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integriert, ja einverleibt in seinen Text: Psalmen 145/ 147/22/139 nach neuer Zählung; 1 Petr 5,5 und Jak 4,6; Röm 10, 14 und Röm 11, 36; Jer 23, 24), mit Philosophie im Hintergrund – und doch Bekenntnis als Beten, ausgefaltete Spiritualität, in der große Fragen und kleinste Alltagsdetails dem Betenden zum Absprung ins je größere Du-in-über werden:

      So hebt der Anfang der Confessiones (Erstes Buch, I.1-II.2) an:

      I.1. „Groß bist du, Herr, und höchsten Lobes würdig. Groß ist deine Macht, und deine Weisheit, unermesslich, hat keine Grenzen. (Vgl. Psalmen 145,3 und 147, 5) Und dich will loben ein Mensch, irgend so ein Fragment deiner Schöpfung, ein Mensch, der seine Sterblichkeit mit sich herumschleppt, schwer trägt an seiner Sünde und daran, dass du den Hochmütigen widerstehst (Vgl. 1 Petr 5,5 und Jak 4,6). Und dennoch will dich loben der Mensch – irgend so ein Fragment deiner Schöpfung. Du treibst ihn an, dass er seine Freude daran finde, dich zu preisen, denn du hast uns geschaffen zu dir hin, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhevoll ist in dir.

      Gib mir, o Herr, dass ich verstehe und einsehe, was das erste ist – dich anrufen oder dich preisen, erst dich erkennen oder dich anrufen? Aber wer ruft dich, ohne dich zu erkennen? Wer dich nicht erkennt, kann dich beim Anrufen mit etwas anderem verwechseln. Oder ruft man dich nicht doch etwa an, um dich zu erkennen, um erkannt zu werden? Wie aber soll man den anrufen, an den man nicht glaubend geworden ist? Wie soll man an den glauben, ohne dass jemand dich kündet? (Vgl. Röm 10, 14) Die den Herrn suchen, die werden ihn preisen. (Vgl. Psalm 22, 27). Denn wer sucht, der findet ihn, und wer ihn findet, wird ihn preisen. Suchen will ich dich, o Herr, indem ich dich anrufe, und dich anrufen und darin an dich glauben. Denn du bist uns gekündet worden. Dich, o Herr, ruft mein Glaube an, den du selbst mir eingegeben hast, den du mir einhauchtest durch die Menschwerdung deines Sohnes und durch den Dienst dessen, der dich kündet.

      II.2. Aber wie kann ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, da ich ihn doch in mich hineinrufe, wenn ich ihn anrufe? Und wo ist die Stätte in mir, wohin mein Gott kommen soll? Wohin in mir soll Gott denn kommen, Gott, der geschaffen hat Himmel und Erde? Gibt es denn wirklich, Herr, mein Gott, irgendetwas in mir, was dich fassen könnte? Fassen dich denn Himmel und Erde, die du geschaffen hast und in denen du mich, mit ihnen zusammen, geschaffen hast? Oder fasst dich alles, was ist, notwendig nur, weil es ohne dich nicht wäre? Ich bin doch auch – was begehre ich dann, dass du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn du nicht in mir wärst? Bin ich noch nicht in der Unterwelt, so bist du auch dort. Und stiege ich hinab zur Unterwelt, du bist da. (Vgl. Psalm 139, 8). Ich also wäre nicht, mein Gott, ich wäre überhaupt nicht, wenn du nicht in mir wärst. Oder wäre ich etwa, wenn ich nicht in dir wäre, aus dem alles, durch den alles, in dem alles, das Allsamt ist? (Vgl. Röm 11, 36) Ja, gewiss, auch das ist wahr, o Herr. Wohin aber soll ich Dich rufen, da ich in dir bin? Und von wo kämst du in mich? Wohin soll ich denn schwinden, über Himmel und Erde hinaus, damit von dort mein Gott zu mir, in mich käme, der da gesprochen hat: ‚Bin nicht ich es, der Himmel und Erde erfüllt’? (Vgl. Jer 23, 24)“

      (Übersetzungsversuch: Markus Roentgen)

      Literatur:

      Augustinus, Bekenntnisse, eingeleitet und übersetzt von Kurt Flasch u.a. (=Reclam 2792). Stuttgart 1989. Aurelius Augustinus, Über die Psalmen, ausgewählt und übertragen von Hans Urs v. Balthasar. Leipzig 1936. Ernst Dassmann, Augustinus. Heiliger und Kirchenlehrer. Stuttgart u.a. 1993.

      Leben und Werk II

      Augustinus lebt zu einer Zeit,

      19 (unter Kaiser Theodosius 379/395).

      Wichtiger jedoch als dieses äußere Ereignis ist für die geistige und geistliche Entwicklung die Präsenz und Bedeutung der geistlichen Theologie seiner Zeit. Mit Augustinus überschneiden sich die großen Klassiker des spätantiken Christentums (um nur einige zu nennen – Athanasius, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomus im Osten; im Westen Ambrosius, Hieronymus, Leo der Große). In dieser Zeit also findet die Kirche ihre bleibende Gestalt der Theologie, sie ringt mit den Extremen (Arius, Nestorius, Pelagius u.a.) um ihre Gotteslehre und Christologie. Zudem fasziniert das neu sich begründende Mönchtum junge Menschen in der Suche nach einem Lebensweg im Ringen um Wesentliches!

