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sein, für mich als ehemaligen Filmstudenten war so ein Ergebnis auf Dauer ziemlich frustrierend.

      Aber was soll ich machen? Job ist Job und Wurst ist Wurst und stumpf ist sowieso Trumpf.

      Bis also eine der sogenannten Spielszenen dran war, machte ich mich in der Regel unsichtbar und frönte einem meiner Lieblingshobbys, dem ungehemmten Drogenkonsum. Denn eigentlich war diese Arbeit nur stoned zu ertragen.

       Ich schloss die Toilettentür hinter mir und schniefte zwei fette Prisen Koks, für jedes Nasenloch eine, aus meinem kleinen, fein ziselierten Silberdöschen.

      Zeit für ein wenig kreative Innenschau. All der Schrott, der mir den ganzen Tag schon durch den Kopf geisterte und für den ich auf dem Pornoset keinen Ansprechpartner fand, wollte schließlich irgendwohin, er verlangte nach einem Platz in meinem Leben. Was gab es da besseres, als so richtig schön zugedröhnt, mein Tagebuch zu zücken. Es war ohnehin der Gesprächspartner, der mir am liebsten war. Es konnte zuhören.

      1.4 Mein Tagebuch / 1

       In letzter Zeit

       fühle ich mich oft so schrecklich antriebslos. Es fällt mir schwer, mich zu motivieren, mir vorzumachen, dass ich mich als Pornoregisseur auf der Gewinnerseite der Gesellschaft befinde. Tief in meinem Inneren fühle ich, dass ich eines Tages einen hohen Preis für all meine faulen Kompromisse bezahlen werde.

       In den kurzen klaren Momenten, die ich zwischen meinen durch Drogen und Sex bedingten Höhenflügen habe, sehe ich eine Art Damokles-Schwert über meinem Kopf pendeln, das jedes Mal, wenn ich es wahrnehme, noch größer und schärfer geworden zu sein scheint. Dann rollt diese schwarze Flutwelle namens Depression auf mich zu und ich ziehe den Kopf ein, stecke ihn in einen klebrigen Treibsand, der sich aus dem Wunderheiler Alkohol, diversen Drogen und kurzen, uniformen Affären mit beliebigen Frauen zusammensetzt.

       Den Alltag der Pornodrehs kann ich inzwischen nur noch ertragen, indem ich mich hinter einer Maske aus beißendem Zynismus verstecke. Ich spritze mein Gift in die Welt und verkaufe es meinen Mitmenschen als schwarzen Humor. Wenn auch das als Puffer zwischen mir und der Welt nicht mehr ausreicht, feiere ich eben krank. Und dann geht es erst richtig bergab. Vollgas und ungebremst hinein in einen watteweichen, zeit- und uferlosen Dämmerzustand. Hauptsache, ich bin frei von Gedanken und lästigen Zweifeln. Neben den üblichen, multidrogiden Exzessen hilft mir dann eine gelegentliche Überdosis Schlaftabletten, mich in ein emotionsloses, graues Nichts zurückzuziehen. Auszeit zu nehmen von mir und der Welt.

       Aber auch das schützt mich nicht vor den abgründigen Träumen, die klammheimlich in mein schwammiges Bewusstsein dringen. Nachts marschieren regelmäßig nackte Frauen in einem schier endlosen Gänsemarsch an meinem Bett vorbei. Frauen, die keine Hände mehr haben, sie sind ihnen abgehackt worden. Stumm treten sie nacheinander vor mich hin, flehen mich mit gequälten Blicken an und strecken mir ihre blutigen Armstümpfe entgegen. Bevor ich entsetzt hochschrecke, höre ich mich selbst im Halbschlaf weinend um ein Ende des grauenvollen Reigens flehen.

       „Ich kann euch nicht helfen. Ihr müsst euch selber helfen.“

       Ein schmerzhaftes Stechen in der Brust weckt mich dann ganz und ich habe jedes Mal wahnsinnige Angst vor einem Herzanfall, richtige Todesangst. Bis zum Morgengrauen bleibe ich wach und fürchte mich davor wieder einzuschlafen, von meiner bleiernen Müdigkeit erfasst und zurückgetragen zu werden in jene grauenvollen Folterkeller, dort unten im Land meiner Albträume.

