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Löwentatze. Albert Hurny, Mady L. Hurny
Читать онлайн.Название Löwentatze
Год выпуска 0
isbn 9783738025286
Автор произведения Albert Hurny, Mady L. Hurny
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er war schon willens, sich mit dem zu begnügen, was ihm über sie vorlag, da stieß er in der populärwissenschaftlichen Monatszeitschrift „Mysterion“, an deren Inhalt eigentlich nur ihr Anspruch als Verbreiterin wissenschaftlicher Erkenntnisse mysteriös war, auf einen mit bemerkenswerter Sachkenntnis geschriebenen Gedenkartikel für Stella Blayr, der seine Vorstellung über sie ins Wanken brachte.
Aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen stammend, hieß es in ihm, der Vater Landarzt, die Mutter Lehrerin, sei sie früh verwaist und bei ihrem Onkel Arthur T. Homespun aufgewachsen, der sie, selbst kinderlos, wie eine eigene Tochter geliebt habe. Ihr Wunsch, Astronomie und Astrophysik zu studieren, habe ihn darum sehr bekümmert, weil Trennung von ihr bedeutend, doch dem Glück seines Mündels habe er nicht im Wege stehen wollen. Nach mit Glanz bestandenem Examen und Assistenten-Zeit an der Wilson-Sternwarte sei sie ans Mondobservatorium berufen worden, wo sie vier Jahre lang als Mitglied einer Arbeitsgruppe an der Auswertung der von kosmischen Sonden übermittelten Daten und Fotos beteiligt gewesen sei. Doch dann habe sich der Gesundheitszustand ihres Onkels bedenklich verschlechtert und sie genötigt, ihre bis dahin ungewöhnlich erfolgreiche Karriere als Wissenschaftlerin aufzugeben, um ihn pflegen zu können. Sie wollte ihm auch nach dessen Gesundung nahe sein, ein Rückfall stand zu befürchten, sie entschloss sich, das Management des „Vereins zum Schutze guter Gene“ zu übernehmen.
Ihr tragischer Tod müsse als Folge ihrer ausgeprägten Verantwortungsgefühle gesehen werden. Sie, die Monderfahrene, habe es als ihre Pflicht empfunden, den von ihr zu patriotischem Dienst unter den lebensfeindlichen Bedingungen des Erdtrabanten aufgerufenen Frauen zur Seite zu stehen. So habe Stella Blayr fast unbemerkt von der Öffentlichkeit eine Tat vollbracht, die ihr für immer einen Platz im Ehrenbuch der Nation sichere.
Verdammt, dachte Adam bekümmert, als er die Schrift aus der Hand legte, die Dame eignet sich kaum als Beispiel einer moralischen Dekadenz; ich kann sie aber als Kontrastfigur verwenden. Etwas Licht lässt den Schatten umso deutlicher hervortreten.
Er suchte nach weiteren Hinweisen und fand tatsächlich in den entsprechenden Jahrgängen der Arbeitsberichte mehrere Hinweise auf sie. Sie war also wirklich Astronomin ... und nicht irgendwo, sondern am berühmtesten Institut der Welt, das unter den qualifiziertesten Wissenschaftlern auswählen konnte. Damals wie heute.
Er fand von ihr verfasste Beiträge, die sich, soweit er das Fachkauderwelsch verstand, mit irgendwelchen Problemen interstellarer Materie befassten.
Im letzten Heft des Jahrganges, in dem sie ihren Job kündigte, stieß er auf das sechs Seiten lange Protokoll einer Disziplinarverhandlung gegen sie. Was er da las, warf einige Flecken auf ihren Charakter.
Es hatte seit längerer Zeit Auseinandersetzungen mit ihr gegeben, weil sie, uneinsichtig, verbohrt geradezu, offenkundige Tatsachen ignoriere, sich darüber hoffnungslos zerstritt, bis schließlich eine weitere Zusammenarbeit unmöglich wurde.
So viel er davon begriff, ging es bei diesem Streit um eine von ihr entwickelte und hartnäckig verfochtene Hypothese, die sich auf Messdaten und Fotos einer außer Kontrolle geratenen Raumsonde stützte und - vereinfacht ausgedrückt - besagte, dass es im Weltall einen Planeten mit den gleichen biologischen Bedingungen wie auf der Erde gäbe.
Aus dem Protokoll ging jedoch hervor, dass die Angaben irreal und durch Defekte an den Apparaturen zustande gekommen waren.
Beobachtungen mit dem Teleskop und andere Untersuchungen hätten bewiesen, was die Kollegen von Anfang an vermutet hatten, dass es in dem von ihr bezeichneten Raumsektor
keinerlei Materie, geschweige denn ein ganzes Sonnensystem, gebe.
Ihre sogenannte Hypothese müsse daher als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden.
