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Löwentatze. Albert Hurny, Mady L. Hurny
Читать онлайн.Название Löwentatze
Год выпуска 0
isbn 9783738025286
Автор произведения Albert Hurny, Mady L. Hurny
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Ah, dachte ich’s mir, es musste einen Grund haben. Wanda heißt sie also ... ist es die, von der du manchmal Briefe erhältst?“
„Das weißt du?“
„Wie jeder im Hause. Wer schreibt sich heutzutage noch Briefe? Ist wie eine Art Sensation, über die geredet wird, na klar. Denkst du, sie nimmt es auch so genau mit der Treue wie du?“
Unmerklich zuckte er zusammen. Dieses Mädchen hat ein merkwürdiges Talent, an wunden Stellen zu kratzen, dachte er. Sie trifft immer dorthin, wo es schmerzt.
„Ich habe kein Recht, das von ihr zu fordern“, sagte er abweisend. „Was ich hoffe, ist meine Sache.“
„Entschuldige, wenn ich indiskret war. Es geht mich nichts an. Es ist nur, du interessierst mich eben. Da wir gerade darüber reden, möchte ich dir doch noch gern sagen, was ich davon halte. Darf ich? Nun ja, ich finde, Liebe ist eine Sache auf Gegenseitigkeit. Wenn sich deine Freundin nicht zur Treue verpflichtet fühlt, kann sie auch nicht erwarten, dass du es bist. Ganz ehrlich, ich glaube, ich wäre da nicht so penibel. Möchte mich einer und ich möchte ihn auch ... sag selbst, soll man wegen einer Hoffnung davor zurückschrecken? Von der man nicht weiß, ob sie sich jemals erfüllt? Und vielleicht erweist sich gerade das, was zuerst wie ein Abenteuer aussieht, als große Erfüllung ... wäre doch möglich?“
Sie sprach mit gerunzelter Stirn, wie jemand, der ein schwieriges Problem sachlich zu analysieren versucht, und sah hinreißend aus.
Beim großen Manitou, dachte er, nun dreht sie den Spieß um und fasst mich bei meinen eigenen Gedanken. Ob sie mir damit tatsächlich was annoncieren will? Sie sieht nicht so aus, aber wo Theorie raucht, flammt für gewöhnlich bald das Feuer der Praxis. Und lodert es erst mal ...ich weiß Bescheid, ich hab noch Brandblasen an den Fingern und anderswo. Dennoch, an d e r Glut würde ich mich ganz gern einige Zeit wärmen, obwohl es Irrsinn wäre. Wohin sollte das wohl führen? Angeblasen ist leicht, macht Spaß, löschen weniger, dabei sengt man sich oft selber an. Aber in dem Punkt muss der Mensch was von einer Motte haben, es zieht ihn mit magischer Gewalt zur Flamme, alle Erfahrungen sind für die Katz’. Ich fürchte, ich fürchte ... wenn sie wirklich mal A rufen sollte, bin ich zu schwach, nicht B zu flüstern.
„Was soll ich dazu sagen? Wahrscheinlich ist da was dran, es ist nur, ein schwerfälliger Typ wie ich kann sein Beharrungsvermögen nicht so leicht überwinden … vielleicht, wenn ein kräftiger Anstoß käme ... von dir zum Beispiel. Ich meine das natürlich rein theoretisch, bitte, versteh mich nicht falsch“, fügte er hastig hinzu, in Sorge, sie könne es als Aufforderung auffassen und sich verletzt fühlen.
„Wie sollte ich“, sagte sie mit Unschuldsmiene, in ihren Augen blinkten Schalkfunken. „Wir sitzen doch nur zusammen, brav wie im Warteraum des Med-Centers und reden miteinander über dies und das, wie sich’s eben ergibt, wenn die Zeit lang ist. Was anderes wär es, du hättest wirklich was für mich übrig ... dann müsste ich ernsthaft über deinen Vorschlag nachdenken und ihn zumindest wohlwollend in Erwägung ziehen. Aber so ... du sagst doch selbst, es ist rein theoretisch gemeint.“
Sie lachte ihn an.
„Ich muss jetzt gehen. Also dann erwarte ich dich an meinem Tisch. Du bist heute Abend mein Partner, so ist es abgemacht, ja?“
„Nur heute Abend?“, fragte er kurzatmig und fühlte sich als Draufgänger.
„Ist das auch theoretisch gemeint?“ Sie lächelte spitzbübisch und schenkte ihm einen verheißungsvollen Augenaufschlag, der seinen Puls merklich beschleunigte. „Bis dann.“
Sie standen schon an der Tür, als das Licht erlosch. Das Unwetter hatte offenbar eine Havarie ausgelöst. Lily Jane schrie auf, krallte ihre Hände in seine Arme und presste sich schutzsuchend an ihn. Er roch den Duft ihres Haares.
