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      Keine Gespräche

      Keine Höflichkeit

      Verantwortungslos

      Ich werde nicht gebraucht und niemand braucht etwas von mir,

      Weil ich nichts zu geben habe

      Keine leeren Versprechungen

      Keine vollen Gläser

      Kein Durst oder Hunger

      Kein Verlangen das Befriedigung sucht

      Kein Gegenteil

      Keine Geschichte

      Keine Zukunft

      Und ich bin nur einen Schnitt, Sprung, Stich, Schuss davon entfernt,

      in diesem Sein nicht sein zu können

      Ort

      (Wenn der überhaupt wichtig ist)

      Eine Stadt in der man nicht schauen müsste, bevor man über die Straße geht, es aber trotzdem tut, falls man den im Auto kennt und sich dankend zunicken möchte.

      Überhaupt werden hier viele Dinge nur so gemacht, weil man vermutet, dass das in großen Städten auch so gemacht wird. Wer eine Stadt zum gefragten Touristenziel heranziehen will, braucht teure Parkplätze, alte Geschichten und neue Einkaufszentren. Hier gibt es nur die alten Geschichten, die Parkplätze sind alle kostenlos und wenn begrenzt, dann auf Zeit. Ein Ort zum Durchfahren.

      Die Einkaufszentren liegen im oder auf dem Weg zum nächsten Ort, damit Menschen von außerhalb die Ruhe nicht stören oder auf die Idee kommen Parkplätze zu belegen.

      Es gibt vier Ampeln. Alle davon überflüssig.

      Ich bin gerne hier und bewege mich noch langsamer als die alten Leute auf dem Weg zum Kuchen. Vielleicht das Henkersmahl. Kirschkerne sind nicht ungefährlich.

      Ich kenne keinen, aber alle auf der Straße.

      Der Ort existiert Stein für Stein in meinem Kopf.

      00

      Wenn man mal verstanden hat

      Wie die Stadt

      Funktioniert

      Wie Häuser Menschen atmen

      Dass die Gässchen wie Wildwechsel

      Kurz nach bis kurz vor der Dämmerung

      Raubtier und Jäger

      Wolf und "Ohne dich ist alles doof"

      Die Stellen die unbelaufen sind

      Wie naturbelassener Waldboden

      Diejenigen die nicht in die Funktion passen

      Wie ein alter Bunker oder ein Hochsitz

      Wir sind der Schuss

      Und der Überschuss

      Ich bin das Todesurteil

      Die Chance auf neues Leben

      Der zündelnde Junge in der Scheune

      Wind der das Feuer entfacht

      Der Vogel der flüchtet und

      Sich ein neues Paradies sucht

      Bis zu dem Tag

      An dem es jemand entdeckt

      Komm' her

      Quer über die gepflasterte Straße entdecke ich einen kleinen, gemütlichen Laden mit Schaufenster. Als ich näher komme erkenne ich den anscheinenden Besitzer des Geschäftes. Alt, etwas breiter gebaut, Wollpullover und eine graue Hose, sein Gesicht scheint zufrieden, soweit ich es durch die leichten Spiegelungen des Glases erkennen kann. Ich habe dieses Geschäft noch nie hier gesehen, seit meinem sechzehnten Lebensjahr ging ich wöchentlich mindestens zweimal durch diese Einkaufsgasse, vielmehr um mir die Leute als die Angebote anzuschauen oder mein Geld für überteuerte Getränke hinaus zu werfen.

      Als ich näher komme, muss ich plötzlich wider Willen an einen alten Schulkameraden denken, den ich seit unseres Abschlusses, zu meinem Glück, nicht mehr gesehen hatte. Ich dachte seine Stimme aus dem Sprachorgan eines vermeintlichen Kunden der Bücherei wahrgenommen zu haben. Vielleicht jobbte er hier, um sich etwas Geld zurücklegen zu können, wie so viele es auch schon mir empfahlen.

      Ich hatte bisher immer mehr oder weniger dankend abgelehnt und durchscheinen lassen, dass ich es nicht für nötig halte. Aber nicht weil ich genug habe, ganz im Gegenteil, eher, weil ich dachte, dass sich mein Weg auch ohne viel Geld wird richten lassen müssen. Natürlich ganz ohne Schicksalsgedanken.

