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einen Schilling finden, es sei denn, man könne das Mobiliar zu Geld machen. Wenn das so ist, heißt es ‚wer zuerst kommt, mahlt zuerst‘; deshalb bin ich im Morgengrauen hergekommen und habe eine Vollstreckung vorgenommen.“

      „Die wurde schon vorgenommen, bevor Sie gekommen sind“, warf ein Mann ein, der, nach seiner Nase zu urteilen, ein Bruder der beiden in der oberen Etage sein konnte. „Aber was ist ein solches Mobiliar schon für unsere Forderungen – wenn man sie zusammennimmt? Nicht mehr als ein Eimer Wasser für die Themse.“

      „Was kann ich tun?“, schauderte Lady Isabel. „Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun? Ich habe kein Geld, das ich Ihnen geben könnte, ich …“

      „Nein, Miss“, unterbrach sie ein stiller, blasser Mann. „Wenn die Berichte stimmen, wurde Ihnen noch schlimmeres Unrecht getan als uns, denn Sie werden weder ein Dach über dem Kopf noch eine einzige Guinee haben, die Sie Ihr Eigentum nennen könnten.“

      „Er war gegenüber allen ein Schuft“, unterbrach eine unbeherrschte Stimme. „Er hat Tausende ruiniert.“

      Der Sprecher wurde niedergezischt; nicht einmal diese Männer beleidigten leichtfertig eine empfindsame junge Dame.

      „Vielleicht können Sie uns nur eine Frage beantworten, Miss“, beharrte die Stimme trotz des Zischens. „Gibt es irgendwo Geld, mit dem man …“

      Aber mittlerweile hatte ein anderer das Zimmer betreten: Mr. Carlyle. Als er Isabels weißen Gesichtes und ihrer zitternden Hände ansichtig wurde, unterbrach er den, der zuletzt gesprochen hatte, ohne große Umschweife.

      „Was hat das alles zu bedeuten?“, fragte er im Ton der Autorität. „Was wollen Sie?“

      „Wenn Sie ein Freund des verstorbenen Grafen sind, sollten Sie wissen, was wir wollen“, lautete die Antwort. „Wir wollen, dass die Schulden bezahlt werden.“

      „Aber dazu müssen Sie nicht an diesen Ort kommen“, gab Mr. Carlyle zurück. „Dass Sie hier auf so ungewöhnliche Weise hereinschneien, ist zu nichts nütze. Sie müssen sich an Warburton & Ware wenden.“

      „Bei denen waren wir schon und haben eine Antwort bekommen – sie haben uns ganz kühl versichert, dass es hier für niemanden etwas zu holen gibt.“

      „Jedenfalls werden Sie hier nichts holen“, stellte Mr. Carlyle, an die gesamte Versammlung gewandt, fest. „Erlauben Sie mir zu verlangen, dass Sie das Haus sofort verlassen.“

      Dass sie ihm folgen würden, war unwahrscheinlich, und das sagten sie.

      „Dann warne ich sie vor den Folgen einer Weigerung“, sagte Mr. Carlyle in aller Ruhe. „Sie betreten das Eigentum eines Fremden. Dieses Haus gehört nicht Lord Mount Severn. Er hat es schon vor einiger Zeit verkauft.“

      Sie glaubten es besser zu wissen. Einige lachten und sagten, solche Tricks seien doch uralt.

      „Hören Sie zu, Gentlemen“, erwiderte Mr. Carlyle in der einfachen, geradlinigen Art, die ihre eigene Wahrheit in sich trug. „Eine Behauptung aufzustellen, die widerlegt werden könnte, wenn die Angelegenheiten des Earl untersucht werden, wäre einfach töricht. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Gentleman – nein, als Mitmensch –, dass dieses Anwesen mit dem Haus und allem, was darin ist, von dem Lord Mount Severn schon vor Monaten veräußert wurde; während seines jüngsten Aufenthaltes war er als Gast hier. Gehen Sie und fragen sie seine geschäftlichen Vertreter.“

      „Wer hat es gekauft?“, wurde sofort gefragt.

      „Mr. Carlyle aus West Lynne. Einige von Ihnen kennen ihn möglicherweise aufgrund seines Ansehens.“

      Einige kannten ihn tatsächlich.

      „Ein schlauer junger Anwalt“, bemerkte eine Stimme, „genau wie vor ihm sein Vater.“

      „Das bin ich“, fuhr Mr. Carlyle fort. „Und da ich ein ‚schlauer Anwalt‘ bin, wie Sie zu urteilen mir die Ehre erweisen, werden Sie nicht annehmen, dass ich mein Geld in einem Kauf investiere, der nicht vollkommen abgesichert und gesetzestreu ist. Ich war in der Angelegenheit kein Agent; ich habe Agenten beschäftigt; ich habe mein eigenes Geld investiert, und East Lynne gehört mir.“

      „Wurde der Kaufpreis schon gezahlt?“, wollte nicht nur einer wissen.

