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kleine Gruppe von Gästen um ihn herum quittierte Colins Bemerkung mit ausgelassenem Gelächter. Einige applaudierten sogar. Salomé spürte, wie Nate sich neben ihr anspannte. Die beiden Brüder begrüßten sich auf die typisch männliche Art, indem sie sich während einer breiten Umarmung gegenseitig auf die Schulter klopften.

      Salomé grinste, als ihr bewusst wurde, dass diese Geste wohl kosmopolitisch war. Zumindest die Männer der Familie de Bertrand verhielten sich ebenso bei Zuneigungsbekundungen.

      Aufmerksame Fotografen hatten die sich umarmenden Brüder in ein Blitzlichtgewitter getaucht. Erstaunlich, wie hoch die mediale Aufmerksamkeit an Colins Werk war. Er schien richtig berühmt. Andererseits waren die sich umarmenden Brüder sehenswert. Zwei blutjunge Schönheiten, die mit Sicherheit Models waren, starrten die beiden hochgewachsenen Schotten mit offenem Mund an.

      Fehlt nur noch Sabber, der aus ihrem Mund läuft, dachte Salomé schmunzelnd.

      Colin hatte sie über Nates Schulter erspäht. Nach einem nachdenklichen Stirnrunzeln erhellte sich sein Gesicht.

      „Das darf doch nicht wahr sein! Du bist doch Salomé de Bertrand, oder? Die Welt ist ein Dorf!“ Er zog die überrumpelte Salomé in eine überschwängliche Umarmung. Als er sie losließ, nickte er Richtung Nate.

      „Dass wir uns so schnell wiedersehen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dieser Bursche hier mir während des gesamten Rückfluges die Ohren vollgejammert hat, weil ich ihn von der Tanzfläche und aus deinen Armen gezogen habe“, sagte Colin in unverminderter Lautstärke zu Salomé.

      Nate räusperte sich lautstark. Doch sein Bruder grinste nur wissend und hob entschuldigend die Arme.

      „Ich sage nur, wie es ist, Bro.“

      Salomé wandte sich verlegen den großformatigen Bildern zu. Sie erkannte zwei der Porträts, die ihre Mutter Inès in Frankreich erstanden und anscheinend für die New Yorker Ausstellung zur Verfügung gestellt hatte. Dass sie nichts davon gewusst hatte – unglaublich. Sie nahm sich in diesem Moment vor, zukünftig häufiger mit ihrer Mutter zu sprechen. Sie hätte es schade gefunden, Colins Vernissage zu verpassen.

      „Wie geht es Inès? Ihre Bilder kommen hier in New York besonders gut an. Ich hatte heute schon bei mindestens zwei Interviews konkrete Fragen dazu.“

      „Ich nehme an, es geht ihr ausgezeichnet. Sie ist mit meinem Vater zurzeit in der Schweiz. Wir sehen uns alle bald in Frankreich wieder. Mein Halbbruder heiratet.“

      „Ah, sicherlich diese charmante Deutsche! Wie hieß sie noch gleich?“

      Während sie entspannt über Julia und Mirabel plauderten, wandten sich Salomé und Colin den weiteren Bildern zu. Nates Bruder freute sich über ihr Interesse, hakte sich bei ihr ein und begann freimütig, vom Schaffensprozess zu erzählen.

      Als sie sich umschaute, ob Nate mit ihnen kam, sah sie ihn inmitten einer Gruppe von Gästen und Presseleuten stehen, die förmlich an seinen Lippen hingen. Wahrscheinlich versuchten die Journalisten, ihm Insiderinformationen über seinen Bruder zu entlocken.

      Mit halbem Ohr registrierte Salomé, wie Nates Smartphone klingelte und er sich ein wenig von der Gruppe zurückzog. Sie war froh, einen Moment Abstand zu ihm zu haben und ein wenig zur Besinnung zu kommen. Der Adrenalinpegel, auf dem sie surfte, wenn er bei ihr war, sie seinen Geruch wahrnahm und am meisten, wenn er sie berührte, führte zu einem permanent erhöhten Herzschlag. Für eine kurze Pause war sie dankbar.

      Doch auch jetzt schweifte ihr Blick immer wieder in seine Richtung. Er sah so unverschämt gut aus. Die beiden Models schienen das Gleiche zu denken, sie hatten kichernd die Köpfe zusammengesteckt und schauten ihn unverwandt an.

      Während Colin noch über ein skurriles Erlebnis mit einem französischen Pigmentverkäufer berichtete, fiel ihr auf, wie zärtlich Nates Gesichtsausdruck war, während er telefonierte. Er blickte verträumt und lächelte. Wer mochte da am Telefon sein?

      Colin und sie näherten sich wieder den anderen Gästen. Nate hatte ihre Rückkehr bemerkt und beendete sein Gespräch. Salomé hörte gerade noch, wie Nate mit liebevoller Stimme ins Telefon hauchte.