      1.5 Ernüchterung

       Das Zauberpulver

      hatte den euphorisierenden Effekt auf meine Stimmung leider schon wieder verloren. Deshalb legte ich eine extralange Line nach. Bei all dem Gestöhne und dem hektischen Klatschen von Fleisch auf Fleisch war es zwar ziemlich unwahrscheinlich, dass jemand vom Team nebenan etwas mitbekam, ich zog mir das Koks aber trotzdem möglichst leise rein.

      Pornosets sind zwar naturgemäß keine Orte, an denen Enthaltsamkeit gepredigt wird, die meisten hauen sich irgend welche Muntermacher rein, um bei Stimmung zu bleiben, aber mein Drogenkonsum war meine Privatsache und ging niemanden etwas an. Vielleicht war der eigentliche Grund für meine Heimlichtuerei, dass ich befürchtete, es hätte meine Autorität untergraben, wenn die anderen gewusst hätten, was für Junkie ich hinter meiner coolen Kulisse war.

      Ein Regisseur, den keiner mehr für voll nimmt? Dann wäre das Chaos ausgebrochen, und chaotisch waren die Pornodrehs ohnehin schon genug.

      Wie auch immer, der Stoff kreiste wieder hochdosiert durch meine Blutbahnen und mein kreativer Drive kehrte schlagartig zurück.

      1.6 Mein Tagebuch / 2

       Die Frequenz

       meines Konsums schnellt in letzter Zeit unkontrollierbar in die Höhe und das High auf Knopfdruck nutzt sich immer mehr ab. Der sündhaft teure Stoff trägt immer weniger zu meiner Entspannung bei, im Gegenteil, er scheint meine Ängste sogar noch zu schüren. Neben dem erwünschten wohligen, leicht beschwingten Entspannungszustand überfällt mich neuerdings eine hochgradige Nervosität, als mache ein ganzer Ameisenstaat meine Nervenbahnen unsicher und spiele auf ihnen Fangen. Zwei extreme Impulse, gleichzeitig und gegenläufig, ein gelähmter Supermann.

       Ich steigere mich in paranoide Zukunftsvisionen hinein, erwarte geradezu, dass ein weiteres apokalyptisches Vorzeichen hinter der nächsten Ecke auf mich lauert. Zum Beispiel dieser seltsame Spruch, den ich neulich beim Asia-Imbiss aus dem Glückskeks zog.

       Wer sich mit herzlosen Menschen umgibt, dessen Herz wird im Laufe der Zeit auch steinhart werden.

       Hardcore, Hartherz.

       Mir verging schlagartig der Appetit und ich musste den Schnellimbiss fluchtartig verlassen. Meinen erstaunten Kollegen von der Pornofront, nannte ich als Grund für meinen überhasteten Aufbruch irgendeinen fadenscheinigen Vorwand. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, ihnen reinen Wein einzuschenken. Allein die Befürchtung, für verrückt erklärt zu werden, hielt mich davon ab.

       Dabei war es doch klar wie Kloßbrühe.

       Hardcore, Hartherz. Ein verschlossenes Herz. Ein Herz aus Stein.

       Das war doch bestimmt ein Zeichen, ein schlechtes Omen.

       Ich bin zum heimlichen Sammler geworden, wie besessen horte und verwalte ich einen komplexen Fundus aus kryptischen Botschaften und düsteren Träumen. Um eventuelle Parallelen und Muster sofort zu erkennen, sortiere ich dieses Puzzle täglich neu und versuche manisch, es zu einem vollständigen Bild zusammenzusetzen.

       Eine Frage, die mich im Moment vordringlich beschäftigt, ist die, ob es möglich ist, die eigene Seele zu verkaufen und ob sie tatsächlich existiert, diese ominöse Seele.

       Was passiert denn mit einem, der keine Seele mehr hat? Fehlt dem dann etwas? Stirbt man daran? Und wer zur Hölle, kauft eigentlich all diese Seelen?

      1.7 Die Arbeit ruft

       Ich starrte

      auf die Zeilen. „Seele verkaufen“, eine echt kranke Fantasievorstellung...

      Manchmal war ich beim Schreiben wie in Trance. Kein Wunder bei all dem Stoff, der 24 Stunden am Tag durch meine Blutbahnen zirkulierte.

      Noch einmal zog ich mir den Kunstschnee

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