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großem, mantelartigen Umhang, stand wie angewurzelt – und ebenso fixiert starrten seine großen, etwas hervorquellenden Augäpfel in eine bestimmte Richtung des wolkenschwangeren Himmels. Von dort musste die Botschaft zum Aufbruch kommen, dessen eigentlich vorgesehenes Zeichen der Himmel an diesem Morgen verweigerte. Seine ohnehin großen Augen weiteten sich noch einmal, als er endlich meinte, sie zu erblicken.

      Er wartete nicht, bis sich der vermeintliche Vogel am Himmel zu einem Tatsächlichen aus der Dämmerung herausschälte. Kilak galt als verwegen und rücksichtslos neugierig – wohl der Grund, warum die Bewohner Goozls ihm in dieser Dekade die Funktion des Tolsmoi zuwiesen hatten. Für ihn konnte es keinen trefflicheren Zeitpunkt für seine Wahl geben. Das Erkunden der Singala war ein Traum der Asimielenen seit die Großen Wasser nicht mehr flossen und sie aus dem ehemaligen riesigen See hervorgegangen war.

      Es waren nicht die zu erwartenden Gefahren, die sie bislang von einer Erkundung der Singala abgehalten hatte – nicht die Kreaturen Suäl Graals, die ja nach Meinung eines jeden Asimielenen mit Sicherheit auch an diesem Ort ihr Unwesen trieben. Es war vielmehr die unendliche Öde dieses Ortes, die ihnen bis zu dieser Zeit unüberwindlich erschien. Die Singala verweigerte jede Art der Orientierung – kannte keinen Punkt, dass dem Auge eine Abwechslung, und dem Geist einen neuen Gedanken bot. Die Öde des Äußeren hätte sich augenblicklich in ihr Innerstes hineinfressen und jeden Gedanken darin ausgelöscht. Eine Gefahr, die selbstverständlich nach wie vor bestand.

      Nun aber war es das Wagnis wert, einen Weg dort hinein zu finden. Es war eine Zeit angebrochen, die bislang nicht gedacht werden konnte – eine Neue und besondere Zeit, die von Habadam, dem Chemuren und Regenten dieses Droms einem Samen gleich in ihre Köpfe gepflanzt, jedes Wagnis rechtfertigte. Eine solche Zeit – ein solcher Samen – kreiert neue Gedanken und damit neue Möglichkeiten. So hatten sie endlich eine Vorstellung davon, wie sie es wagen konnten.

      Kilak holte ausgiebig Luft, bevor er lauthals über die Menge schrie. „Die Karren und Wagen in die Mitte – verhaltet euch angemessen zu euren Positionen ... .Und das niemand von euch aus der Reihe tanzt!“

      ~*~

      Geschöpfe Suäl Graals

      Die Luft vibrierte, und die obere Schicht des feinen Sandes auf dem Boden führte einen hektischen Tanz auf – dirigiert von den starken Schwingungen eines abgrundtiefen Tones, der die Atmosphäre erfüllte. Obwohl kein Ohr seine Herkunft zu bestimmen im Stande wäre, war seine Ursache doch offenbar.

      Ein großes, pyramidenförmiges Gebilde, schwärzer als die dunkelste Nacht – glatt und matt seine Flächen, das selbst die scharfen Kanten in seinen Winkeln vom gleißenden Licht der hohen Sonne für das suchende Auge nur gerade erahnbar waren, musste seine Ursache sein.

      In respektvollem Abstand vor dieser Erscheinung saß eine bizarre Gestalt auf seinem gepanzerten Reittier. Seine mächtiges Äußeres – gehüllt in zerschlissene, farblose und weite Tücher, die aus den Überresten einer Rüstung hervorquollen wie die losen Hautfetzen eines gemarterten Körpers, hielt eine Lanze, unter dessen Spitze, zwischen einigen dort befestigten Bändern, verblichene Schädel hingen. Ihre wenigen verbliebenen Haare wurden vom leichten Wind bewegt – einem Wind, der hier in den Weiten der Singala ebenso außergewöhnlich war, wie der alles erschütternde dunkle Ton, der nun über der Öde lag.

