Скачать книгу

schildert er ihr von seiner Scheidung und dass er mit den anderen ab Sonntag für mindestens eine Woche unterwegs sein wird.

      »Dann macht ihr also Männerurlaub. Das stell ich mir chaotisch vor, aber das wird bestimmt spaßig.«

      Schmunzelnd berichtet er ihr, dass es die Abschiedsfeier werden wird. Sie solle aber niemandem etwas davon erzählen. Er würde ihr voll und ganz vertrauen. Das könne er auch tun, schreibt sie zurück. Doch plötzlich verabschiedet sie sich mit den Worten: »Sorry, aber ich muss los, ich habe die Zeit total vergessen.«

      Schnell wünscht er ihr einen schönen Tag und fort ist sie. Gerade als er das Notebook wieder zuklappen will, fällt ihm auf, dass er ihre Nachricht noch gar nicht beantwortet hatte, auch im Chat nicht.

      Schnell liest er sich ihren Text nochmals durch und beginnt zu tippen:

      ›Hallo Lilith,

      du oder ihr habt ein Büchercafé? Das ist merkwürdig, denn von so etwas habe ich letztens geträumt. Aber das erzähle ich dir gern ein anderes Mal. Darum kennst du dich mit Büchern aus, nun wird mir einiges klar.

      Es kann gut sein, dass wir uns mal über den Weg laufen. Und dann nehme ich dich beim Wort und tanze mit dir den Strand entlang.

      Ich bin sehr froh, dass du dich wieder gemeldet hast. Ich habe nämlich wirklich deine Nachrichten vermisst … und dich …

      Liebe Grüße Chris

      PS: Jeden Tag!‹

      Bereits jetzt ist er auf ihre Reaktion gespannt. Im Anschluss sieht er seine E-Mails durch, wieder kein neues Hausangebot. Ihn wurmt es, dass der Makler anscheinend nicht wirklich gewillt ist, für ihn ein passendes Objekt zu finden. Zumindest kommt es ihm so vor. Er beschließt, dass er, bevor sie zu der Kletterpartie aufbrechen, einem anderen Büro den Auftrag erteilen wird, schließlich kann er nicht ewig in Normans Haus wohnen bleiben.

      Die Müdigkeit übermannt ihn mit einem Mal und er legt sich noch einmal hin. Kurz darauf schläft er tatsächlich wieder ein.

      D

      ie Schuldgefühle plagten Lilith, da sie ihm nicht mehr antwortete. Gern hätte sie mit Sonja darüber gesprochen, aber sie konnte und wollte auch nicht.

      Seit Montag ging alles drunter und drüber. Kaum hatte Laura wie geplant frei, fiel prompt die gesamte Ostküste über sie herein, zumindest hatte sie das Gefühl, dass es so war. Dementsprechend musste sie länger und mehr arbeiten, da sie es in der Zeit trotz tatkräftiger Unterstützung von Mia nicht schaffte, alle Bestellungen abzuarbeiten.

      Dann stürzte ihre Angestellte am Mittwoch auf dem Weg vom Kindergarten zum Büchercafé unglücklich vom Fahrrad und ist seitdem ans Bett gefesselt. Sofort fuhr sie am folgenden Morgen ins Krankenhaus, um sie zu besuchen. Ihr ging es soweit ganz gut, abgesehen von den Schürfwunden, den Schmerzen und Zerrungen. Sie erfuhr, dass die liebe Seele zumindest ab Freitag wieder nach Hause kann, um sich dort zu erholen.

      Hinzu kam, dass Lilith ihr Gewissen quälte. Je öfter sie sich mit Chris hin und her schrieb, desto mehr erinnerte sie sich an diesen verdammten Traum. Und plötzlich war er wieder detailreicher denn je präsent. Wie sollte sie ihm das erklären? Sollte sie es ihn überhaupt darüber aufklären?

      Donnerstagabend kam sie endlich einmal dazu, seine letzte Nachricht zu lesen. Er fragte nach dem Geschäft. Sie hatte sich tatsächlich verplappert! Zu dumm! Was sollte sie nun machen? Auf ewig konnte sie es ihm nicht verheimlichen. Anfangs war sie froh, dass er dachte, er kenne die beiden von einem vorangegangenen Konzert. Doch dass sie sich so intensiv schreiben würden, damit hatte sie damals nicht gerechnet. Letztendlich hoffte sie, dass er den Traum nach und nach verdrängte und somit vergaß.

      Tagelang überlegte sie verzweifelt, was sie tun solle. Sonja wollte sie nicht in ihr Dilemma mit einbeziehen, das musste sie selbst ausbaden. Am Sonntag entschloss sie sich dann dazu, ihm einfach die Tatsachen zu schreiben. Eventuell hat er nicht alles erfasst? Vielleicht hatte sie es ja doch irgendwie kontrollieren können? Aber Fakt war, dass sie es nie herausfinden würde, wenn sie ihm nicht schrieb.

