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komische Typen rum. Außerdem war es nicht verboten, eine Waffe durchzuladen. War es am Ende ein Sportschütze, der eine Zielübung machte? ‚Vielleicht sollte ich in Zukunft nicht so viele Krimis gucken‘, dachte Reimers und kratzte sich am Kopf. Er hatte schon einige Male irgendwelche Leute beargwöhnt, ohne dass sich auch nur der Funke eines Verdachtes bestätigte. Das musste an seinem angeborenen Misstrauen liegen, der aber wiederum seinen späteren Erfolg untermauerte. In diesem Fall wartete er lieber eine Weile, bis sich der Audi entfernt hatte.

      Als die Luft rein war, schritt er zur Tat. Flugs klappte er das Kabinenfenster auf, legte das Gewehr an und visierte in Richtung Brachland. Dann ballerte er los und durchsiebte einen dort stehenden Storch, worauf sofort eine Federwolke aufstob. „Volltreffer!“

      Um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern, hielt es Peter für legitim, auf diese Weise zur Selbsthilfe zu greifen, selbst wenn das verboten war. Er zielte erneut und drückte ab. Einen weiteren Storch streiften die Schrotkugeln beim Auffliegen. Erst mit einem erneuten Schuss erwischte er ihn richtig. Zufrieden riss der Bauer die Treckertür auf und befahl einen Apport. Nicht, dass es ihm Freude machte. Er liebte Vögel, allem voran Störche. Aber wer konnte schon sagen, welches Tier infiziert war? Im Zweifelsfall musste man alle plattmachen, selbst wenn das gewisse Politiker in diesem Land nicht verstanden und die Bekämpfung solcher Seuchen nur sehr halbherzig angingen. Kurz darauf fuhr der Trecker wieder an.

      Am Knick des Feldweges angekommen, stoppte Reimers das Gefährt. Beim Aussteigen streifte er sich routiniert Arbeitshandschuhe über. Prüfend betrachtete er seine Jagdtrophäen und schmiss diese auf den Frontlader. Danach pfiff er kurz und Arko kam apportierend herbeigeeilt. „Feiner Kerl“, lobte sein Herrchen, „wenigstens einer, auf den ich mich verlassen kann.“ Erregt stand der Hund wie eine Eins vor der Beute und kläffte. Peter warf jetzt den dritten Storch ebenfalls auf den Frontlader. „Nun haben wir den gesamten Müll. Na komm, auf geht’s, mein Bester.“ Dann ließ er Arko aufspringen und fuhr weiter.

      Vorübergehend öffnete sich der Himmel und die Sonne stand wie eine Wand vor ihm. Zwei, drei Sekunden später verschwand das Schauspiel wieder. Die Gedanken des Bauern wanderten jetzt zum Hof zurück. Schon sah er Töchterchen Viktoria im klimatisierten Büro agieren. Von dort würde sie professionell über augenfreundliche Bildschirme alle Ställe überwachen und die Abläufe kontrollieren.

      Nur, wie sollte diese Null von Rolfi ihr dabei behilflich sein? Der hatte doch nicht für ’n Fünfer Ahnung und besaß zudem zwei linke Hände. Was hatte sie bloß an diesem Typen gefressen? Der konnte ihr gar nichts bieten, außer ständig dämlichem Gequatsche über allerlei politischen Kram. Und doch musste er sie damit beeindruckt haben, denn so, wie er theoretisierte, klang das ja alles recht passabel. Nur wenn man tiefer nachfragte und etwas äußerte, was nicht in seine Weltsicht passte, wurde er schnell fahrig. Kurzum, er war ein typischer Schwätzer, der einen Querdenker wie ihn nicht ertrug. Schon deshalb war eine dauerhafte Reibefläche zwischen ihnen programmiert.

      Im Übrigen war das alles gar nicht der Rede wert und Reimers ärgerte sich, wieso sich dieser selbstüberschätzende Kerl schon wieder in seine Gedanken drängte. Dieses Jüngelchen in seinem 80-Kilo-Muskelpanzer war mit seinen 24 Lenzen noch ganz grün hinter den Ohren. Zudem hatte er nichts Ordentliches gelernt, worauf man bauen konnte. Was war schon ein Politikwissenschaftler? Nicht mehr als ein Currywurstbrutzler oder Katalogverkäufer! Besorgt zog Reimers seine Stirn kraus.

      Und wenn es schon nicht mehr zu verhindern war, blieb nur zu hoffen, dass er wenigstens einen ordentlichen Stammhalter zustande brachte. Den Namen Reimers würde Viktoria selbstredend behalten. Da gab es gar keine Diskussion, und wenn das Rolfi nicht passte, konnte er ja gehen. Was den unvermeidlichen Schwiegervater in dieser Sache betraf, sollte er sich bloß nicht einbilden, durch diese unselige Verbindung auch nur einen Fuß in Peters Geschäfte zu bekommen. Reimers hatte noch nie gern geteilt und schon gar nicht mit dem. Die Erfahrung im Mastbetrieb und das Strecken und Verkaufen von gebeizter Saat nach Übersee deklarierte er ohnehin zur Chefsache. Darin war er ein Fuchs. Schließlich verlangte sensibles landwirtschaftliches Agieren mehr als ein Tannenbaumstecken.