Niemand stelle in Abrede, hieß es zum Schluss, dass die Kollegin Stella Blayr ausgezeichnete Arbeit leiste, doch nun habe sie sich in eine Idee verrannt, die den Ruf des Observatoriums untergraben könne. Da sie auf ihrem Irrtum beharre, sei man gezwungen, die Konsequenzen zu ziehen. So bedauerlich es sei, im Interesse des Arbeitsklimas, das durch ihr Verhalten schwer gestört sei, halte man es für das Beste, sie löse ihr Arbeitsverhältnis.
Daraufhin hatte sie gekündigt und nicht etwa, wie im „Mysterion“ nachzulesen, wegen ihres erkrankten Onkels. Doch verriet es einiges über den Charakter der Frau: starrköpfig, überheblich und unbelehrbar.
Und dann entdeckte er endlich ein Foto von ihr. Das Wochenmagazin „Lady“, ein Machwerk aus Reklame und Gesellschaftsklatsch, brachte ein ganzseitiges Bild, etwas unscharf zwar - ein Schnappschuss wahrscheinlich -, das eine attraktive junge Dame zeigte, zwei Stunden vor dem Start, wie dem Bildtext zu entnehmen war.
Die ganze Pose bewies starke emotionale Bewegung, das Gesicht geprägt von Tränenspuren im perfekten Make-up.
Adam stutzte. Wie konnte sie, die Monderfahrene, sich wegen ein paar Wochen Aufenthalt auf dem Mond, mehr Zeit war für die Abwrackarbeiten nicht geplant, so echauffieren?
Eigenartig.
Stella Blayr war zweifellos eine schöne Frau, groß und schlank, klare Stirn, dunkle Augen, betonte Jochbeine, das Gesicht umrahmt von rötlichem kurzem Haar. Damals war sie dreiunddreißig, wie er wusste.
Ihm wurde klar, dass es anscheinend nur dieses eine Foto von ihr gab. Weshalb diese Kamerascheu? Eine fotogene Frau wie Stella Blayr ... sollte „Lady“ gewagt haben, das Bild ohne ihr Plazet zu bringen?
Wenig wahrscheinlich, keine Zeitschrift setzt wegen eines unbedeutenden Fotos seine Existenz aufs Spiel ... und Stella Blayr war nicht die Person, die sich so was bieten ließ. Der Redaktion dürfte das bekannt gewesen sein. Demnach müsste sie doch zugestimmt haben, obwohl das ihrem sonstigen Verhalten widerspräche.
Er schlug im Anhang nach: „Das Foto auf Seite 27 wurde veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis von Mr. Homespun.“
Wie das? Wenn jemand, dann kannte ihr Onkel die Marotte seiner Nichte. Hatte ihn die Zeitschrift bestochen? Unsinn. Und nach dem Unglück hatte er ihren Willen doch stets respektiert und kein einziges Foto freigegeben.
Das ließ nur einen Schluss zu: Die Privatsekretärin hatte sich einen Nebenverdienst verschafft, zweifellos wurden Unsummen für ein Foto von Stella Blayr geboten. Für sie war es bestimmt kein Problem, dem viel beschäftigten Chef zwischen zahllosen Routine-Papieren, die er unmöglich alle lesen wollte und konnte, eines unterzumogeln und unterschreiben zu lassen. Dass dieses Foto nie wieder erschien, durfte als Beweis dafür gelten, dass er seinen Fehler bemerkt und korrigiert hatte.
Das lenkte Adams Aufmerksamkeit auf eine weitere befremdliche Tatsache: Auch von keiner der auf dem Mond verunglückten Frauen existierten Fotos.
Die sonst so findigen Reporter vermochten keine alten Familienbilder aufzutreiben - unbegreiflich. Als sei alles, was an diese Frauen erinnerte, systematisch vernichtet worden.
Dieser Drang nach Anonymität war völlig zeituntypisch. Er musste auch wirtschaftliche Folgen nach sich gezogen haben. Denn, gesetzt den Fall, die Erbberechtigten der verunglückten Frauen wären infolgedessen nicht festzustellen gewesen, und es hatte ganz den Anschein, wem wären dann die obligatorischen Lebensversicherungen ausgezahlt worden? Das war jedoch geschehen, enorme Beträge für jedes Opfer - aber an wen?
Im Archiv fanden sich keine detaillierten Unterlagen der Versicherungsgesellschaft für das fragliche Geschäftsjahr, nur für die Jahre davor und danach ... ein Zufall?
Noch ein Zufall?
Adam Zumstein registrierte erstaunlich viele Zufälle im Umfeld der Mondkatastrophe und suchte weiter und entdeckte schließlich Sicherungskopien der Kontenbewegungen der Versicherung während des Unglücksjahres.
Nach den ausposaunten Behauptungen der Gesellschaft, den Erben die fällige Versicherungssumme ausgezahlt zu haben, hätte in den Listen die ausgezahlten Beträge an die Hinterbliebenen zeitgleich als Ausgabe erscheinen müssen. Doch das war nicht der Fall. Stattdessen ermittelte der Servant einen adäquaten Betrag