      Das breite, grau-fahle Gesicht der mächtigen Gestalt mit seinen pupillenlosen roten Augen war unbewegt auf die alles beherrschende Pyramide ausgerichtet.

      Ebenso bewegungslos stand unweit hinter ihm ein Meer von Reitern, deren Äußeres sich von der ersteren Gestalt kaum unterschied. Ihnen fehlte die Rüstung – wenn man denn die vereinzelten und notdürftig zusammengehaltenen Metallplatten am Körper des Ersteren als eine solche bezeichnen wollte. Er erschien vielleicht noch um einiges größer und furchterregender als seine Artgenossen – aber das konnte auch nur die Suggestion seiner Haltung sein, die diesen Eindruck erweckte. Es war auf jeden Fall unverkennbar, das er der Führer dieses Heeres war ...

      „Und als das große Wasser

      In dem das Geschöpf Gala erkannte,

      Versunken,

      Und nicht mehr Gala war,

      Da war Singala an seiner Stellen!“

      Die sich mehrstimmig überlagernde Stimme, die in diesem Augenblick den tiefen Dauerton unterbrach, als würde sie sich aus ihm heraus formen, um nach dem Ende jeden Satzes wieder in ihn zurückzukehren, war so wenig in seiner Herkunft zu bestimmen, wie der dunkle Dauerton, der sofort wieder jede Pause der Stimme füllte ...

      „So hat die Zeit

      Das in ihr Verborgene

      Offenbart,

      Wie alles Verborgene offenbart sein muss

      In der Zeit.

      Denn so spricht Suäl Graal,

      Und so ist es entschieden!

      In jener Zeit nun,

      Da Gala nicht,

      Und Singala war,

      Da schuf ich den Hyndriden –

      Euch!

      Um zu wachen

      Über das nun nicht mehr Verborgene.

      Um zu wachen

      Über das nun nicht mehr Verborgene

      In den kommenden Zeiten.

      Ausgestattet mit der List der Wandlung

      Und der Kraft des Verachtenden,

      Ist nun die Zeit, das Offenbarte –

      Ist nun die Zeit, die Heilige Tafel

      Zu bewahren.

      Zu bewahren vor jener Macht,

      Die der ewigen Dunkelheit entwich,

      Die Große Ordnung Suäl Graals zu stören.

      Schon hat sie Gedanken erschaffen

      In den Geschöpfen dieses Droms.

      Gedanken wider der Ordnung.

      Gedanken wider der Furcht meiner Macht.

      Gedanken, beseelt zu forschen

      Nach dem Entschleierten,

      Um es sich dienbar zu machen

      Wider der Ordnung Suäl Graals.

      Es ist nun eine Zeit,

      Da das Unbeugsame,

      Unterschieden in Zeit und Ort,

      Einzudringen wagt

      In die Singala.

      So ist nun die Zeit

      Zu bewahren,

      Was Suäl Graals ist.

      Wie es euch bestimmt war von Anbeginn!“

      „Wer ist die Macht, die es wagen kann, dir zu begegnen?“ Die gewaltige Stimme des Anführers des Heeres zerriss die vibrierende Luft.

      „Hyndride! Du bist nicht gemacht, Fragen zu stellen!“

      Eine unüberhörbare Drohung lag in den Worten, die die mächtige Stimme des Hyndriden überlagerte und für einen Moment zum verstummen brachte.

      „So gib uns mehr Augenlicht, damit wir auch in der Nacht deinen Feind erkennen!“, hob er erneut an.

      „Nein!“, donnerte der Himmel.

      „Die Nacht bewahrt,

      Das unerkannt sein muss

      Für Deinesgleichen!

      Denn

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