      Kurz vor seinem Hof lenkte der Bauer den Trecker in Richtung der Hünengräber. In diesem Schutzgebiet verklappte Reimers die Kadaver. Hier durchwühlte niemand den Boden. Das verbot das Gesetz. ‚Töchterchen muss noch viel lernen, wenn sie mal alles übernehmen will.‘ Mit diesem Gedanken wendete er den Trecker. Der Platz an der Sonne musste erkämpft werden! Schmarotzer würden nicht geduldet! Davon gab es genügend, die sich nicht zu schade waren, für ein Butterbrot die größte Dummheit zu begehen, nur weil sie für einen redlichen Broterwerb zu faul waren. Allen voran Schmierfinken vom Schlage eines Rolf Sündermann. Womöglich musste Peter künftig noch aufpassen, was er sagte. Aber das wäre ja noch schöner. Schwiegersohn hin oder her – eher jagte er ihn achtkantig vom Hof.

      Dabei hatte ihn seine Helga wiederholt ermahnt nicht so grob zu Rolf zu sein. „Du hast dich seinerzeit auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als du meinem Vater etwas von Mastzucht erzählen wolltest und dabei die Begriffe verwechselt hast“, warf sie ihm vor. Das war natürlich Unsinn, weil das eine ganz andere Zeit war; und überhaupt waren das ganz dumme Gedanken.

       „Feierabend“, tönte der Bauer und bog auf die Landstraße ein. Vergnügt trommelten seine Finger auf das Lenkrad. Verlässlich rollte die Kraftmaschine vom Feld auf die Straße. Beim Einfahren in den Kreisel des Dorfes schnitt ihn plötzlich ein dicker Daimler. Eine solche Frechheit konnte nur von dem Einen kommen: Sündermann! Nicht mal einen Gruß hielt der für nötig. Dem würde er schon noch Manieren beibringen, denn er kannte einen alten Haudegen wie Peter Reimers noch lange nicht.

      Die Töpferstube

      „Nein, das ist doch …!“ Sina zog das Lenkrad nach rechts und konnte im letzten Moment einem frontal entgegenkommenden Fahrzeug gerade noch ausweichen. Ihr Wagen kam dabei derart ins Schlingen, dass er sich zu überschlagen drohte. Nur knapp konnte sie ihn abfangen und stieß zu allem Unglück mit dem Kopf gegen das Steuer. Ihr Fuß stand auf der Bremse und nach einer halben Ewigkeit kam der dunkelgrüne Range Rover endlich zum Stehen.

      Wo kam der denn so plötzlich her? War der lebensmüde? Durch den Rückspiegel schaute sie ihm noch nach, konnte aber nicht mehr das Kennzeichen erkennen. „Vollidiot!“, rief sie ihm hinterher. Mit rasendem Puls registrierte sie, wie die Rücklichter eines dunkelblauen Audi Avant hinter der nächsten Kurve verschwanden. Sodann sah sie in den Spiegel und bemerkte die Rötung an ihrer linken Stirn. Das würde eine dicke Beule geben. Fahrig kramte sie ihr Smartphone aus der Handtasche hervor und drückte kühlend die Glasfläche auf die schmerzende Stelle. Dann schaltete sie die Warnblinkanlage ein.

      Gott sei Dank war Boy unverletzt. Er saß im Fangkorb und hechelte. Wütend stieg Sina aus und besah sich den Schaden: Der linke Außenspiegel war von der Karosserie abgerissen und lag jetzt sicherlich irgendwo da hinten. Sie taumelte einige Meter zurück. Schließlich konnte sie ihn am Straßenrand ausfindig machen. Als sie ihn jedoch näher betrachtete, stellte sie fest, dass es nicht ihrer war. Er gehörte zum blauen Audi. Die Bruchstellen waren noch frisch und vor allem ziemlich markant. Daran wäre jederzeit eine Zuordnung möglich. Also steckte sie ihn ein.

      ‚Wenigstens hast du auch was abbekommen‘, dachte sie mit einer gewissen Genugtuung, obwohl sie es noch immer nicht recht verstand. Das hätte böse enden können. Dabei lag gar kein Grund vor, sie derart scharf zu schneiden. Die Straße war frei gewesen und sie hatte niemanden behindert. Entweder war der Kerl besoffen oder stand unter Drogen. Der eigene Spiegel hingegen blieb verschwunden.

      „Sonntagsfahrer!“ Fluchend stampfte sie zum Rover zurück und stieg ein. Ihren mittlerweile aufgeregt bellenden Mops steckte sie ein paar Leckereien zu und sagte ihm ein paar liebe Worte. Dennoch haderte sie mit sich. Schließlich schaltete Sina die Warnblinkanlage aus und fuhr weiter. Fahrig strich sie sich eine Strähne aus der Stirn. Einen Moment später bog sie auf die Hauptstraße ab und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.

      Der Schreck saß ihr noch lange im Nacken. Dabei war sie bis jetzt euphorisch gewesen, nachdem sie einige Gartenzwerge von Volkers frisch geliefertem Nachschub in eine große Reisetasche gepackt hatte und dazu einige fertig restaurierte Exponate

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