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Pferdemist, Zündrauch, Eisen, Whiskey, Schweineblut.

      »Dann will ich genauer werden, Gringo. Wieso reitet mir eine kleine Hure in die Arme, auf Williams Pferd, gefolgt von einem John, der weder Soldat noch Marshal ist, aber ein brandneues 1886er-Winchester bei sich führt?«, deutete Robert White neidisch auf den Pferdesattel, an dem das Gewehr verschnürt war und aus der Schutzhülle blitzte, um schneller darauf zugreifen zu können.

      »Gutes Auge«, scherzte John.

      Robert White setzte fort: »Mit einem Ross, so groß und muskulös und schwarz, wie ich es noch nie sah?« Er machte eine Geste mit dem Finger, wonach sich ein paar Männer zu beiden Seiten neben John postierten. Alle Männer trugen dunkle Halstücher vor Mund und Nase, und die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen, dass weder Mondschein noch Sternenlicht Glanz in den Pupillen erzeugen konnten.

      »Gib mir Ross samt Gewehr und du kannst gehen«, offerierte Robert White. »Ich werde diese kleine Hure nicht fragen, warum sie auf Williams Pferd ritt. Ich werde sie töten und den Schweinen zum Fraß vorwerfen, William vergessen und auf dem schwarzen Ross die neugegründeten Black Hogs anführen. Du wärst ein freier Mann.«

      »Wie frei kann ein Mann sein, ohne Pferd und Gewehr?«

      Robert White lächelte dünn. »Dein Leben hat seinen Preis.«

      Emma Mayor bäumte sich gegen Knebel und Fesseln auf, konnte aber nicht mehr als einen stummen, kindlich weiblichen Laut erzeugen. Einer der Whiteman hielt sie fest.

      Robert White breitete die Arme aus. »Oder wir kommen auf mein erstes Angebot zurück und ich darf dich als neues Mitglied begrüßen.«

      »Wieso bist du dir so sicher, dass ich dich nicht von hinten erschieße, wenn ich die Gelegenheit bekomme?«, brummte John.

      Robert White warf den Kopf in den Nacken, mit dem Blick in den Nachthimmel, und prustete laut los – vor allem Emma Mayor zuckte zusammen. »Ein Schalk fehlt mir noch in meiner Truppe. Kannst du auch Tanzen oder Feuerspucken?«

      »Ich kann das hier«, baute John Spannung auf.

      Er schnalzte, als er seine Zunge am oberen, harten Gaumen abstieß. Wie vom Blitz getroffen, trat sein Percheron nach hinten aus und erwischte ein paar Banditen, dann donnerte er los, rannte Robert White um und ließ John aufspringen, der sich mit ein paar Kugeln den Weg freischoss. Die ersten Kontergeschosse folgten sogleich und trafen John im unteren, seitlichen Rücken. Er duckte sich auf seinen Percheron und gab ihm Sporen. Steinchen schleuderten hoch und wurden zu Hilfsgeschossen, die weiteres Gegenfeuer unterbanden.

      Irgendwann verlor John das Bewusstsein. In letzter Geistesgegenwart hatte er sich fest am Sattel vertäut, um nicht herunterzufallen.

      In den letzten Nachtstunden trabte sein schwarzer Percheron über die Gleise von Paradise City, bedacht darauf, dass die fragile Fracht nicht herunterplumpste. Das Tier hatte selbst kaum noch Kraft, steuerte aber zum Saloon Heaven Hell, in eine Nebengasse, wo es mit schier letzten Reserven wieherte und den Hufen scharrte. Nach mehrmaliger Wiederholung hörte man leise eine Kette über Holzboden schleifen und Kettenglieder aneinander klirren. Ein Fenster öffnete sich, im ersten Stock, wo schwarze Vorhänge den Tag aussperrten.

      Mademoiselle Mallory schaute heraus. Sie war kein Bleichgesicht, keine Negerin, kein Schlitzauge, keine Bohnenfresserin. Sie trug Narben im Gesicht, auf der Stirn, unter den Augen, am Kinn und am Hals, gemusterten Schlangenkörpern ähnlich, die sich kreuzten. Kunstvoll gezeichnete Narben, die keinem Zufall entsprungen waren. Ihre schwarzen Haare weilten unter einem Kopftuch, das der Handkunst eines mystischen, nomadischen, naturnahen Volkes entsprang. Ihre dunklen Augen strahlten geheimnisvolle Schönheit aus, als würde sich das Feuer der Hölle mit den Wolken des Himmels in einer alles verschlingenden, dunklen Dachshöhle bekriegen. Sie erkannte umgehend, welches Pferd den sonst krähenden Hahn unterbot und welche Fracht auf dessen Rücken flach atmete.

