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Löwentatze. Albert Hurny, Mady L. Hurny
Читать онлайн.Название Löwentatze
Год выпуска 0
isbn 9783738025286
Автор произведения Albert Hurny, Mady L. Hurny
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Obwohl, kam es nun auf ein paar weitere Recherche-Wochen noch an? Ich stöbere einfach noch ein bisschen, damit die liebe Seele endlich Ruhe gibt, beschloss er.
Kapitel IV
Der Herbst in Greenley hatte einem Nachsommer geglichen, wie ihn Adam von zu Hause her nicht kannte: trocken, mit seltsamen Farbtönen und erregenden Gerüchen, die der Wind vom Gebirge herantrug. Flirrendes Licht wehte zitternd über die Ebene, lockend und sinnverwirrend, als wolle die Natur noch einmal aufstrahlen und tanzen, bevor sie durch den Grimm des Winters erstarrte.
Der kam über Nacht, ohne die an der Ostsee üblichen Präliminarien, war morgens da und rührte sich nicht mehr weg, ein Dauergast, der nur gelegentlich das Kostüm wechselte. Mal gab er sich dunkel, mit Wolken aus Eisdunst auf der dicken Schneedecke lastend, die Welt auf dutzende Geviertmeter reduzierend, mal gefiel er sich in kristallener Klarheit, rückte die wie Diamantberge funkelnden Gipfel der Mountains nahe und bot sie den Blicken unverschleiert dar. Ein Anblick, der Adam jeden Tag, an dem er ihm geschenkt ward, faszinierte.
Er machte die ihm neue Erfahrung, dass auch Eisköniginnen betörende Reize besitzen, sofern man sie aus sicherem Abstand bewundern darf.
An seinem Tagesablauf änderte sich nichts. Er musste sich lediglich warm anziehen, wenn er morgens zum Archiv wollte. Die Winter-Servanten beräumten Schnee und Wehen, vom scharfen Nachtwind aufgetürmt, bevor sie zum Verkehrshindernis werden konnten.
Vor der Gewalt des Blizzards, der Anfang Februar den Weltuntergang einzuleiten schien, mussten allerdings auch sie kapitulieren. Dante hatte sich die tiefste, furchtbarste Hölle als einen Ort des Feuers, der quälenden Glut und dampfenden Kessel vorgestellt. Vor den Schrecken der kalten Variante versagte selbst seine ausschweifende Fantasie.
Unmöglich, einen Schritt ins Freie zu wagen.
Im Eisorkan draußen brüllte der weiße Tod nach Opfern.
Adam erlebte ein derart elementares Naturereignis zum ersten Mal; die doch gewiss heftigen Stürme an der Ostseeküste erschienen ihm im Vergleich zu dem, was da von Norden herantobte, wie das Fauchen einer gereizten Hauskatze neben Tigergebrüll.
Er fühlte sich müde und abgeschlagen und doch auf unerklärliche Weise erregt und vermochte sich nur mit größter Willensanstrengung zur Arbeit zu zwingen. Er saß mit dem Gesicht zum Fenster, und wenn er aufblickte, war ihm, als schwebe er eingeschlossen in einer Druckzelle, in kochendem Plasma, das jeden Augenblick durchzubrechen drohte. Erst als er die Licht-Lärm-Blende auf „voll“ stellte, wich dieser Albdruck so weit, dass er sich darauf zu konzentrieren vermochte, die Beziehungen zwischen den historischen Personen, die ihm für seine Dissertation wichtig dünkten, grafisch zu fixieren. Einem visuellen Typen wie ihm wurden sie so fasslicher.
Während der Wochenenden war es ungewohnt still im Haus. Wer aus der Umgebung stammte, die meisten, fuhr am Sonnabend - sofern das Wetter es erlaubte - gleich nach den Vorlesungen nach Hause. Wer entweder anhangslos oder so weit entfernt beheimatet war, dass die Heimfahrt außerhalb der Semesterferien nur an mehreren zusammenhängenden Feiertagen lohnte, suchte den Sonntag so angenehm wie möglich hinzubringen.
Lily Jane O’Brien hatte länger als sonst geschlafen und sich dann ausgiebig vom Bad-Servanten massieren lassen. In der Woche ging es husch husch ... kurz unter die Dusche, die Haare gebürstet und etwas Make up. Dazu reichten ihr zehn Minuten. Nach zwei Jahren im Internat saß jeder Griff wie antrainiert.
Dafür gönnte sie sich sonntags das volle Programm und genoss es, sich zu pflegen. Nicht, dass es dann dringend nötig gewesen wäre, die Haare, na gut; sie hatte einfach Freude daran, ihren Körper zu spüren.
Komisch, dachte sie, als sie sich vor dem Spiegel drehte, dieser Körper ist also der meine … nicht schlecht ... man merkte an den Blicken der Jungs, dass es ein schöner sein musste. Lily Jane warf ihrem Spiegelbild zufrieden ein Kusshändchen zu.
