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zumindest wollte ich so aussehen als ob.

      Sie saß mittlerweile auf ihrem Bett und schaute genervt rüber: „Was ist? Fickst du mich jetzt endlich?“, ich musste schlucken und versuchte mir meinen Gleichgewichtsverlust nicht anmerken zu lassen.

      Wieder vom Sofa aufgestanden, ging ich einen Schritt auf sie und das Bett zu. Sie hatte sich mittlerweile in Jeans, Jacke und Schuhen in erwartender Haltung, wie ein Hund der seinen eigenen Schwanz jagt, auf das Bett gekniet. „Jetzt mach schon!“ und sie schlug sich auf den viel zu schönen Hintern, „Worauf wartest du denn?!“

      Ich war wie in Schockstarre. In meinem Kopf kreisten hunderte Gedanken.

      Los, Druck, Wow!, Nein, Ja, Ja, Name, Herzschlag, atmen, Sie doch nicht, viel zu schön, Macht sie Scherze?, Ist das ein Test?, Ironie?, Darf ich lachen?, Will sie's trotzdem?, Ist es unhöflich abzulehnen?...

      In mir kam das Gefühl auf zu verschwinden.

      Es war mir unangenehm, schon immer, wenn Frauen ganz klar sagten was sie wollten.

      Aber wenn sie nichts sagten, war das frustrierend und ich verlor mich in Gedanken.

      Meinen Finger auf dem Rufknopf des Aufzugs schaute ich zurück und sie stand in ihrer Tür, lehnte am Rahmen mit überkreuzten Beinen und zuppelte an ihrer Jackentasche herum wie ein Grundschulmädchen, dass dir sagt, dass sie dich liebt. Sie grinste verwegen in ihren Kragen und streckte ihre Hand nach dem Boden aus. Ich schlurfte auf sie zu, nahm ihre Hände in meine, roch an ihren Haaren und wir küssten uns.

      Dann setzten wir uns auf ihr Bett und verbrachten den Rest der Nacht und den Vormittag damit, uns Geschichten aus dem Kindergarten, der Einschulung, der großen Pause und dem Abschlussball unserer Kinder zu erzählen.

      Morgen

      „Guten Morgen, Herr K., hab' ich mit Ihnen eigentlich schon mal übers Lügen gesprochen?“

      Der Alte sitzt an meinem Bett. Er raucht gezwungen entspannt eine Zigarette und ascht in den Ascher, den er auf Höhe meiner Knie aufs Bett gesetzt hat.

      „Wenn ich zum Beispiel „Guten Morgen“ sage, will ich damit bezwecken, dass Sie mir zuhören, aufwachen, die Augen öffnen und mir im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zeigen, dass Sie da sind.“

      Ich schaue auf seine Zigarette. Er hält sie zwischen Daumen und Mittelfinger. Der Rest seiner Finger ist so weit wie möglich von der Glut gespreizt.

      „Wie viel Uhr ist es?“, frage ich. „Ich weiß währenddessen aber, dass ich Sie glauben lasse, dass ich Ihnen Gutes für diesen neuen Tag wünsche.“ - „Ich habe etwas Hunger, gibt's Frühstück?“,

      „Wer ist es also den ich zuerst belüge? - Ich! - Genau! - Mich selbst! - Ich lüge mir vor, Ihnen etwas zu wünschen, weiß aber, dass es mir hier nur darum geht, einen Zuhörer zu finden. Sie denken sich vielleicht sogar, dass es abstrus, geschmacklos,... penetrant-lächerlich! ist, dass Ihnen einer der beiden die Sie hier eingesperrt haben, einen schönen guten Morgen entgegnet, während er seelenruhig seine erste Zigarette seit 17 Tagen raucht.“ - „Kaffee? Tee? Eine Scheibe Toast vielleicht?“ - „Sehen Sie! - Wieso mache ich das?! Es ist ihnen ja nicht mal aufgefallen! - Ganz klar!“ - „Dass der Roomservice hier nicht gerade für das Hotel spricht?“ - „Ich lüge mir selbst etwas vor!“, er zieht an seiner Zigarette und die Asche fällt ihm auf die Hose. „Niemand sonst erntet mehr Betrug und Enttäuschung aus unseren Lügen als wir selbst.“

      Ich denke laut: „Immerhin einer also, der uns zuhört.“, „Wachen Sie auf, Herr K.! Wachen Sie auf! Aufwachen! Genug gefaulenzt! Jetzt wird gearbeitet! Sie haben Überstunden abzubauen, die ich Ihnen später nicht anrechne! Wachen Sie doch endlich auf! Gut sehen Sie heute aus! So erholt und gesund. Auf Wiedersehen, Herr K.! Auf das Wiedersehen.“

      Er sitzt leicht nach vorn gebeugt in erwartender Haltung, die Beine auf doppelte Schulterbreite geöffnet da und starrt mir ins Gesicht. „Auf Wiedersehen!“, sagt er schon wieder.