      „Bye, Bonnie, ich muss jetzt Schluss machen. Ich vermisse dich auch. Ich zähle die Stunden, bis ich wieder bei dir bin. … Ich dich auch. Pass auf dich auf ... Kuss!“

      Ihre euphorisierte Stimmung erfuhr einen herben Dämpfer. Mit wem sprach er nur? Nannte er etwa jede Frau Bonnie?

      Nate sah sehr gut aus und wohnte weit, weit entfernt. Wo eigentlich? In L. A.? In Schottland?

      Salomé war eine pragmatische Frau. Ihr ging in diesem Moment auf, dass sie so gut wie nichts über ihn wusste. Außer, dass er Schotte war, einen Künstler zum Bruder hatte und als Schauspieler arbeitete. Vielleicht hatte er auch eine Frau, und dieser Flirt mit ihr war nur ein amüsanter Zeitvertreib?

      Ein heftiger Stich fuhr in ihr Herz. Sie kam sich so naiv vor. Weshalb hatte sie ihn nicht intensiver ausgehorcht? Weshalb hatte er nicht mehr von sich erzählt?

      Salomé spürte, wie sie innerlich ihre Mauern hochfuhr. Das beherrschte sie bis zur Perfektion, seit sie damals von diesem unerträglichen Severin Wallberger an der Nase herumgeführt worden war und nur das beherzte Eingreifen ihres Vaters einen Skandal hatte verhindern können.

      Viel zu spät war sie aus ihrer verliebten Trance erwacht. Das Aufwachen und der dann folgende Aufprall waren zu hart gewesen. So hart, dass dieser Fehler ihr immer noch als stets simmernder Schmerz nachhing. Salomé hatte sich damals geschworen, nie wieder so naiv ihr Herz einem Mann auf dem Silbertablett zu servieren. Und dieses Credo hatte sie bislang durchgehalten. Sie flirtete zwar gerne, zumindest in ihrem Zweitleben in Frankreich, aber sobald die Beziehung zu einem Mann ernsthaftere Züge annahm, verhielt sie sich so wachsam, als würde sie ein Minenfeld überqueren. Es war Zeit, dieses Stadium in ihrer Beziehung zu Nate einzuläuten.

      Als Nate sein Smartphone wegsteckte und sich lächelnd zu ihr umdrehte, straffte sich Salomé innerlich. Er legte seinen Arm um ihre Taille. Anstatt wie zuvor ein erotisches Kribbeln zu fühlen, nahm Salomé die Berührung an ihrer Hüfte jetzt wie ein unangenehmes Brennen wahr. Mit Genugtuung stellte sie fest: Es lag alles an der inneren Einstellung!

      Sie blieben noch eine halbe Stunde in der Galerie und hielten Small Talk. Dann schob Nate sie wieder in den wartenden Wagen. Erwartungsvoll wandte er sich ihr zu.

      „So, Pflichtteil erledigt. Ich hoffe, es war okay für dich. Noch Lust auf einen Absacker?“

      Sein breites Lächeln war unglaublich sexy, und Salomé wankte in ihrem Entschluss, cool zu bleiben. Sie tat einen Moment so, als müsste sie abwägen, dabei konnte sie es kaum erwarten, Abstand zu Nate zu bekommen.

      „Nein. Es ist schon spät, und ich habe leider morgen um sechs Uhr dreißig ein Frühstücksmeeting. Ich sollte wirklich schlafen gehen.“

      Nate nahm wohl ihre veränderte Stimmung wahr und sah sie stirnrunzelnd an. Sie erwiderte unverbindlich lächelnd seinen forschenden Blick. Dann zuckte er die Schultern und gab dem Fahrer Anweisung, Salomés Apartment anzusteuern.

      Nate begleitete Salomé in die Lobby. Der Concierge nickte ihnen freundlich zu. Als sie beide vor den mit Marmor verkleideten Aufzügen ein wenig befangen voreinander standen, war sich Salomé absolut bewusst: Dieser Augenblick war bei jedem Date eine wichtige Weggabelung. Conrad zog sich diskret in einen kleinen Raum hinter seinem Tresen zurück.

      Salomé schaute Nate fest in die Augen. In der indirekten Beleuchtung der Lobby konnte sie diese im Schatten der Basecap kaum ausmachen.

      „Also dann. Vielen Dank für den schönen Abend, Nate.“

      Nates Mundwinkel zuckten amüsiert, so offensichtlich war es, wie sie ihn abservieren wollte. Was um alles in der Welt hatte bei ihr diesen Stimmungsumschwung bewirkt? Sie waren doch vor dem Galeriebesuch bereits auf einem ganz anderen Level gewesen.

      So nah, wie er vor ihr

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