Sie war im September zwanzig geworden.
Im Speisesaal, nun schon fast leer, traf sie auf ihre Kommilitoninnen Dory und Giona.
„Ich dachte schon, du willst heute fasten“, sagte Dory, nachdem sie sich begrüßt hatten.
„Ach, sehe ich aus, als hätte ich es nötig?“
„Mach Striptease, und ich sag’s dir“, witzelte Giona. „Du musst Dory verstehen. Sie will immer, aber nie macht einer mit, und allein bringt sie es nicht fertig.“
„Ist ja nicht wahr! Wenn ich es wollte, würde ich schon, aber ich sehe nicht ein, warum ich es wollen wollte. Dürr hungern läuft nicht bei mir, ich würde krank davon. Mein Typ ist eben so: klein und stramm. Wer mich liebt, findet mich kernig - eben drum.“
Sie lachten alle drei.
Während sie das Frühstück checkten, sagte Lilly Jane entschuldigend, dass sie länger geschlafen und dann getrödelt habe. Aber sie beide seien ja auch gerade erst runter gekommen.
„Hast du eine Ahnung“, Giona verdrehte die Augen gen Himmel wie in stummer Klage, „wir sind schon seit sieben auf Achse. Dory musste mich unbedingt mitschleppen zu einer Kirche ... ich dachte, mich ... nein, ich sag es lieber nicht. Zuerst wollte sie dich hochklingeln, das hat nicht geklappt, die Leitung war still.“
„Ich hatte mich ausgeklinkt, wollte ausschlafen.“
„Du kannst wohl hellsehen? Na, und dann hat sie mich ... mitten in der Nacht, noch nicht mal halb sieben ... ließ nicht nach, bis ich ... du kennst sie ja ... man könnte denken, dass eine ihrer beiden Großmütter mal mit einem Roboter fehlgetreten hat. Wir müssen blind gewesen sein, als wir sie zur Heimratsvorsitzenden wählten; wir hätten sehen müssen, dass sie die Power-Lieschen-Krankheit hat - power feminalis - die schon ganze Völkerstämme auf den Hund gebracht hat. Du wirst sehen, Lily Jane, sie schafft uns, einen nach dem anderen.“
Sie mussten wieder lachen.
Dory puffte Giona in die Seite. „Kusch, du schwarzhaarige Bestie! Ich würdige dich der Ehre, mich begleiten zu dürfen, verschaffe dir ein nicht alltägliches Erlebnis, und du dankst es mir so.“
Dann erklärte sie, was sie zu dem morgendlichen Gang bewogen hatte.
Sie habe gestern Nachmittag alten Kram sortiert und sei dabei auf die Aufzeichnung eines Vortrages gestoßen, den jemand vor sehr langer Zeit gehalten habe. Danach sei dieses Internat als Stiftung sämtlicher Religionsgemeinschaften am Ort entstanden aus Anlass irgendeiner Katastrophe auf dem Mond vor nun beinahe zweihundert Jahren, der fast ausschließlich Frauen zum Opfer gefallen seien.
Anscheinend eine schlimme Sache, wenn sich alle religiösen Eiferer, an dreißig damals wohl, sonst heftig konkurrierend beim Seelenretten, in dieser Sache einmal einig waren. Ursprünglich ein reines Mädcheninternat, habe die Hochschule nach hartem Kampf erreichen können, dass schließlich auch Jungen aufgenommen wurden. Aber nur unter bestimmten Bedingungen. Lange Zeit seien die Heimplätze von den Kirchenvorständen vergeben worden ... nur an sittsame und glaubenseifrige Bewerber selbstverständlich, die sich überdies zu einer von Selbstverwaltung und freiwilligen Selbstkontrolle gekennzeichneten Heimordnung hätten verpflichten müssen.
Dergleichen, auf die sie sich noch heute jedes Jahr erneut einschwüren nach alter Tradition.
Sie fände es übrigens durchaus richtig, dass die Wohnetagen der Mädchen für die Jungen tabu seien und umgekehrt. Wer hier wohne - praktisch umsonst, mit allem Komfort und Vollpension - habe nicht rumzusexen, sondern zu lernen, dazu sei er hergekommen.
„Huh“, lästerte Giona, „prinzipienfest wie Ritter Lancelot. Tristan war nicht so blöde.“
„Und wie ist es ausgegangen mit ihm und Isolde ...?“, konterte Dory, „du siehst, es hat schon seinen Grund, wenn gebetet wird: Und führe uns nicht in Versuchung ... um zum Ende zu kommen ... ich begriff plötzlich Zusammenhänge und war beeindruckt und dachte, es sähe gut aus, wäre pietätvoll, wenn wir Nachkommen der Wohltäter von damals zu ihren opferwilligen