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Hure nach Paradise City und holst William ab.«

      Frank Brown schob sich vor die Mündung. »Robert«, mahnte er ruhig, seine Bibel vor die Waffe hebend, »Du kannst William nicht durch Tobsucht ersetzen. Und schon gar nicht durch das Blut der Kleinen.«

      Robert White schluckte und atmete genervt. Dann hielt er seinem Adjutanten den Revolver gegen die Brust. »Wen muss ich abknallen, damit sich mein kochendes Blut beruhigt?«

      »Bruder!« Sam White, ein schmächtiger, kurzgeratener Kerl mit jungenhaften Zügen und ohne den obligatorischen Schnauzbart, ging dazwischen. »Wir können diese Stadt nicht überfallen, aber wir können sie abschneiden.«

      »Rede weiter, Rusty.«

      »Wir schaffen keine 100 Meilen, aber 50. Und dort warten wir auf die Postkutschen oder Geldtransporte.«

      Ein Grinsen zeichnete sich auf Robert Whites Gesicht ab. »Ganz mein Geschmack.«

      »Williams Verlust darf nicht ungesühnt bleiben«, schaltete sich Frank Brown wieder ein. »Eine kleine Lektion dürfte Paradise City wieder das Fürchten lehren, da sie es offenbar abgelegt hat.« Er positionierte die Bibel erneut vor den Lauf, der gegen seine Brust zielte.

      »Wir schneiden sie ab«, nahm Robert White aufgeregt den Faden auf, »hungern sie aus, zermürben sie und tauschen diese kleine Hure gegen William.«

      »Ist er im Kittchen oder im Knochengarten?«, wollte Sam White wissen.

      »Das weiß ich nicht«, fauchte Robert White mit Blick auf Emma Mayor, die sich eingeschüchtert einigelte. »Aber deine Idee gefällt mir, Rusty«, und er schrie: »Aufsatteln!«

      Nach ungefähr 50 Meilen westwärts stoppte der Tross aus 14 weißen Pferden mit 13 vermummten Männern und einem verzurrten Mädchen an einsamen Eisenbahnschienen mitten im trockenen Tal, sporadisch umzingelt von rauen Felsformationen und einzelnen Wacholderstämmen sowie Pinienbäumen, die sich mit tiefen Wurzeln, hartem Holz und dünnem Grün gegen die Trockenheit wehrten.

      Bis auf Jesse Periwinkle, der den kürzeren Stab zog und die Farm bewachen musste, war die komplette Bande on the road.

      Robert White schaute in beide Richtungen, die ihm meilenweite Eisenträger in endloser, vegetationsarmer Wildnis zeigten, wie ein Fremdkörper in unberührter Ödnis. Als Einziger trug er ein weißes Halstuch, das nun durch den Ritt verschmutzt war, genau wie seine weiße Augenklappe. Die anderen hatten dunkle Halstücher vorm Gesicht, was sie vor Staub schützte, wie die Lederschutzhüllen, die ihre Waffen schützten.

      »Planänderung!«, rief er seinen Männern zu und steuerte sein Pferd mitten auf die Gleise, wo er stehen blieb.

      Sam White trabte an ihn heran. »Bruder, was hast du vor?«

      »Ich habe keine Lust auf Kutschen. Ich will einen Zug!«

      Sam White stierte in die Ferne, hoch zur kochenden Sonne im Zenit über ihnen, zur durstigen Bande, zu den erschöpften Pferden und zu seinem verrückten, älteren Bruder. »Hier gibt es keinen Schatten«, er wischte sich den Schweiß unter der Hutkrempe von der Stirn und zog sein Halstuch nach unten, um besser atmen zu können. »Kennst du den Fahrplan der Pacific Salt Lake Railroad?«

      »Irgendwann wird einer kommen«, erwiderte Robert White überzeugt.

      Sam White knaupelte auf seiner spröden Lippe herum. »Was, wenn dieses Irgendwann schon war und erst wieder heute Abend sein wird, wenn wir verbrannt im Staub liegen, unter unseren Gäulen?«

      Plötzlich ein hupendes Pfeifen aus der Ferne. Jeder blinzelte zum Ursprung. Wenige Minuten später erschien eine Rauchsäule in der Verlängerung der Schienen, die irgendwo in der Weite in ein konturloses Flimmern übergingen.

