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gesucht – aber mehr als vierzig Jahre hat der Bischof von Hippo Regius mit dem Schatz gewirkt, der in ihn von Gott hinein gelegt wurde.

      Eigentlich eine geniale Künstlernatur, ein brillianter Sensibler – und nun lebt dieser groß angelegte Mann in kleinem Milieu einer zweitrangigen Hafenstadt Nordafrikas.

      Alltags-Augustinus!

      Hippo Regius wird zur Regel seiner Tage – seine Reisen zu Predigten und Vorträgen, zur Mitwirkung an größeren kirchlichen Prozessen bilden die Ausnahme.

      Bittsteller, Bettler, Gottesdienst, Leitung, die Regelpredigten und Katechesen – Tagesgeschäft.

      Und, vom Schreibtisch aus, in seinen Schriften, wie bereits ausgeführt, motiviert durch die einander bekämpfenden Richtungen im Christentum und am Rand des Christlichen, nimmt er Stellung.

      Das Grundsätzliche seines Denkens, seine Theologie, formt sich aus der Not alltäglicher, geschichtsbezogener Fragestellungen – und sucht darin profunde, klärende Wendigkeit: Not-Wendigkeit!

      Von der Cathedra, vom Bischofsstuhl einer drittrangigen Residenz sendet er schreibend Welle um Welle hinaus, „die Nöte und Sorgen des Christenvolkes gaben ihm die Themen und den Stil seiner erhabensten Werke ein, so dass das Genie dem Seelsorger dienstbar wurde.“ (F. van der Meer, Augustinus, a.a.O., S. 15).

      Augustinus wurde dies gegen seinen Willen, ein beschauliches, abgeschiedenes Leben unter Freunden in mönchischer Zurückgezogenheit hatte ihm vorgeschwebt. Für drei Jahre hatte der Professor der Rhetorik sich in die Mönchskutte verborgen und mit Freunden ein abgeschiedenes Leben gewählt, als er, der Ahnungslose, vom Markt in Hippo Regius aufgegriffen wird von Männern, die ihn, der nur zur Feier der Sonntagsmesse in die Bischofsstadt gekommen war, vor den alten Bischof Valerius zerrten, damit dieser ihnen einen neuen Bischof gebe. Er war bekannt durch sein Vorleben, durch seine Wortmächtigkeit und seine Entschiedenheit zum mönchischen Leben in der Zeit nach seiner Bekehrung. Aber drei Jahre waren genug.

      Valerius legt ihm die Hände zur Priesterweihe auf. Bald löst Augustinus seinen alten Vorgänger in dieser Stadt als Bischof ab.

      „Der feinsinnige Grübler sah sich plötzlich in die lärmende Volksmenge einer Hafenstadt versetzt, wo die Schismatiker mit einer Riesenkirche, fetten Pfründen, zahlenmäßiger Überlegenheit (…) in allen Fragen des Glaubens den Ton angaben und wo der (alte) katholische Bischof die Menschen wohl verstand, aber nicht mit einem eindringlichen Wort zu fesseln wusste. Seine klösterliche Atmosphäre konnte er nach Hippo verpflanzen – Valerius gab ihm ein Haus mit Garten nahe beim Dom -, doch mit der klösterlichen Beschaulichkeit war es vorbei. Er war ein Gefangener im Herrn geworden, und zwar gerade im umgekehrten Sinne wie der Apostel. Plötzlich sah er die alltägliche Wirklichkeit vor sich, fern von den philosophischen Schulen und den ewigen Ideen. Nun rückten ihm die christlichen Mysterien fühlbar auf den Leib: sie wurden konkret im täglichen Gottesdienst und banden ihn zugleich in die Gemeinschaft, indem sie ihn mit der Sorge für ein unwissendes Volk beluden, das noch dazu durch ein sinnloses Schisma in zwei Teile auseinanderfiel.“ (F. van der Meer, Augustinus, a.a.O., S. 24f.)

      Er, der zweite Begründer des alten Glaubens, wie er oft benannt wird, verdankt die Themen seines Werkes den konkreten Anliegen der Deutung christlichen Lebens. Bewegt von den Fragen zu Gnade und Freiheit, Einheit und Heiligkeit der Kirche geschieht dies aus primär seelsorglichem Blick in den Jahren 391-426. Stellen wir uns einen kleinen Mann vor, eher fragil, zerbrechlich von Statur, in einen grauen Wollmantel gehüllt, so die frühesten Beschreibungen seiner Gestalt, die ihn genauer fasst als die Bilder, die ihn zeigen mit den bischöflichen Würdenkleidern.

      Nur ein Werk, das über „Die Dreieinigkeit“, entsteht aus reiner theologischer Spekulation.