      Nebenbei fiel mir auf, dass die Bücherei für ebendiese viel zu klein ist. Sie besteht nur aus einem Raum, den man schon von außen völlig einsehen kann und noch nicht einmal dieser ist vollends mit Büchern bestückt. Die Glasseite ist frei, da man sonst weder raus noch rein schauen könnte und die Wand gegenüber des Fensters steht auch leer. Der Raum selbst ist geschätzte vier mal vier Meter groß. Links vom Fenster ist die Eingangstreppe, auf der auch mittlerweile meine Füße stehen und nach oben steigen. Als ich das Zimmer betrete, habe ich das Gefühl, ich werde wahrgenommen und bemerkt, aber aus irgendeinem Grund lässt man mich in Ruhe die Gegend erkunden. Ich habe nicht eines der Bücher mehr in Erinnerung. Die Atmosphäre lädt nicht zum Bücherlesen ein. Kein Sofa, kein alter, faltiger Sessel, noch nicht mal ein Stuhl, nur knarrender, löchriger Holzboden. Ich verkrieche mich in die linke hintere Ecke und tue als denke ich nach, mit gesenktem Kopf. Ich lausche dem Gespräch der beiden. Ich kann nicht hören, über was sie sich genau unterhalten. Es ergibt keinen Sinn, irgendwas mit „Stille“ und „schon wieder einer“ und „neue Leute“. Plötzlich höre ich einen der beiden meinen Namen sagen, nicht nur den Familiennamen, der in dieser Stadt alles andere als uneigentlich ist, sondern meinen vollständigen Namen. Aber woher sollten sie mich kennen, ich bildete mir immer ein, dass man mich nur an meinem Gesicht erkenne und mit ihm gab ich mir alle Mühe es unter meinem Hut zu verstecken. Haben sie mich doch erkannt? Nein das kann nicht sein. Sie sprechen nicht zu mir, ich hatte sie nur über mich reden hören. Vielleicht ja auch eine Verwechslung, ein ähnlicher Vor- und Nachname, der sich geflüstert so anhört, als meine man mich. Und überhaupt, wieso flüsterten sie eigentlich?

      Durch diese Gedankengänge und kleine Panik in mir, muss ich mich ein wenig auffällig verhalten haben, denn als sie bemerken, dass ich nur so tue, als wäre ich beschäftigt, ergreift mein alter Schulkamerad ein Buch und sie heben die Lautstärke ihrer Unterhaltung, um darüber zu reden, dass sie es bald wieder nachbestellen müssen, weil es sich doch so gut verkaufe. Mit diesen und anderen rudimentären Worten löst sich ihre Unterhaltung auf und sie drehen sich zu mir um, zwar wieder ohne etwas zu sagen, aber trotz alledem kommt in mir das Gefühl hoch, sie hätten mich gefragt, ob sie mir helfen können. Ich blicke auf und sehe zuerst in das Gesicht meines Schulkameraden. Er ist es nicht. War es nie gewesen. Die ganze Zeit über hatte ich mich getäuscht. Er scheint noch älter als der Ladenbesitzer selbst, doch irgendetwas zeichnet ihn aus, dass er es nicht ist, der die Verantwortung trägt für das Geschäft.

      Ich muss stark verwundert gewesen sein, dass sich meine Sinne so täuschten, oder vielleicht auch erleichtert, dass ich für kurz in meinen Gedanken versank und äußerliche Reize abprallen ließ. Der Besitzer wiederholt meinen Namen und fängt an zu lächeln. „Wir haben gerade von dir gesprochen!“

      Er kommt auf mich zu, schlägt mir auf die Schulter und ergreift meine Hand, wie alte Freunde es tun. Ich kenne ihn aber nicht. Oder vielleicht erkannte ich ihn nicht, dachte ich mir. Wir unterhielten uns nicht lange über das Wetter, die Familie oder sonstigen oberflächlichen Kram, sondern sie brauchten meinen Rat. Sie verlangten danach.

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