      »Sh«, machte sie flüsternd, »nicht zu mir, ich kann dir nicht helfen.«

      Der Percheron schnaufte erschöpft.

      Mademoiselle Mallory zeigte nach gegenüber, wo sich das Textilgeschäft befand, deren Besitzerin nicht nur Kleidungsstücke zusammennähen konnte.

      »Schaff ihn darüber. Ms. Taylor muss ihm helfen.«

      Sie verfolgte den schwächelnden Gang des Pferdes, selbst mit der Müdigkeit kämpfend. Als das neue Ziel erreicht war, schlüpfte sie zurück in ihr Verlies, bevor jemand sie sah und anschwärzte.

      Wieder spulte der Rappe die Signale ab, mit zitternden Knien. Zwischen Taylor‘s Clothes und Smith‘s Hardware, in einer engen Gasse, die kaum breit genug für die Schultern des Tieres maß.

      Claire Taylor kam herausgeschlichen, beruhigte den Percheron mit Streicheleinheiten und besah sich das menschliche Paket. Danach klopfte sie leise am Nebengebäude, das nach vorn hin als Smith‘s Hardware firmierte, ein Geschäft für Werkzeuge und Schmiedekunst. Milton Smith - ein alter, hinkender, sehniger Mann - öffnete nach ein paar Klopfversuchen.

      »Claire, mein Schatz, was ist los?«, fragte er besorgt seine Tochter im über das Nachthemd geworfenen Mantel.

      »Es ist John«, sagte sie.

      Die 2 manövrierten den Percheron weiter nach hinten, mit dem eigenen Kopf kaum über die Rückenlinie des großen Tieres blicken könnend. Anschließend hievten sie John aus dem Sattel, wobei dieser noch mit dem Schädel gegen die Holzwand des Hauses schlug. Wie sie den Verletzten in Claires Geschäft getragen oder vielmehr geschleift hatten, kümmerte sich Milton Smith um den Boten, schaffte ihn in die Werkstatt, versorgte ihn mit Heu und Wasser, und richtete einen Schlafplatz aus Stroh ein.

      Claire Taylor wässerte derweil Johns Kehle, bevor sie ihn entkleidete, um nach Verletzungen zu suchen. Im unteren Lendenbereich stieß sie auf eine Schussverletzung. Die Kugel steckte noch in ihm und hatte verhindert, dass er verblutete. Aber um einem Wundbrand oder einer Sepsis durch die bleierne Kugel vorzubeugen, musste das Geschoss entfernt werden. Um die Einschussstelle herum hatten sich Flecken und Blutschwämme gebildet.

      Milton Smith stieß hinzu. Während er John mit nassen Tüchern kühlte, mit dicken Decken wärmte und Kräuterstängel unter seiner Nase zerrieb, entfernte Claire Taylor mit alkoholgeschwängertem Klöppelgeschirr die Kugel aus dem Fleisch. Unmittelbar nach der Entfernung schüttete sie Whiskey in sowie auf die Wunde, kauterisierte die verletzten inneren Gefäße mit einem glühenden Eisendraht aus Milton Smiths Werkstatt, rieb eine ominöse Tinktur ein und klammerte die offene Hautpartie mit Stecknadeln. Anschließend umwickelte sie Johns Torso um die verwundete Stelle herum.

      »Das sieht nicht gut aus«, murmelte Milton Smith. »Wird er über den Schlangen bleiben?«

      Claire Taylor nickte und atmete schwer aus. »Aber das muss wieder zusammenwachsen. Reißt das auf, verblutet er.«

      »Wenn er seinen Widersacher nicht über den Haufen geschossen hat, wird es bald eine neue Schießerei geben.«

      »Es reißt auf und bringt ihn in den Knochengarten, bevor er abdrücken kann«, stimmte Claire Taylor missmutig ein.

      Beide schauten eine Weile traurig auf den schlafenden Patienten.

      »Ich will nicht noch einen Sohn verlieren«, murmelte Milton Smith.

      »Er ist nicht dein Sohn.«

      »Er ist wie ein Sohn«, verbesserte Milton Smith, »genau wie … « Er ließ den Satz unvollendet, aber Claire wusste, wen er meinte. Sie blickten sich an und gedachten dem vor einigen Jahren verlorenen Schwiegersohn und Ehemann – Clay Taylor.

      »Ich weiß noch, wie ihr zusammen nach Silber geschürft habt«, nickte Milton Smith auf den liegenden John. Ein kurzes Lächeln. »Zwei kleine Pimpfe, die sich gegenseitig übertrumpfen wollten. Am Ende war es Dreck, und trotzdem vergesse ich nie, wie stolz ihr darauf wart.«

      »Am Ende verlor John seine Eltern und ich meinen besten Freund«, ergänzte Claire Taylor bedrückt und nahm Johns kalte Hand. »Dieses verdammte Silber hat alles

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