„Ich hab’s geahnt“, stammelte sie verstört, „irgendwas musste passieren.“
Er wollte sie beruhigen, doch da ging das Licht schon wieder an. Die Havarieautomatik hatte prompt reagiert.
Augenblicklich löste sie sich von ihm. „Ich bin unmöglich ... der Blizzard, verstehst du ... entschuldige...“ Bevor er noch etwas sagen konnte, schob sie die Tür zurück, schaute nach links und nach rechts und huschte zum Lift.
Danach fiel es ihm schwer, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Seine Gedanken kreisten um das Mädchen Lily Jane, das so überraschend in sein Zimmer und, wie er deutlich empfand, in sein Leben getreten war. Er gestand sich ein, dass ihn nicht nur ihre Ähnlichkeit mit Wanda anzog. Die war ja wirklich nur oberflächlich. Ihr natürliches Wesen, ihr Körper, ihre ganze weibliche Ausstrahlung, hatten Gefühle in ihm geweckt, die er sich eigentlich nicht gestatten durfte, weil sie sein inneres Gleichgewicht in Gefahr brachten. Aber es war nun einmal geschehen, er spürte ein heftiges Verlangen. Wenn er nur wüsste, ob sie auch ... ihre kessen, halb tiefsinnigen, provozierenden Redereien schienen es anzudeuten, doch sie war in dem Alter, in dem man gerne spielt, wenngleich ... bei Frauen ist das vielleicht anders, wer kennt sich da schon aus. Er seufzte tief. Wie es aussieht, hat sie mich im Käscher. Sie hat sich meiner bemächtigt, auf raffiniert unraffinierte Weise.
Der alte lebenskluge Heinrich Heine hat schon den Nagel auf den Kopf getroffen: „Ein Tor ist immer willig, wenn eine Törin will ...“. So war es, so ist es, und so wird es bleiben. Die Erbsünde der Mythologie. Nicht übel formuliert - was kann man dafür, wenn einem die Begierde nach dem anderen Geschlecht als Erbteil im Blut liegt? Wanda mag mir verzeihen, die kleine Lily Jane ist ein zu harter Prüfstein für meine Enthaltsamkeit.
Er ließ die Arbeit liegen und musterte seine Garderobe.
Lily Jane erwartete ihn bereits im großen Saal. Sie strahlte auf, als sie ihn erblickte und winkte ihn an ihren Tisch. Ihm war ein wenig beklommen zumute, alle schienen ihn verwundert anzusehen, nicht nur, weil er unkostümiert den Ball besuchte, es waren seine beachtlichen Körpermaße, die unter all den Kostümierten nun besonders auffielen. Verlegen griff er sich an sein Ohrläppchen, knetete es durch, zupfte schließlich mit den Fingern sein kinnlanges, leicht gewelltes Haar zurecht, und war froh, als er sich endlich zu ihr durchgedrängt und neben ihr Platz genommen hatte.
„Du bist gekommen! Wenn du wüsstest, wie ich mich freue. Sieh mal, die neidischen Blicke ... ich gebe es zu, ganz sicher war ich mir nicht ... ihr Europäer ... wir sind gewöhnt, direkt und unverblümt auf unser Ziel loszugehen, aber ihr ...“, sprudelte sie los.
„Wie du siehst, pflege ich im Allgemeinen zu halten, was ich verspreche. Dein Kostüm kleidet dich übrigens gut.“
Sie hatte sich als Indianerin aus dem neunzehnten Jahrhundert ausstaffiert, mit weitem, braunen Kittel und einer bunten Feder in der schwarzen Perücke, die sie fremd erscheinen ließ, wenigstens anfangs, bis er sich daran gewöhnt hatte.
„Schau an, du kannst ja sogar Komplimente machen. Komm, stoßen wir erst mal an.“ Sie hob ihm ihr Glas entgegen. „Auf uns ...! Dass wir Freunde werden, falls du es auch willst ...!“
„Oh, was das anbetrifft, will ich mir schon Mühe geben. Manitu sei mein Zeuge, edle Squaw. Alsdann: Cheerio!“
Der Sekt aus der Retorte, echten konnten sie sich hier selten leisten, prickelte auf der Zunge und war durchaus trinkbar. Wider Erwarten hatten sie wenig voneinander. Die Mädchen drängten sich danach, mit ihm zu tanzen. Lily Jane musste sich jeden Tanz mit ihm regelrecht erkämpfen. Er fühlte sich ein bisschen wie ein Hahn im Korbe und wohl wie lange nicht und verstand nicht mehr, warum er die Gesellschaft der jungen Leute gemieden hatte. Sie waren reizend und himmelten ihn an.
Nach dem Ende des Balls war er allerdings restlos erschöpft. Er begleitete Lily Jane zu ihrem Zimmer. Mehr als einen Kuss erlaubte sie ihm aber nicht. Auch das Liebesspiel hat seine Regeln und kluge Mädchen beachten sie instinktiv. Das wusste er nicht und fühlte sich deshalb enttäuscht.
Kapitel V