      Montagmorgens ging sie vor der Arbeit aus online und sie bemerkte, dass er gerade anwesend war. Diese Gelegenheit musste sie ergreifen. Schnell schrieb sie ihn an. Eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet, aber er antwortete ihr tatsächlich. Er war ihr nicht böse, er meinte sogar, dass er sie vermisst hätte. Gut, dass er sie in diesem Moment nicht sehen konnte, denn sie wurde knallrot.

      Mit keiner Silbe erwähnte er das Thema Büchercafé, worüber sie mehr als froh war. Dafür berichtete er ihr von Andys Junggesellenabschied. Sie wusste nicht einmal, dass der Bassist verlobt war. Da hatten sie alle verdammt gut dichtgehalten! Und nun wird er auch noch in wenigen Wochen heiraten. Lilith musste Chris schwören, dass sie es keinem weitererzählen würde. Das konnte sie ihm reinen Gewissens versprechen. Nicht einmal Sonja würde sie davon berichten, das war klar.

      Als sie auf die Uhr blickte, erschrak sie. Minuten zuvor hätte sie im Geschäft sein müssen! Schnell würgte sie das Gespräch ab und verabschiedete sich. Hastig packte sie ihre Sachen zusammen und eilte zum Laden. Da ihre Freundin an diesem Tag einen Termin hatte, wurde sie diesmal nicht abgeholt und sie konnte deshalb eine Weile für sich sein, um ihren Gedanken nachzuhängen.

      Oh Sonja! Nun musste sie ein weiteres Geheimnis vor ihr bewahren. Die Lüge machte ihr mehr als zu schaffen und jetzt eine erneute Geheimniskrämerei, welche sie aber nur zu gern auf sich nahm. Und sicherlich konnte sie bald alles auflösen! Das war ja immerhin schon etwas.

      Nun, am Abend, liest sie seine Nachricht und sie ist absolut geschockt. Er schreibt, er hätte von einem Laden geträumt! Das Geschäft erwähnte sie allerdings in dem Traum nur nebenher in einem Gespräch und daran konnte er sich vollständig erinnern?

      Panisch tigert sie durch ihren Garten. Das erste Mal hört sie nicht das sanfte Blätterrauschen der Bäume, lauscht nicht dem späten Gesang der Vögel, sieht nicht die letzten Sonnenstrahlen, die durch die Äste dringen. Stattdessen überlegt sie verzweifelt, wie sie ihm das Ganze erläutern soll. Würde er ihr glauben? Wie soll sie ihm erklären, dass sein Traum eigentlich ihrer war und er sich keine Sorgen machen müsse? Wie viel hatte sie ihm denn überdies übertragen? Etwa wirklich alles? Bei dem Gedanken wird sie wieder rot und kurz darauf kreidebleich. Denn somit wüsste er beinahe alles über sie, wenn er sich nur etwas anstrengt und sich dessen gewahr wird.

      Ihre Mutter wüsste Rat, sie könnte ihr mit Sicherheit helfen, aus dieser Misere zu entkommen. Darum hätte sie das schützende Elternhaus auch nicht verlassen sollen, jetzt wird es ihr nach Jahren endlich klar. Niemals hätten sie gegen die Regeln verstoßen sollen und sich einfach ein Leben nehmen dürfen, dass ihnen gar nicht zustand.

      Lilith entstammt, genauso wie Sonja, einer uralten Linie von Hexen. Sie selbst würde sich nicht als solche betiteln, aber die Chroniken besagen es ebenso wie ihre Familien. Ihre Ahnenfrauen eigneten sich von Generation zu Generation immer mehr Wissen und Fertigkeiten an, wodurch sie im Laufe der Jahrhunderte sehr mächtig und stark wurden.

      Zudem waren sie Protestanten, was Liliths Familie im Jahre 1557 beinahe zum Verhängnis wurde. Die Ketzerjagd wütete zwar sehr kurz, aber unsäglich im damaligen England. Nur mit viel Glück hatten ihre Vorfahrinnen überlebt, indem sie bei unbescholtenen und reichen Bürgern im Nachbarort unterkamen, den Lightons. Das waren keine Geringeren als Sonjas Urahnen.

      Ihre Familie wurde nie der Ketzerei bezichtigt, da sie viel Einfluss hatte und großes Ansehen genoss. Sie nahmen die Fairchilds, die bereits davor für sie arbeiteten, bei sich auf und versteckten sie vor den Verfolgern. Allerdings verloren sie dadurch einfach alles. Sowohl ihr Hab und Gut als auch die Tiere und einige entfernte Angehörige. Es war eine enorme Prüfung für diesen Zweig.

      Im anschließenden Jahr 1558 waren die Gräueltaten endlich vorbei, ein Machtwechsel im Königshaus begünstigte dies und die Gefahr war schlussendlich

Скачать книгу