carlyle verärgert.

      „Das war mein Geschenk für Isabel.“

      Miss Corny stöhnte. „Was hat es gekostet?“

      „Die Kosten sind ohne Bedeutung. Das alte Klavier hier war schlecht, und ich habe ein besseres gekauft.“

      „Was hat es gekostet?“, wiederholte Miss Carlyle.

      „Hundertzwanzig Guineen“, antwortete er. Der Gehorsam gegenüber ihrem Willen war in ihm immer noch stark.

      Miss Corny warf die Hände und den Blick in die Luft. Aber in diesem Augenblick trat Peter ein und brachte das heiße Wasser, dessentwegen sein Herr geläutet hatte. Mr. Carlyle erhob sich und blickte zur Kommode.

      „Wo ist der Wein, Peter?“

      Der Diener holte ihn heraus: Portwein und Sherry. Mr. Carlyle trank ein Glas und mischte dann in einem weiteren Wein mit Wasser. „Soll ich für dich auch etwas mischen, Cornelia?“, fragte er.

      „Wenn ich etwas will, mische ich es mir selbst. Für wen ist dieses?“

      „Für Isabel.“

      Er verließ das Zimmer mit dem Getränk und trat in die Räume seiner Frau. Sie saß, so schien es, halb vergraben im Sessel, ihr Gesicht war verdeckt. Als sie es hob, sah er, dass es rot und erregt war; die Augen leuchteten hell, ihr ganzer Körper bebte.

      „Was ist geschehen?“, fragte er eilig.

      „Ich bin nervös geworden, nachdem Marvel gegangen war“, flüsterte sie und hielt sich an ihm fest, als suchte sie Schutz vor dem Entsetzen. „Ich bin wieder zum Sessel gegangen, habe meinen Kopf bedeckt und gehofft, dass jemand heraufkommen würde.“

      „Ich habe noch mit Cornelia gesprochen. Aber was macht dich so nervös?“

      „Ach, ich war sehr dumm. Ich habe immerzu an schreckliche Dinge gedacht. Sie sind mir einfach eingefallen. Machʼ mir keine Vorwürfe, Archibald. Dies ist das Zimmer, in dem Papa gestorben ist.“

      „Dir Vorwürfe machen, mein Liebling“, murmelte er tief bewegt.

      „Ich habe an eine schreckliche Geschichte über Fledermäuse gedacht. Die Bediensteten haben sie immer erzählt – ich wage zu behaupten, dass du sie nie gehört hast; und ich habe immer gedacht: ‚Und wenn sie jetzt vor den Fenstern sind, hinter den Fensterläden.“ Dann hatte ich Angst, das Bett anzusehen; ich habe mir ausgemalt, ich würde sehen … Aber du lachst ja!“

      Ja, er lächelte, wusste er doch, dass man solchen Augenblicken der nervösen Angst am besten scherzhaft begegnet. Er ließ sie Wein und Wasser trinken, dann zeigte er ihr, wo die Glocke war, und läutete sie selbst. Ihr Ort hatte sich durch den Umbau des Hauses verändert.

      „Morgen bekommst du andere Räumlichkeiten, Isabel.“

      „Nein, lassʼ uns hierbleiben. Ich spüre gern, dass Papa früher der Bewohner war. Ich werde nicht wieder nervös.“

      Aber schon während sie sprach, strafte ihr Verhalten die Worte Lügen. Mr. Carlyle war zur Tür gegangen und hatte sie geöffnet, da stürmte sie auf ihn zu und schmiegte sich von hinten an ihn.

      „Gehst du lange weg, Archibald?“, flüsterte sie.

      „Nicht mehr als eine Stunde“, antwortete er. Dabei streckte er hastig eine Hand aus und hielt sie mit seinem schützenden Griff fest. Marvel kam auf das Läuten über den Korridor.

      „Haben Sie die Güte und setzen Sie Miss Carlyle in Kenntnis, dass ich heute Abend nicht herunterkomme“, sagte er.

      „Ja, Sir.“

      Mr. Carlyle schloss die Tür. Dann sah er seine Frau an und lachte. „Er ist sehr freundlich zu mir“, dachte Isabel.

      Die Verlegenheiten der Lady Isabel Carlyle begannen am nächsten Morgen. Aber stellen wir uns zuerst einmal die Gruppe beim Frühstück vor. Miss Carlyle kam in der erstaunlichen Kleidung herunter, die wir bereits kennen, nahm ihren Platz am Frühstückstisch ein und saß dort aufrecht wie ein Pfahl. Als Nächster kam Mr. Carlyle. Und schließlich trat Lady Isabel in eleganter Halbtrauerkleidung mit fließenden schwarzen Bändern ein.

      „Guten Morgen, Maʼam. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen“, lautete Miss Carlyles Begrüßung.

      „Ganz gut, danke“, antwortete sie, während sie ihren Platz gegenüber von Miss Carlyle einnahm. Miss Carlyle zeigte auf das obere Ende des Tisches.

      „Dort ist Ihr Platz, Maʼam. Aber ich werde Ihnen die Mühe ersparen und den Kaffee einschenken, wenn Sie es wünschen.“

      „Ich wäre sehr froh, wenn Sie das tun würden“, antwortete Lady Isabel.

      Also nahm Miss Carlyle streng und mürrisch ihre Pflichten wahr. Die Mahlzeit war fast vorüber, da trat Peter ein und sagte, der Metzger sei da und wolle Bestellungen aufnehmen. Miss Carlyle sah Lady Isabel an und wartete natürlich darauf, dass sie ihre Anweisungen gab. Aber Isabel war vor Verwirrung stumm; eine solche Bestellung hatte sie noch nie in ihrem Leben aufgegeben. Über

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