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Löwentatze. Albert Hurny, Mady L. Hurny
Читать онлайн.Название Löwentatze
Год выпуска 0
isbn 9783738025286
Автор произведения Albert Hurny, Mady L. Hurny
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er merkte, dass er ins Dozieren verfallen war und sagte mit einem um Entschuldigung bittenden Lächeln: „Ich langweile dich sicher.“
„Nein, nein ... im Gegenteil, es war mir sehr interessant. Bei uns ist wenig über eure Weckbewegung bekannt, in Zusammenhang mit ihr ist immer von Nostalgie die Rede im Sinne von altmodisch, den guten alten Zeiten nachtrauernd, und das wirkt auf die meisten von uns wie ein rotes Tuch, weil es in den Nestern, aus denen wir kommen, Normalzustand ist. Die Leute dort, weißt du, haben die Ehrbarkeit gepachtet. Nur nicht aus der Reihe tanzen, ja nichts tun, worüber die Nachbarn die Nase rümpfen könnten, immer brav im Kreise gehen, sonst verfällst du der Acht, sogar in der eigenen Familie. Manchmal denke ich, sie wollen damit ein unterschwelliges Schuldbewusstsein kompensieren. Warum, weiß ich nicht. So lange man jung ist und nichts anderes erlebt hat, meint man, es müsse so sein, aber dann kommt man raus und merkt, dass man als lebensfremder Hinterwäldler belächelt wird. Zuerst wehrt man sich dagegen, fühlt sich abgestoßen, kann nicht begreifen, was die von einem wollen, bis es schließlich bei dir zündet. Manche flippen dann aus, wollen alles auf einmal nachholen und werden ganz schlimm, doch die meisten - ich auch - tun nur so als ob, sie möchten wohl, aber sie sind schon zu sehr auf brav und sittsam geprägt. Das ist wie ein niedriger Zaun vor einem Vorgarten, man könnte ihn leicht überspringen, doch man tut’s nicht, irgendwas im Hinterkopf lässt es nicht zu.“ Sie senkte die Lider und sah ihn unsicher von unten her an.
„Du hast uns natürlich gleich durchschaut und auf Distanz zu uns spießigen Provinzlern gehalten. Kein Wunder, wo du doch aus der großen Welt kommst und anderen Umgang gewöhnt bist. Mal ehrlich, findest uns sehr lächerlich?“
Adam hatte Mühe, ernst zu bleiben.
Ausgerechnet mich halten sie für einen blasierten Weltmann. Wanda, wenn ich ihr es später mal erzähle, bekäme Leibschmerzen vor Lachen. Offenbar resultieren Urteile über andere häufiger als man denkt aus Missverständnissen. Er nahm sich zusammen und versuchte, ihr seine Lage verständlich zu machen. Dass sein Verhalten ganz andere Ursachen habe, dass ihm nur ein Jahr Zeit zur Verfügung stünde für wissenschaftliche Forschungsarbeit und dass er daher gezwungen sei, mit jeder Stunde zu geizen, sich völlig auf seine Arbeit zu konzentrieren, weil von deren Gelingen seine Zukunft abhänge.
„Wirklich ...?“ Er sah ihr an, dass sie ihm nicht glaubte.
„Mancher verschanzt sich auch hinter seiner Arbeit ... um Leuten aus dem Weg zu gehen, die ihn langweilen, die ihm zu primitiv sind.“
„Unsinn!“, fuhr er grob auf. Die Hartnäckigkeit, mit der sie an ihrer Version festhielt, begann ihn zu grämen. „Es ist, wie ich sage. Wenn ich mal lüge, dann bestimmt nicht aus Höflichkeit. Ich weiß doch so gut wie nichts von euch, wie könnte ich mir da ein Urteil über euch erlauben? Du bist die erste, mit der ich mehr als ein paar Redensarten wechsele. Und, ganz ehrlich, ich bedaure, dass es erst jetzt geschieht. Ich finde dich nämlich sehr sympathisch und könnte mir gut vorstellen.“ Er verstummte mitten im Satz. Ihm war bewusst geworden, dass er sich hatte hinreißen lassen, Dinge zu sagen, die sie als Annäherungsversuch auffassen musste.
Sie sah ihn denn auch groß an, überlegte und sagte dann mit dem aufmerksam forschenden Blick und in dem sachlichen Ton einer Medizinerin bei der Anamnese: „Ist das wahr? Ich meine, dass ich dir gefalle ...? Das sagst du sicher nur, weil du lange keine Frau gehabt hast und dich meine Anwesenheit erregt.“
Adam, perplex zuerst - will die Kleine etwa mein Eingeständnis, dass ich mit ihr schlafen möchte? - fühlte sich provoziert, in gleich direkter Weise zu antworten.
