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492-551. Erzählender: Walter Nigg, Der christliche Narr. Zürich 1956. Strukturalistisch, psychologisch und philosophisch durchdringend: Michel de Certeau, Kloster und Marktplatz: Narrheiten in der Menge : Ders., Mystische Fabel. Berlin 2010, S. 54-80. Vgl. auch Harvey Cox, Das Fest der Narren. Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe. Stuttgart-Berlin 2/1970. Vgl. auch als Roman: Gerhart Hauptmann, Der Narr in Christo Emanuel Quint. (=Ullstein Tb 23446). Berlin 1994.

      Heilige Närrinnen und Narren finden sich in der Tradition und transformiert als Narren und Närrinnen in Christo in Folge der paulinischen Verkündigung und der Evangelien Jesu Christi ab etwa dem 4. Jahrhundert n. Chr.

      Namen: Symeon von Edessa und Andreas der Narr – oder alles, was tief ist, liebt die Maske. Jacopone da Todi – oder der Tor göttlichen Liebens; Philipp Neri, der Spaßmacher Gottes, Erasmus von Rotterdam mit seinem Lob der Torheit – und dann die epochalen Figuren aus Literatur und Kunst: Cervantes „Don Quichote“, Dostojewskijs „Idiot“; früher noch Wolframs „Parzival“ bis zur darstellenden Kunst: Rouault’s Christus als Clown – später auch von Litzenburger so gemalt.

      Certeau schildert eine der frühesten Gestalten, eine namenlose Frau (mitunter wird sie auch Isidora genannt werden) aus dem 4. Jahrhundert.

      Die Narren in Christo sind Menschen, die Kontrastfiguren ausbilden. Sie widersprechen in Gestalt und Haltung dem antiken Schönheits- und Weisheitsideal, welches die Menschengestalt an den heroischen Göttergestalten orientierte.

      Heilige Narren/ Närrinnen kontrastieren das Bild des Heiligen als Held/ Heldin!

      Eine neue Gestalt springt hervor aus der Nachfolge des Jesus, der als menschgewordener Gott die klassischen Kategorien von Oben und Unten umkehrt; der unermessliche Gott als hilfloser Säugling in der Futterkrippe; der, aus dem der Kosmos und das Allsamt wurde, der ewige Logos, das unendliche Wort, gegeißelt und verspottet, ein Narr Gottes am Kreuz, erleidet den schändlichen Tod eines daher gelaufenen Straßenräubers, den Verbrechertod eines „Gotteslästerers“, der zuvor seinen geliebten Freundinnen und Freunden zärtlich begegnet, der ewige und heilige Gott wäscht, in Knechtsgestalt, seinen Schülern und Jüngern die Füße und erweist Lieben bis zum Es-Geht-Nicht-Mehr (vgl. Joh 13).

      10 Hans Urs von Balthasar, Narrentum und Herrlichkeit, a.a.O, S. 494 f

      Es sind auch immer Wege aus der etablierten Kirche, aus Gemeinde und Kloster in die Wüsten des Lebens, der Städte, der Umstände (etwa bei Symeon dem Narren). Der Büßernarr Jacopone da Todi (gest. 1303), ein gebildeter Doktor der Rechte und Advokat, beschließt in Folge des Franziskus von Assisi, freiwillig als Narr aufzutreten. Die Ekstasis seiner Vernunft, diesem Heraus-treten, öffnete sich bislang unerhörter Poesie, Gesänge an Gottes verstörte und verstörende, ja ver-rückende und in den Augen der „Welt“ ver-rückte Liebe.

      Gott, der uns allen die Füße wäscht!

      Dieses Lieben Gottes sprengt jegliches Warum, öffnet ins Unermesslich-Maßlose, setzt sich aus: Aussetzung des Allerheiligsten bis in die Torheit sich hin-gebenden Liebens bis zur Durchstoßung, bis zur Durchkreuzung aller menschheitlich weisheitlichen Tradierung!!!

      11 Ebd., S. 497.

      12 Michel de Certeau, Mystische Fabel, a.a.O., S. 56 ff.

      „In jenem Kloster war auch eine Jungfrau, die sich den Anschein gab, als ob sie verrückt und besessen sei. Darum hegte man allgemein solche Abscheu vor dieser, dass keine mit ihr essen wollte; sie aber hatte das freiwillig auf sich genommen. Sie irrte in der Küche umher, tat jede Arbeit, war sozusagen das Wischtuch des Klosters und erfüllte so, was geschrieben steht: ‚Dünkt sich jemand weise zu sein unter euch, der soll ein Tor werden, auf dass er weise werde!‘ Mit einem Lumpen hielt sie den Kopf umhüllt, während die anderen geschoren waren und Kapuzen trugen. So war sie angetan und versah den Dienst einer Magd. Keine von den vierhundert sah sie jemals essen, während der vielen Jahre; sie setzte sich niemals zu Tische, genoss kein Stücklein Brot mit den anderen und war mit den Krumen vom Tisch und mit dem Wasser aus den Kochtöpfen zufrieden, das sie beim Spülen fand. Sie kränkte niemanden, murrte nicht, sagte weder viel noch wenig, obgleich sie beschimpft, geschlagen, verwünscht und verächtlich behandelt wurde.

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