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      Nate blickte erstaunt in die erwartungsvollen hellblauen Augen Salomés. Er konnte es kaum glauben: Es schien, als würde sie ihn nicht kennen. Zunächst war er davon ausgegangen, das wäre für sie alles nur ein Spaß. Vor allem, weil sie immer wieder auf seinen bekannten Bruder Colin anspielte. Diese Fassade würde sich nicht so lange durchhalten lassen, wäre es nur ein Spiel. Davon war er zwischenzeitlich überzeugt.

      Salomés Fragen waren ernsthaft interessiert, und sie schaute so unschuldig, dass es ihm in diesem Moment wie Schuppen von den Augen gefallen war: Sie hatte keinen Schimmer, wer vor ihr saß. Kurz überlegte er, ob sein Ego beleidigt sein sollte. Dann überkam Nate ein ungewohnt angenehmes Gefühl: Er hatte mit dieser zauberhaften Frau die einzigartige Chance, nur um seiner selbst willen gemocht zu werden. Mit einer solchen Möglichkeit hatte er, seit er im Fokus der Medien und seiner Fans stand, nicht mehr gerechnet.

      Bevor er vor etwa drei Jahren ins Kinofach wechselte, trat er in der Rolle des umschwärmten Oberarztes Dr. Moss in der HBO-Krankenhausserie Medical Statement auf. Im Laufe dieser Zeit war er mehr und mehr ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Er erhielt Fanpost von zumeist weiblichen Fans aus aller Welt. Anfangs hatte er diese Aufmerksamkeit genossen und versucht, jeden einzelnen Fanbrief und jede Facebook-Anfrage persönlich zu beantworten. Als er vor etwa eineinhalb Jahren Opfer einer unglaublich penetranten Stalkerin geworden war, die eines Nachts nackt in seinem Schlafzimmer gestanden und hysterisch gekreischt hatte, sie wollte ein Kind von ihm, war sein Enthusiasmus für die Fans allerdings merklich abgeebbt. Mittlerweile twitterte eine Agentur für ihn.

      Sein älterer Bruder Colin, der mit seiner „ernsthaften“ Kunst zu Ruhm gekommen war, hatte für Nates Fernsehbekanntheit nur ein amüsiertes Schnauben übrig.

      Nate selbst hatte sich seine Schauspielkarriere auch ernsthafter vorgestellt. Immerhin besaß er ein Diplom der Royal Scottish Academy of Music and Drama, wo er in Glasgow seine Ausbildung gemacht hatte. Bei seinem Aussehen blieb es nicht aus, dass amerikanische Casting-Agenturen recht bald auf ihn aufmerksam geworden waren.

      Schotten und auch Iren waren im amerikanischen Fernsehen anscheinend sehr begehrt. Vielleicht lag es auch daran, dass er zur Aufbesserung seiner Einkünfte neben seinem ersten Engagement an einer kleinen Bühne in Edinburgh als Unterwäschemodel seinen durchtrainierten Oberkörper vor der Kamera präsentiert hatte.

      Bei seiner ersten Einladung nach L. A. hatte er verblüfft sein Sixpack im Megaformat auf den großen Werbetafeln, die die Straße vom Flughafen säumten, registriert. Ihm war bis dahin nicht bewusst gewesen, dass sein Konterfei und sein Oberkörper am anderen Ende der Welt bereits zu Ruhm gekommen waren. Die Freunde in Edinburgh wollten es dann auch erst glauben, als Nate ihnen ein Foto vom North Beverly Drive schickte, auf dem sein halbnackter Körper die gesamte Hauswand eines Kaufhauses einnahm.

      Er hatte sich nicht verkneifen können, die Nachricht mit „Size does matter“, „Größe spielt eine Rolle“, zu betiteln. Sein guter Freund Stuart, ein begnadeter Webdesigner, hatte Nate das Foto damals postwendend verfremdet zurückgeschickt. Nate hatte fassungslos schmunzelnd auf die überdimensioniert aufgeblasenen Lippen gestarrt. Bei seiner schottischen Clique trug er fortan den Spitznamen „Bigmouth“, „Schwätzer“.

      Seit seiner Ankunft in L. A. hatte seine Karriere so rasant an Fahrt aufgenommen, dass Nate manchmal nicht hinterherkam. Neben der Krankenhausserie spielte er in kleineren Nebenrollen mehrerer Kinofilme. Letzten Sommer hatte er dann die begehrte Hauptrolle in der Neuverfilmung des Achtzigerjahre-Filmhits Highlander ergattert. Highlander-Resurrection hatte vor zwei Tagen Weltpremiere in New York gefeiert, und seitdem stand Nates Leben kopf.