      Ansonsten gilt es nun, einen Genius, einen Denker auf Weltniveau mit kleinen Strichen zu zeichnen, zart und zäh zugleich in den Forderungen des Tages. Tausend Predigten, hunderte Briefe sind erhalten; er ist sich nicht zu schade, auch Volksfrommes einzubeziehen.

      Der christlich-bischöfliche Tag dieses Menschen setzt sich zusammen in einem Werk, das eine Unsumme von Gedanken und Ideen entwickelt anhand von Traktaten, Büchern, Kommentaren, Briefen und Sermones, Perlen der Weltliteratur, psychologisch Geniales, darin wie beiläufig, die Entdeckung menschlicher Subjektivität in der ersten, bis heute unübertroffenen Autobiografie, den „Confessiones“ – all dies nicht als das einsame Höhenwerk eines abgehobenen Denkers, vielmehr, eben und gerade auch die „Confessiones“, eine Gelegenheitsschrift. „Freunde hatten ihn gedrängt, sich gegen persönliche Angriffe der Donatisten, die die moralischen Qualitäten des Bischofs wegen seiner manichäischen Vergangenheit in Frage stellten, zu wehren. Dass dann aus einer solchen apologia pro vita sua die Confessiones wurden, ist wiederum das Geheimnis des Genies Augustinus.“ (Dassmann, Augustinus, a.a.O., S. 25.)

      Spiritualität – Alltägliche Gottverbundenheit

      in den Anforderungen des Tages

      Die „Confessiones“ bauen sich dreiteilig auf, Buch 1-9 sind biografischer Rückblick und Durchblick zum eigenen Leben, Buch 10 enthält die auch philosophisch bedeutsame Memoria-Lehre über das Gedächtnis und das Erinnern (wobei Memoria noch viel mehr bedeutet bei Augustinus als nur „Erinnerung“ oder „Gedächtnis“, es ist ein offener Begriff über die unausschreitbaren Hallen der gesamten Innerlichkeit des Menschen), worin Augustinus auch sich selbst zeitgleich, also gegenwärtig wird, schließlich, und erstaunlich, enthalten die Bücher 11-13 eine Auseinandersetzung und Auslegung zum Schöpfungsbericht des Buches Genesis der Heiligen Schrift. Diese letzten drei Bücher verwundern in ihrer Zugehörigkeit zu den Confessiones, in manchen Ausgaben wurden sie deshalb auch weg gelassen.

      Ein spiritueller Grund der Komposition der „Confessiones“ könnte darin bestehen, die Schlüsselstellung von Buch 10 auch im Aufbau des Werkes abzuzeichnen (Buch 1-9 Vergangenheit – memoria-; Buch 10 Gegenwart – contuitus-; Buch 11-13 Zukunft – expectatio-, mit hoch beachteten philosophische Passagen über das Rätsel der Zeit selbst in Buch 11). So wären die biografischen Teile auch ein Reflex auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15, 11-32), der heim kehrt zum himmlischen Vater als confessio peccati, die übergeht in die confessio fidei des nun gläubig Gewordenen hin zu einer Vision kosmischer Erlösung, die, weiß Gott, in Gänze noch aussteht, aber durch die Meditation und Vision der ewigen Sabbatruhe des noch nicht ins Ziel gekommenen 7. Schöpfungstages im Buch 13 zumindest den von einem Menschen zu ahnenden Schlussstein einer universalen erlösten Heimkehr des Menschen und der Schöpfung in und mit und zu Gott zu beschreiben sucht.

      In den Retractationes beschreibt Augustinus selbst einmal die Konzeption seiner Confessiones wie folgt:

      20 Augustinus, Retractationes 2,6,1, zitiert nach C.J. Perl, Die Retractationen in zwei Büchern. Paderborn 1976, S. 157.

      Hier sollen nun Passagen folgen, die uns Augustinus, den Bischof und Prediger und Seelsorger im Alltag erahnen lassen, um eine Vorstellung zu finden von der Kraft seines Wortes, von der existentiellen Dynamik seiner fragend betenden Sprache, die das suchende, hoffende, glaubende und liebende Herz des Menschen anspricht.

      Zunächst einen Satz nur aus dem 10. Buch, einen der schönsten: „Da quod iubes et iube quod vis“ „Gib, was Du verlangst, dann verlange, was Du willst“, so betet er in Confessiones 10, 29, 40. In dieser kurzen Sequenz wird ja ein Kern seiner Gottesbeziehung deutlich. Gott ist gut und gerecht – und alles, was von Gott kommt, kann von dort her nur zum Guten und Richtigen des Menschen sein.

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