      „Er würde zu gegebener Zeit gezahlt – letzten Juni.“

      „Was hat Lord Mount Severn mit dem Geld gemacht?“

      „Das weiß ich nicht“, erwiderte Mr. Carlyle. „Ich habe keine Kenntnis von Lord Mount Severns Privatangelegenheiten.“

      Ein bedeutungsschweres Murmeln setzte ein. „Seltsam, dass der Earl sich zwei oder drei Monate an einem Ort aufgehalten hat, der ihm nicht gehört.“

      „Das mag Ihnen so erscheinen, aber gestatten Sie mir, es zu erklären“, erwiderte Mr. Carlyle. „Der Earl brachte den Wunsch zum Ausdruck, East Lynne zum Abschied einen Besuch von einigen Tagen abzustatten, und ich stimmte zu. Bevor die wenigen Tage vergangen waren, erkrankte er und blieb seit jener Zeit hier, weil er für eine Abreise zu gebrechlich war. Genau der heutige Tag – dieser Tag, Gentlemen, an dem wir hier stehen –, war seit langem für seine Abreise festgelegt.“

      „Und Sie sagen uns, Sie hätten auch das Mobiliar gekauft?“

      „Alles, wie es hier steht. Sie müssen meinen Worten nicht glauben, denn der Beweis wird angetreten werden. East Lynne stand zum Verkauf; ich hörte davon und wurde zum Käufer – genau wie ich von einem von Ihnen ein Anwesen hätte kaufen können. Und da es nun mein Haus ist und Sie keine Ansprüche gegen mich haben, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich zurückziehen würden.“

      „Als nächstes erheben Sie auch noch Anspruch auf die Pferde und die Kutschen, Sir“, rief der Mann mit der Hakennase.

      Mr. Carlyle hob stolz den Kopf. „Was mir gehört, gehört mir, ist rechtmäßig erworben und bezahlt – mit einem fairen, angemessenen Preis. Die Kutschen und Pferde haben damit nichts zu tun; die hat Lord Mount Severn mitgebracht.“

      „Und ich habe für sie einen sicheren Wächter in den Außenanlagen, der darauf achtet, dass sie nicht weglaufen“, nickte der Mann selbstzufrieden. „Und wenn ich mich nicht irre, sind oben auch sichere Wächter für etwas anderes.“

      „Was für ein verfluchter Spitzbube war doch Mount Severn.“

      „Was er auch gewesen sein mag, es gibt ihnen nicht das Recht, die Gefühle seiner Tochter in Wallung zu bringen“, unterbrach Mr. Carlyle mitfühlend. „Und ich hätte gedacht, dass Männer, die sich als Engländer bezeichnen, die Schande verschmäht hätten. Gestatten Sie, Lady Isabel“, fügte er hinzu, wobei er gebieterisch ihre Hand nahm und sie aus dem Zimmer führen wollte, „ich werde hierbleiben und diese Angelegenheit regeln.“

      Aber sie zögerte und blieb stehen. Das Unrecht, das ihr Vater diesen Männern angetan hatte, machte sich in ihrem Gerechtigkeitsgefühl schmerzhaft bemerkbar, und sie bemühte sich, ein Wort der Entschuldigung und des Kummers auszusprechen; sie glaubte, es tun zu sollen; sie wollte nicht, dass man sie für vollkommen herzlos hielt. Aber es war eine schmerzhafte Aufgabe; die Farbe in ihrem blassen Gesicht kam und ging, und ihr Atem ging schwer unter ihrer übermäßigen Trübsal.

      „Es tut mir sehr leid“, stammelte sie; in dem Bemühen, zu sprechen, gewann das Gefühl die Oberhand über sie, und sie brach in Tränen aus. „Ich habe von alledem nichts gewusst; über die Angelegenheiten meines Vaters wurde in meiner Gegenwart nicht gesprochen. Ich glaube, ich habe nichts; wenn ich etwas hätte, würde ich es unter Ihnen so gerecht aufteilen, wie es mir möglich ist. Aber sollten die Möglichkeiten jemals in meiner Macht stehen – sollte mir jemals Geld gehören, werde ich dankbar alle Ihre Forderungen begleichen.“

      Alle ihre Forderungen! Lady Isabel hatte kaum darüber nachgedacht, was „alle“ beinhalten würde. Aber solche Versprechungen, die in solch einem Augenblick gemacht wurden, hatten einen unbefangenen Klang. Kaum einer der Anwesenden konnte etwas anderes empfinden als Mitgefühl und Sorge um sie, und Mr. Carlyle zog sie aus dem Zimmer.

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