      Er bleibt sitzen, starrt und zündet sich, die bereits hinter seinem Ohr klemmende, Nächste an. Er zupft sich das Hemd zurecht, wischt die Asche von seinem Schoß, steht auf, schiebt den Stuhl mit der Sitzfläche unter mein Bett, nimmt den Aschenbecher in die Hand, atmet aus, ein, aus, zieht an der Zigarette und geht zur Tür. In seinen Wolken eingedeckt spricht er dann, halb in der Tür stehend, mit dem Fußboden: „Es ist zehn nach elf, Frühstückszeit ist vorbei“, geht schlendernd aus der Tür und lässt sie hinter sich zufallen. Der übrige Rauch wirbelt immer langsamer und findet auch bald, dass das Gespräch nun vorüber ist.

      Brückstück

      Es ist ein langer Samstag und man kann die Leute noch um kurz vor Acht auf der Straße hören.

      Ich liege in meinem Bett und denke nach. Ich denke an eine meiner früheren Freundinnen.

      Sie war sehr handzahm, klein und verspielt. Ein Kind fast, aber im Alter und mit den Angewohnheiten einer 23-Jährigen. Sie wohnte zusammen mit einer Freundin aus ihrer Kindeszeit jetzt zum Studium in Osnabrück. Ich fuhr sie einmal die Woche besuchen, wenn sie nicht zu mir kam. An diesem Wochenende, an das ich mich erinnere, liefen wir zu dritt, ich und sie mit ihrer Mitbewohnerin durch das große Dorf, die schöne eng gebundene Innenstadt, auf der Suche nach einer Möglichkeit zu tanzen. Wild und frei, wie es unserem Alter entsprach. Mit Alkohol, verwirrten aber lustigen Blicken, quer über die Tanzfläche, wenn man sich gegenseitig dabei ertappt, nicht zu wissen und gerade zu raten, wie man zu solcher Musik wohl tanzt.

      Ein Ort an dem man die Zeit vergessen kann, wenn man nur genug trinkt und hoffentlich nichts aufweckend dazwischen geschoben wird, in Form von Auswurf durch die Speiseröhre oder die Erinnerung an das wirkliche Leben und seine Probleme, die angesichts dieser scheinheilen Welt, verständlicherweise noch viel überdimensionierter wirken.

      Wir fanden in einer Seitengasse, parallel zur durch die Innenstadt führenden Hauptstraße, einen kleinen, in dunklem, grünen Licht schimmernden Eingang. Eine alte Holztür ohne Fenster, wie sie an vielen alten Kellereingängen zu finden ist. Über oder neben der Tür stand nichts geschrieben.

      Nur ein kleines Klingelschild mit der Aufschrift Debauche. Wir gingen hinein ohne zu klingeln.

      Wie ich schon vermutet hatte, gingen wir erst mal eine Treppe hinab, sehr schmale, hohe und kurze Stufen, fast als würde man in eine freigelegte Salzgrotte hinab steigen, nur nicht ganz so schwül.

      Die beiden Mädchen liefen voraus, als wären sie schon einmal hier gewesen, ich kam geduckt und mit den Armen zum Schutz über dem Kopf, damit ich mir ihn nicht stieß, langsam hinterher.

      Unten angekommen war die Schiebetür schon offen von meinen Vorläuferinnen. Ein roter Schein fiel hindurch, jedoch nur sehr schwach.

      Ich betrat den Raum und vor mir fand ich einen Haufen von buckligen Decken, auf einer Liegefläche oval angeordnet, die fast den kompletten, winzigen Raum einnahmen. Beim genaueren Hinsehen und nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dachte ich meine Freundin dort, unter einer dieser Decken, schlafen zu sehen. Ich wartete und schaute genauer hin. Sie drehte sich auf die andere Seite und sie sah ihr tatsächlich sehr ähnlich, genau wie ihre Nachbarin. Dort lagen auf einer Art Bühne, die vollständig Matratze war, jede Menge Mädchen die meiner Freundin ähnlich sahen, aber keine war sie. Einige hatten ihren Klamotten von gestern an, andere ihre Frisur der letzten Woche kopiert, aber ich fand immer kleine Unterschiede, wie eine zu lange Nase, einen zu spitz geformten Unterkiefer oder eine andere Art Entspannung in der Mimik während sie schläft. Alle schliefen sie tief und fest, aber keine davon konnte eine von denen sein die ich suchte, dessen war ich mir sicher.

      An der rechten Seite der Liegefläche sah es aus als wäre der Boden gekachelt. Plötzlich Klick und überall rote Punkte an der Wand die sich bewegten, alle in die gleiche Richtung. Ruhig, ohne Musik, überhaupt hörte ich keinen Ton in dieser Bar. Die Kacheln waren, stellte sich heraus, eine weitere, winzige Treppe, die entlang des Bettes ein paar Meter tiefer führte, in einen Abschnitt

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