„Wäre das unnatürlich bei einem normal veranlagten Mann?“
Sie hatte … absichtlich ...? oder in aller Naivität? … das Gespräch in eine verfängliche Richtung gelenkt.
„Nein“, gab sie zu, „es ist nur ...“ Sie suchte nach Worten, doch nicht aus Verlegenheit, sondern im Bemühen, sich verständlich auszudrücken. „Also, sieh mal, es ist doch so, dass sich starkes sexuelles Begehren auf jedes beliebige Objekt des anderen Geschlechts richten kann ... wie einer eurer Klassiker sagt: ... sieht Helene in jedem Weibe ... dabei geht es um Stillung eines Bedürfnisses, nicht um Partnerschaft. Ich finde, das ist ein großer Unterschied, der an die Achtung vor der Persönlichkeit rührt.“
Das klang recht lehrbuchhaft, als habe sie noch kein tieferes Erlebnis gehabt, beschäftige sich aber mit Wunschvorstellungen, begreiflich in ihrem Alter. Es reizte ihn, ihr vorzuhalten, dass die Dinge nicht ganz so einfach lägen.
„Gewiss, das lässt sich nicht abstreiten. Nur steht eben mehr oder weniger bewusstes Begehren am Anfang jeder Liebesbeziehung, und niemand weiß vorher, wie viel der andere zu geben in der Lage ist. Es ändert auch nichts, wenn man es wüsste. Wo Gefühle im Spiel sind, hängt es nur von deren Stärke ab, ob sie den Verstand überrennen, selbst wenn beiden klar ist, dass es eine Episode bleiben kann. Das macht die in jedem Menschen schlummernde Sehnsucht nach Glück, denke ich mir. Währt es nur kurz, bleibt sicher Bitterkeit zurück, das Gefühl, um das volle Maß an Glück betrogen worden zu sein, doch weitaus quälender ist ungestillte Sehnsucht, glaub mir, besonders, wenn man sich vorwerfen muss, aus Zaghaftigkeit, aus Furcht vor Tadel oder was weiß ich, auf dieses Minimum an Glückserfüllung verzichtet zu haben. Das klingt vielleicht nicht sehr moralisch, ist aber eine Erfahrung, die schon viele machen mussten, wie der Platz beweist, den sie in der Kunst einnimmt.“
Er blickte sie unsicher an, befürchtend, zu weit gegangen zu sein. Jede halbwegs erfahrene Frau sähe darin ein kaum verhülltes Angebot; das war es natürlich auch, obwohl unbeabsichtigt im Moment.
Zu seiner Erleichterung schien sie es nicht so empfunden zu haben. Sie erwiderte unbefangen, sie fände seine Ansicht interessant, obgleich ziemlich subjektiv, aber diskutierenswert. Denn sicher ... im Einzelfall ... besonders in Europa ... doch vielleicht könne es sich auch um ein allgemein-menschliches Problem handeln, dem man sich nur nicht überall in gleich offener Weise stelle. Jedenfalls mache es ihr Mut, ihn etwas zu fragen, was eigentlich ungehörig sei, sie aber sehr beschäftige.
Sie neigte den Kopf noch ein wenig schräger und suchte seinen Blick, als wolle sie in ihm lesen. Dabei errötete sie wieder.
„Sag ehrlich, hast du nie gedacht, es wäre schön mit uns beiden ...? Bitte, lach nicht! Ich, das dumme Putchen, das dich anzumachen versucht ... ich möchte es einfach wissen ... weil, na ja ... man fühlt sich irritiert, wenn einer immer mit den Augen an einem hängt, aber niemals Anstalten macht ... das erwartet man doch irgendwann mal.“
Er rang um Fassung.
Verdammt, dachte er, die Kleine liebt wahrhaftig keine Umwege. Sie hat also doch verstanden. Der Mann hat Recht, der mal gesagt hat, man brauche nur zu sagen, was man denkt, um die Leute zu schocken.
„Nun ja“, gestand er widerwillig ein, „wenn du mich so direkt fragst, warum soll ich’s leugnen. So was habe ich wirklich gedacht ... und denk es immer noch. Ist ja wohl kein Verbrechen.“
„Dann begreife ich aber nicht ... du hättest doch ... war es, weil ich nie allein war? Oder ...“, sie zögerte, ehe sie sagte, als falle es ihr eben erst ein: „Ach ja, ich sehe jemandem ähnlich ... das wird es sein, du bist nicht frei.“
Er fühlte sich unbehaglich unter ihrem fragenden Blick. Was sollte er darauf erwidern? Doch da er nun einmal Wandas Existenz angedeutet hatte, musste er wohl so was wie eine Erklärung versuchen.
„In gewisser Weise ... der erste Eindruck, tatsächlich ... und auch wieder