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      „Es stimmt“, lautete die Antwort. „Es ist letzten Juni in meinen Besitz übergegangen. Ich glaube, seine Lordschaft hat die Tatsache streng geheim gehalten.“

      „Er war verpflichtet, sie geheim zu halten“, warf Mr. Warburton, an Lord Mount Severn gerichtet, ein. „Er hätte keinen Penny von dem Kaufpreis in die Hand bekommen, wenn es sich herumgesprochen hätte. Die Tatsache wurde niemandem mitgeteilt außer uns selbst und Mr. Carlyles Rechtsvertretern.“

      „Es ist seltsam, Sir, dass Sie dem Earl nicht dringlich die Ansprüche seines Kindes deutlich gemacht haben“, gab der neue Earl zu Mr. Warburton in einem Ton des energischen Tadels zurück. „Sie waren seine Vertrauensperson; sie kannten seine Vermögensverhältnisse; es hätte in Ihrem Verantwortungsbereich gelegen, das zu tun.“

      „Da wir seine Vermögensverhältnisse kannten, Mylord, wussten wir, wie nutzlos ein solches Drängen gewesen wäre“, erwiderte Mr. Warburton. „Eure Lordschaft hat nur eine vage Vorstellung davon, welche Lasten auf Lord Mount Severn lagen. Allein die Zinsen für seine Schulden waren beängstigend – um sie einzutreiben, wäre das Werk eines Teufels notwendig gewesen. Ganz zu schweigen von den Kellerwechseln, die er ausgestellt hat; er ließ sie steigen wie Drachen, und niemand konnte ihn aufhalten; aber sie mussten bezahlt werden.“

      „Ach, ich weiß“, erwiderte der Earl mit einer verächtlichen Geste. „Einen Wechsel ziehen, um damit einen anderen zu bezahlen. Das war sein System.“

      „Ziehen!“, wiederholte Mr. Warburton. „Er hätte noch einen Wechsel auf die Aldgate Pump1 gezogen. Das war bei ihm eine regelrechte Manie.“

      „Erzwungen durch die Notwendigkeiten, nehme ich an“, warf Mr. Carlyle ein.

      „Er hat keine Geschäfte betrieben, durch die sich solche Notwendigkeiten ergeben hätten, Sir“, rief der Earl zornig. „Aber kehren wir zum Geschäftlichen zurück. Wie viel Geld liegt bei seiner Bank, Mr. Warburton? Wissen Sie das?“

      „Keines“, war die unverblümte Antwort. „Wir haben selbst vor zwei Wochen das Konto überzogen, um seine dringendsten Verbindlichkeiten zu befriedigen. Ein wenig haben wir noch; und wenn er eine oder zwei Wochen länger gelebt hätte, wären die Mieten für den Herbst eingezahlt worden – allerdings hätte man sie auch ebenso schnell wieder auszahlen müssen.“

      „Ich bin froh, dass da etwas ist. Wie hoch ist die Summe?“

      „Mylord“, antwortete Mr. Warburton, wobei er selbst mitleidig den Kopf wiegte, „zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass das, was wir verwalten, nicht einmal die Hälfte unserer eigenen Ansprüche deckt; wir haben das Geld eigentlich aus unserer eigenen Tasche bezahlt.“

      „Woher um alles in der Welt soll dann Geld kommen, Sir? Für die Trauerfeierlichkeiten – für die Löhne der Dienstboten – eigentlich für alles?“

      „Es wird nichts von irgendwoher kommen“, lautete Mr. Warburtons Antwort.

      Lord Mount Severn schritt energischer über den Teppich. „Verfluchter Leichtsinn! Schändliche Verschwendung! was für ein hartherziger Mann! Als Wüstling leben und als Bettler sterben – und seine Tochter der Nächstenliebe von Fremden überlassen!“

      „Ihr Schicksal ist der schlimmste Aspekt des Ganzen“, bemerkte Mr. Carlyle. „Wo soll sie wohnen?“

      „Sie muss natürlich bei mir ihre Wohnung finden“, erwiderte seine Lordschaft, „und ich hoffe, das wird ein besseres Zuhause sein als dieses hier. Mit den ganzen Schulden und Mahnungen am Hals kann das Leben im Haus von Mount Severn kein Zuckerschlecken gewesen sein.“

      „Ich gehe davon aus, dass sie nichts vom Stand der Dinge wusste und von den Unannehmlichkeiten wenig oder gar nichts mitbekommen hat“, erwiderte Mr. Carlyle.

      „Unsinn!“, sagte der Earl.