      Er lächelte. Sollte er Salomé erzählen, dass er extra für diesen Abend das gesamte Lokal gebucht hatte?

      Nate hätte es auch bevorzugt, im Stimmgemurmel anderer Gäste mit ihr zu speisen, als recht verlassen in dem kleinen Lokal. Solche Normalität war ihm leider nicht mehr vergönnt.

      Es wunderte Nate, dass Zaza überhaupt nichts von dem Starrummel um ihn mitbekommen hatte. Seit Wochen waren die Zeitungen, Plakatwände und Busse voll von seinem Konterfei. Selbst auf dem Weg hierher waren sie an einigen Plakaten mit seinem Bild vorbeigefahren.

      Zugegeben, er sah auf dem Filmplakat anders aus als in natura. Er war als archaischer Krieger mit piktischer Körperbemalung und zottigen, geflochtenen Haaren abgebildet, der vor seiner glänzenden nackten Brust eine Streitaxt und einen schottischen Dolch kreuzte. Wie konnte es sein, dass eine so intelligente Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben stand und eine Position bekleidete, in der jeder Vorsprung an Information zählte, ihn nicht kannte? Was wohl passieren würde, wenn sie realisierte, dass er ein Kinostar war?

      Nate wollte es zu gerne herausfinden.

      Sie redeten über dies und das, und Nate genoss es, mit dieser schönen, klugen Frau zu reden. Sie schien über viele Themen fundiert informiert zu sein. Merkwürdig, dass Boulevardthemen davon gänzlich ausgeklammert waren.

      „Liest du überhaupt keine Zeitung, Zaza?“

      Salomé bedachte ihn mit einem spöttischen Blick.

      „Selbstverständlich lese ich Zeitung, Nate. Weshalb fragst du? Ich verfolge online die großen Nachrichtenanbieter. Im Büro steht mir zudem täglich eine Auswahl an großen nationalen und internationalen Tageszeitungen zur Verfügung.“

      Nate krauste die Nase.

      „Und die liest du alle von vorne bis hinten durch?“

      „Nein, natürlich nur die Teile, die mich interessieren und die für meinen Job wichtig sind. Hauptsächlich Finanzen und Weltpolitik.“

      „Und den Kulturteil? Boulevard, Feuilleton?“

      Salomé senkte verlegen den Blick.

      „Ja, weißt du, ich habe bei meinem Zeitplan morgens genau zwanzig Minuten, um alle Meldungen des vergangenen Tages zu scannen. Dann beginnen die Meetings. Zu mehr ist keine Zeit. Es sei denn, ich muss abends zu einem kulturellen Event. Meine Assistentin Keira stellt mir morgens ein Portfolio an gezielten Informationen zusammen.“

      „Gehst du nie ins Kino? Oder ins Theater?“

      Salomé räusperte sich. Dann schüttelte sie den Kopf.

      „Ich habe dafür einfach keine Zeit“, flüsterte sie, während sie ihre Stoffserviette glatt strich.

      Ihre Verlegenheit rührte eine Saite in seinem Inneren, und er hätte gerne in diesem Moment ihre Hände in seine genommen.

      „Und wenn du an einem Kiosk Zeitschriften kaufst … da fallen dir doch sicherlich die Cover der Boulevardblätter auf?“

      „Ich kaufe keine Zeitschriften an Kiosken, Nate. Das macht, wenn überhaupt, Keira. Außer in meinen Ferien in Frankreich ...“ Ihr Blick schweifte ab.

      Zu gerne hätte Nate gewusst, was ihr gerade eingefallen war.

      „Klatsch interessiert mich nicht besonders. Mein Bruder Philippe ist auch schon Opfer dieser Schmierfinke geworden … gerade noch in diesem Sommer.“ Sie verzog geringschätzig das Gesicht. „Das ist wirklich etwas, worauf ich verzichten kann.“

      Das konnte Nate sehr gut verstehen.

      „Fernsehen wirst du doch sicherlich ab und an?“

      „Was soll eigentlich diese ganze Fragerei über meinen Medienkonsum? Arbeitest du nebenher noch für ein Marktforschungsinstitut? Vielleicht solltest du mehr Energie auf deine Schauspielkarriere verwenden.“

      Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm mit einem breiten Grinsen zu verstehen, dass sie ihn foppen wollte.

      „Davon abgesehen: Ja, ich schaue fern, vor allem, wenn ich Sport treibe. In meinem Sportstudio bieten sie alle Nachrichtenkanäle an, wo ich regelmäßig Börseneinschätzungen und Marktentwicklungen verfolgen kann.“

      Sie grinste schief. Ihr war bei dieser Aufzählung offenbar selbst bewusst geworden, wie sehr sie sich auf nur ein Thema, nämlich Wirtschaft, konzentrierte. Wie, um sich

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