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      Nate konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

      „Aye, du hast recht. Wir sind ganz schön verschieden, was das angeht. Ich lese eher den Gesellschaftsteil der Zeitung, und meine Agentin schickt mir tonnenweise Zeitschriften, die sich ausschließlich mit Klatsch und Tratsch beschäftigen.“

      Konnte das sein? Bestand ihr ganzes Leben nur aus Banken, Marktanalysen und Finanzen? Was machte sie in ihrer Freizeit? So, wie es klang, hatte sie sowieso kaum Freizeit, wenn sie sich noch beim Sport mit Wirtschaftsthemen beschäftigte.

      „Du bist ein seltenes Geschöpf, Zaza“, stellte Nate fest, gab endlich dem Drang nach und legte seine Hand auf ihre.

      ABSERVIERT

      Salomé durchzuckte es wie ein Blitz. Nates Hand wieder auf ihrer zu spüren, erfüllte sie in der intimen Atmosphäre des Restaurants mit einer Hitze, die sich von ihren Fingern über ihren Bauch bis in ihren Unterleib zog. Das Bild, das sich einem Außenstehenden – wenn es denn einen gegeben hätte – bieten musste, entsprach ihrer urtümlichsten Vorstellung eines romantischen Rendezvous. Erst die rote Rose und jetzt das. Fehlte nur noch der Stehgeiger. Das kitschbedürftige Mädchen in Salomé schmolz förmlich dahin. Gleichzeitig erschreckte sie das Gefühl, total die Kontrolle zu verlieren. Sie wollte diesen Mann.

      Jetzt.

      Für immer.

      Geschockt über ihre Gedanken, entschied sie, diesem Gefühl auf gar keinen Fall nachzugeben. Das letzte – das einzige – Mal, als sie so intensive Gefühle gehabt hatte, war sie fürchterlich verletzt worden, und das saß immer noch tief.

      Salomé fühlte Nates Hand weiterhin auf ihrer. Sein Daumen streichelte jetzt zart ihren Handrücken, und sie spürte noch etwas anderes als die Hitze des ersten Moments: Das Gefühl von Geborgenheit, das diese Berührung in ihr auslöste, verwirrte sie aufs Neue. Wieder war seine Berührung ganz selbstverständlich. Er ließ ihr überhaupt keine Chance, sich unwohl zu fühlen. Sollte sie sich denn unwohl fühlen?

      Salomé war verwirrt. Eigentlich war sie mit sich sehr zufrieden, stolz auf das, was sie aus eigenem Antrieb erreicht hatte. Aber wenn jemand wie Nate heute Abend bohrte und nach ihrem Privatleben fragte, verunsicherte sie das. Es wirkte in ihren eigenen Ohren furchtbar fad, wie wenig sie am Leben teilnahm oder Dinge tat, die für andere ganz selbstverständlich waren. Lediglich die Aufenthalte in Frankreich, in denen sie ihr lebensfrohes Wesen zeigen konnte, hielten Salomé davon ab, sich selbst für eindimensional und uninteressant zu halten.

      In New York war sie auch eher Salomé als Zaza. Allein, dass Nate sie mit ihrem Spitznamen, den ihr Philippe als Kind verpasst hatte, ansprach, verwischte die scharfen Grenzen zwischen ihren beiden Welten. Wie lange würde sie diesen Wechsel ihrer Persönlichkeiten, diese – Wie hatte es Julia genannt? – Dr. Jekyll-und- Mister-Hyde-Nummer in ihrem Leben noch durchziehen? Vielleicht war heute Abend die Gelegenheit, gar nicht erst wieder in ihren besessenen New-York-Trott zu verfallen? Die schönen Seiten des Lebens auch hier in dieser großartigen Stadt öfter zu genießen. Ihr kam eine Idee.

      „Hast du Lust, im Anschluss in den Central Park zu gehen? Meine Assistentin Keira hat mir erzählt, dort findet heute Abend ein Open-Air-Konzert der Metropolitan Opera statt. Die New Yorker picknicken auf der großen Wiese zu den Opernarien. Die Atmosphäre soll ganz toll sein ...“ Sie stockte, als sie Nates panisches Gesicht sah. Opern waren anscheinend nicht sein Ding.

      „Zaza, das hört sich toll an. Aber wenn es dir recht ist, würde ich Menschenaufläufe gerne vermeiden.“ Nate schaute auf seine Armbanduhr.

      Salomé runzelte enttäuscht die Stirn und überlegte, ob er sie langweilig fand. Wahrscheinlich wollte er den Abend rasch beenden, und sie hatte ihn mit ihrem Vorschlag in die Ecke gedrängt. Oh Gott, wie peinlich! Aber warum hielt er dann immer noch ihre Hand?