      Mit dieser Kirche nun kommt Augustinus in Mailand besonders tief in Berührung.

      Das Lesen des Hortensius des Cicero hatte vorbereitet, in dem er nur den Namen Christi nicht finden kann (Confessiones 3,4,8). Diesen Namen jedoch hatte seine Mutter Monika ihm von Geburt an eingeprägt. Sie, deren sanftzäher Einfluss im Ringen um seine Lebensform und seine Entwicklung, durchaus auch in Ambivalenz (Vgl. Jostein Gaarder, Vita brevis. München 1997) kaum überschätzt werden kann.

      Guardini hat darauf hin gewiesen, dass sie der einzige Mensch ist, der aus Augustinus Leben nicht weggedacht werden kann.

      Augustinus gerät in seine erste große Krise. Ihm widerfährt nun aus seinen inneren Regungen der Formalismus und die Leere seines bisherigen geistigen Weges; er wird der Rhetorik überdrüssig.

      Der Hortensius des Cicero hatte ihn aufgerufen, nach wirklicher Weisheit zu suchen; jedoch gab es darin keine Christusbegegnung, der Name Jesu wird darin von Augustinus vermisst – er wendet sich der Lesung der Heiligen Schrift zu.

      Und – er scheitert wiederum, es scheitert in ihm!

      Stil und Sprache erscheinen ihm zweitrangig, das Kreuz bleibt ästhetisches Ärgernis, bleibt Scandalum Crucis!

      Augustinus hadert mit einem Gott, der sich durch eine, für ihn, derart „barbarische“ Sprachform äußert.

      Dass es Kenose Gottes ist, sich überhaupt in den Verfallsduktus menschlicher Sprache hinein zu geben, dass Selbst-Offenbarung immer auch eine Verdunkelungsgefahr, eine Selbst-Erniedrigung Gottes ist, das geht dem jungen Augustinus noch nicht auf!

      Gott – in so dürftigen Sätzen! Welch ein Ärgernis; Gott am Kreuz, welch ein Skandal, welche Torheit (vgl. 1Kor 1, 19 ff.)

      Augustinus schreibt in den Confessiones (Conf. 3, 5, 9): „Daher beschloss ich, mich der Heiligen Schrift zu widmen, um zu sehen, wie es mit ihr wäre. Und siehe! Da ist etwas, was die Hochmütigen nicht heranlässt und sich auch den Kleinen nicht enthüllt, sondern nieder ist fürs Eingehen, beim Vorangehen erhaben wird und sich ins Geheimnis schleiert; und ich, wie ich damals war, hätte nicht vermocht, hineinzugelangen oder den Nacken zu beugen, um in der Sache voranzukommen. Denn nicht so, wie ich jetzt davon rede, urteilte ich damals, als ich mich der Schrift zuwandte, vielmehr erschien sie mir unwürdig, mit der Würde des Ciceronischen in Vergleich zu treten; ja, mein geschwelltes Pathos sträubte sich wider ihre unscheinbare Weise, und meine Sehkraft reichte nicht in ihr Inneres hinein. Und gerade ihre Art wäre es gewesen, zu wachsen mit den Kleinen, ich aber hielt es unter meiner Würde, ein Kleiner zu sein; vom Hochmut nur geschwollen, deuchte ich mich groß.“ (Übersetzung von Joseph Bernhart)

      Nach dem Scheitern an der Heiligen Schrift und seiner Enttäuschung darüber erscheint der Manichäismus Augustinus für eine Zeit verlockend, diese christliche Sekte mit ihrem entlastenden Dualismus im Grunde, scheinbar rationalistisch, erscheint ihm zunächst vernünftiger und freier – beinahe zehn Jahre ringt Augustinus mit dieser Richtung, die der Heiligen Schriften Israels sich entledigt hatte und Christus nur in einem reduzierten Paulustext akzeptierte. Das Gespräch mit dem Manichäerbischof Faustus von Mileve wird zur großen Ernüchterung für Augustinus. Enttäuscht erscheint ihm nun radikaler Skeptizismus als einzige Lösung seiner Fragen. Dessen resignativer Verzicht auf Wahrheit und Erkenntnis wirkt faszinierend. Er mündet in einer fast descartschen („Cogito, ergo sum. – „Ich denke, also bin ich.“) Formel: „Si enim fallor, sum“ („wenn ich mich täusche, bin ich“) – und ist bis heute, für die vielen agnostisch sich bestimmenden Menschen von, wie es scheint, großer Evidenz.

      Augustinus schreibt in den Confessiones (Conf. 5, 10, 19): „Allgemach wuchs ja auch in mir der Gedanke, die gescheitesten von allen Philosophen seien doch die üblich so genannten Akademiker gewesen, weil sie der Ansicht waren, man müsse an allem zweifeln, und sich für den Satz entschieden, der

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