      „Mr. Carlyle hat recht, Mylord“, erklärte Mr. Warburton und blickte dabei über den Rand seiner Brille. „Lady Isabel war auf Mount Servern bis zum Frühjahr in Sicherheit, und der Erlös aus dem Verkauf von East Lynne – jedenfalls der Teil davon, dessen der Earl habhaft werden konnte – war für viele Dinge ein Notstopfen und machte die Sache für den Augenblick leichter. Jedenfalls hat sein Leichtsinn jetzt ein Ende.“

      „Nein, er hat kein Ende“ gab Lord Mount Severn zurück. „Er hinterlässt seine Auswirkungen. Wie ich höre, hat es gestern Morgen eine hübsche Szene gegeben; einige der unglückseligen Halunken, mit denen er sich eingelassen hat, sind den ganzen Weg aus London gekommen und hier aufgetaucht.“

      „Ach, die Hälfte von ihnen sind Juden“, sagte Mr. Warburton verächtlich. „Wenn die ein wenig verlieren, wird es für sie eine angenehme Neuerung sein.“

      „Juden haben ebenso viel Recht auf ihr Eigentum wie wir, Mr. Warburton“, lautete die verärgerte Entgegnung des Peer. „Und wenn sie Türken und Ungläubige wären, es würde Mount Severns Praktiken nicht entschuldigen. Isabel sagt, Sie seien derjenige gewesen, Mr. Carlyle, dem es gelungen ist, sie loszuwerden.“

      „Indem ich sie überzeugt habe, dass East Lynne und sein Inventar mir gehören. Aber da sind noch diese beiden Männer in der oberen Etage, und die sind in Besitz von … von ihm; die konnte ich nicht loswerden.“

      Der Earl sah ihn an. „Ich verstehe Sie nicht.“

      „Wissen Sie nicht, dass sie den Leichnam beschlagnahmt haben?“, fragte Mr. Carlyle, wobei er die Stimme senkte. „Zwei Männer haben sich gestern Morgen bei ihm postiert wie Wächter. Und ich höre, es ist noch ein Dritter im Haus, der die beiden anderen ablöst, damit sie hinunter in die Diele gehen und etwas essen können.“

      Der Earl war nahe bei Mr. Carlyle stehen geblieben, den Mund geöffnet, sein Gesicht der schiere Ausdruck der Verblüffung. „Bei George!“ – das war alles, was Mr. Warburton murmelte, während er seine Brille herunterriss.

      „Mr. Carlyle, verstehe ich Sie richtig – der Leichnam des verstorbenen Earl wurde wegen einer Schuld beschlagnahmt?“, erkundigte sich der Peer gewichtig. „Einen Toten beschlagnahmen! Wache ich oder träume ich?“

      „Genau das haben sie getan. Sie sind mit einer List in das Zimmer gelangt.“

      „Ist es möglich, dass solche hinterhältigen Transaktionen nach unserem Gesetz zulässig sind?“, stieß der Earl hervor. „Einen Toten festnehmen! So etwas habe ich noch nie gehört. Ich bin über alle Maßen schockiert. Isabel hat etwas über zwei Männer gesagt, daran erinnere ich mich; aber sie war voller Kummer und ganz und gar aufgeregt, so dass ich nur die Hälfte von dem verstanden habe, was sie über das Thema gesagt hat. Was also ist zu tun? Können wir ihn nicht bestatten?“

      „Ich fürchte, nein. Wie die Haushälterin mir heute Morgen gesagt hat, fürchtet sie, dass die beiden nicht einmal zulassen werden, dass der Sarg geschlossen wird. Und das sollte mit aller gebotenen Geschwindigkeit geschehen.“

      „Das ist ja entsetzlich!“, murmelte der Earl.

      „Wer hat das getan – wissen Sie das?“, erkundigte sich Mr. Warburton.

      „Jemand namens Anstey“, erwiderte Mr. Carlyle. „Ich habe es in Abwesenheit sämtlicher Familienmitglieder auf mich genommen, dem Zimmer einen Besuch abzustatten und die Legitimation der Männer zu überprüfen. Die Forderung beläuft sich auf etwa dreitausend Pfund.“

      „Wenn es Anstey war, dann handelt es sich um persönliche Schulden des Earl, echte Schulden, jedes einzelne Pfund“, stellte Mr. Warburton fest. „Ein scharfsinniger Mann, dieser Anstey, dass er auf einen solchen Plan gekommen ist.“

      „Und ein schamloser, skandalöser Mann“, fügte Lord Mount Severn hinzu. „Nun, das ist ja ein schöner Schlamassel. Was können wir tun?“

      Während sie beraten, wenden wir uns kurz Lady Isabel zu. Sie saß allein und in größter Verwirrung da und litt tiefsten Kummer. Lord Mount Severn hatte ihr freundlich und voller Zuwendung zu verstehen gegeben, dass sie von jetzt an ihr Zuhause mit ihm und seiner Frau teilen müsse. Isabel hatte

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