      „Zaza, leider muss unser Abend zu zweit gleich enden.“

      Salomés Kehle wurde enger, und sie setzte sich gerader hin. „Wie bitte?“

      Nate musterte irritiert ihr sicher verwirrt aussehendes Gesicht.

      „Oh nein. So war das nicht gemeint. Es war nicht geplant, aber mein Bruder weiß, dass ich in der Stadt bin. Er hat heute Abend eine Vernissage und war schon zu Tode beleidigt, weil ich nicht kommen konnte. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, später noch vorbeizuschauen. Wäre das okay für dich, mit mir dorthin zu gehen?“

      Erleichterung durchflutete Salomé, und sie stieß die Luft aus, die sie unwillkürlich angehalten hatte. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Sie war noch nicht so weit, sich von ihm zu trennen. Obwohl sie ihn erst zum zweiten Mal gesehen hatte, empfand sie eine unglaubliche Nähe zu ihm. Diese starke Anziehung verwirrte sie, war aber gleichzeitig zu aufregend. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, jetzt alleine in ihr leeres Apartment zurückzukehren.

      „Colin ist auch in New York? Ich würde mich freuen, ihn wiederzutreffen, und seine Bilder gefallen mir. Wo stellt er aus?“

      Nate strahlte sie an und verstärkte den Druck seiner Hand.

      „Nicht weit entfernt. Eine angesagte Galerie in der Spring Street.“ Er erhob sich und zog sie aus dem Lokal, während er dem freundlichen Kellner zum Abschied zunickte.

      „Müssen wir nicht erst zahlen?“, flüsterte Salomé.

      Nate schaute sie mit diesem wissenden Schmunzeln an und schüttelte den Kopf. „Habe ich bereits.“ Er setzte sich das Basecap wieder auf.

      „Ich muss dieses Lokal unbedingt weiterempfehlen. Das Essen war so exzellent. Die haben es nicht verdient, keine Kundschaft zu haben.“

      Nates Grinsen verstärkte sich, während er ihr die Tür aufhielt. Der Wagen, mit dem sie gekommen waren, wartete vor dem Lokal. Sie stiegen ein, und Nate ergriff wie selbstverständlich wieder Salomés Hand.

      Während der Fahrt plauderten sie entspannt über Colins Bilder. Seine Kunst war auf Porträts konzentriert, die so fein gezeichnet waren, dass sie wie fotografiert wirkten. Durch die Verwendung von ungewöhnlichen Farbkombinationen entstand ein subtiler Effekt, der den Betrachter anrührte.

      Nate berichtete, wie lange Colin als erfolgloser Künstler in Paris in einer Kommune gewesen wäre, bevor er diesen einzigartigen Stil gefunden hätte, und beide lachten herzlich über das Klischee des armen Malers. Mit Leidenschaft erzählte Nate von seinen Besuchen in Paris und bei der verrückten Künstlerclique. Er hatte eine fesselnde Art, wenn er sprach.

      Salomé wäre spätestens jetzt darauf gekommen, dass er Schauspieler sein musste. Seine tiefe Stimme und die deutliche Artikulation, die die verschiedenen Stimmen und Stimmungen perfekt modulierte, faszinierten sie. Sie hing an seinen Lippen und war sich ihres nackten Oberarms, der jedes Mal, wenn sich Nate zu ihr neigte, seinen warmen Körper streifte, mehr als bewusst. Und er neigte sich oft zu ihr hin.

      Sie fühlte sich so, wie sie sich noch nie in New York gefühlt hatte, obwohl sie bereits drei Jahre hier war: lebendig und schön. Dieses Gefühl war ansonsten ihrem zweiten Leben an der Côte d’Azur vorbehalten gewesen. Lächelnd blickte sie auf die vorbeirauschenden Lichter dieser beeindruckenden Stadt und genoss das aufgeregte Rieseln in ihrer Brust. Zum ersten Mal konnte sie die Begeisterung der Menschen für diese Stadt wirklich nachvollziehen.

      Der Wagen stoppte vor einem Fabrikgebäude in SoHo. Nate legte seine Hand auf Salomés unteren Rücken, während er sie durch die große Glastür in den Ausstellungsraum schob. Die zarte Berührung beschleunigte ihren Herzschlag.

      Trotz der späten Stunde tummelte sich eine illustre Gästeschar zwischen Colin Hamiltons raffiniert beleuchteten Bildern. Musik und fröhliches Stimmengewirr drangen bis zur Tür, und die Stimmung schien auf dem Höhepunkt zu sein. Unglaublich gut aussehende Männer und Frauen prosteten sich gegenseitig zu und schienen sich blendend zu amüsieren. Offenbar war Colin begehrter, als Salomé angenommen hatte, denn einige Gesichter kannte sie aus ihrem Banken- und Charityumfeld.

      „Ah,

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