      Unter dem dreckigen Halstuch grinste Robert White dreckig. »Hast du immer noch kein Vertrauen in mich, Rusty? Was muss ich tun, damit du dein Bruderherz als das siehst, was er ist: der größte Bandit aller Zeiten? Habe ich euch jemals enttäuscht oder im Stich gelassen? Sieh dir meine White Horses an! Wir sind hier das Gesetz!«

      Sam White zog sein Halstuch vors Gesicht. »Wollen wir nicht«, er sah sich um, nichts als karge Landschaft, nichts was man für eine Barrikade hätte verwenden können, um den Zug zum Stoppen zu zwingen oder gewaltsam zu entgleisen, »etwas anderes auf die Gleise legen?« Die weiter entfernten Pinienbäume und Wacholderstämme benötigten Schlagwerkzeug zum Fällen oder wenigstens Schaufeln, um die Bäume auszugraben und dann mit Pferdestärke zu entwurzeln. Das würde Zeit und Kraft kosten.

      Robert White musterte seinen Bruder, wonach sein Auge auf Emma Mayor fiel. »Du hast Recht, Rusty. Wer sollte die White Horses führen, wenn der Lokführer nicht bremst?« Er zeigte auf den vermummten Frank Brown, der Emma Mayor bewachte, zeigte auf Emma Mayor und knickte seinen Zeigefinger mehrmals ein.

      Frank Brown schüttelte den Kopf, ganz sachte, damit sein Protest nicht von den anderen wahrgenommen wurde. Aber Robert White blieb eisern. Das Schieflegen seines Hauptes und das Zusammenziehen des Auges genügten, um Frank Brown samt Geisel zu den Gleisen zu zitieren.

      »Um Gottes Willen«, murmelte er beim Anführer, wo lediglich noch Sam White Wind davon bekam. »Robert, du kannst doch nicht-«

      »Halt die Luft und die Klappe!«, herrschte Robert White ihn an, übernahm Emma Mayors Seil und schickte Frank Brown sowie seinen Bruder zurück in die Reihe.

      »Endlich hast du einen Nutzen, kleine Hure.« Er zog das Seil zu sich, wodurch Emma Mayors Pferd zu ihm auf die Gleise schritt. Danach stieg er ab und band das Seil an eine der hölzernen Schwellen. Emma Mayor war ohnehin am Sattel festgebunden. Sie starrte ihn ängstlich an.

      Er stieg wieder auf, näherte sich ihr und strich ihre Haare hübsch zurecht. Folgend nahm er seinen Revolver aus der Tasche.

      »Wenn du versuchst, zu türmen, knalle ich dich ab, verstanden?«

      Emma Mayor nickte eilig.

      Zum Abschied streichelte er William Emeralds Pferd noch einmal, lehnte sich zu dem Tier und flüsterte: »Keine Sorge, Whitey, die Sicht ist klar, der Zug wird rechtzeitig bremsen.«

      Aufgereiht wartete die Bande auf die näherkommende Eisenbahn. Man konnte die schnaufende Dampflokomotive schon sehen, inklusive der gezogenen Waggons.

      »Nächster Halt: Paradise City, oder doch nicht?«, kalauerte Tom Black, der an Robert Whites linker Flanke stand, den Schaffner nachäffend. Ein Zittern brandmarkte ihn: Hände und Finger hielten nie still; der Kopf zuckte wie ein pausenlos ballernder Trommelrevolver.

      An der rechten Flanke verweilte Henry Gray mit Augen, die einem Wahnsinnigen gehören könnten. »Was machen wir mit den Weibern?«, fragte er aufgegeilt. Speichel wurde vom Halstuch aufgesaugt.

      »Beruhigt euch«, sagte Robert White nicht ganz so ernst. »Wir werden unseren Spaß haben. Aber das Wichtigste ist, dass diese elende Hurenstadt meinen Zorn zu spüren bekommt.«

      Ein paar Meilen vor Emma Mayor hupte der Zug mehrfach, gefolgt von Gewehrschüssen, die die Lokführer und Heizer in die Luft abgaben.

      Robert White lachte sadistisch und sardonisch.

      Frank Brown rieb über das Leder seiner Bibel.

      Als sich nichts tat, hörte man die Bremsen quietschen, die den fahrenden Zug allmählich in den Stillstand brachten. Funken flogen; Rauch hüllte die Fahrwerke ein. Emma Mayor schloss verängstigt die Augen und murmelte Gebete.

      Ein paar Yards vor ihr kam der Zug zum Stehen. Aus den Kesseln stoben Dampfwolken heraus. Die Eisenräder glühten. Im nächsten Moment ragten mehrere Gewehrläufe aus den dreckverschmierten Fenstern der Lokomotive heraus, gerichtet auf die Reihe weißer Reiter.

      Robert White ritt gemächlich den Läufen entgegen. Seinen Revolver hatte er wieder weggepackt. Sein Halstuch schob er hinunter. Man sollte ihn und seinen Schnauzbart sehen.

      »Guten Tag, die Herren!«, rief er von seinem Sattel in das Führerfahrzeug hinein. »Entschuldigen Sie die Störung, aber wir kriegen den sturen Esel nicht von der Strecke.«

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