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um die Maus nicht zu erschrecken. Die Maus wagte kaum, sich zu bewegen, um von Marianne nicht gesehen zu werden. Aber es war für beide zu spät. Sie hatten sich in die Augen geblickt, und keinerlei Furcht oder Aggression empfunden. Plötzlich drehte sich die Maus um, und lief zum Bambus. Vor einen kleinen Haufen aufgeschichteter Steine blieb die sie kurz stehen, sah sich noch einmal nach Marianne um, und setzte sich dann vor die Steine.

      Marianne war fasziniert, sie hatte erwartet, dass das Mäuschen flüchten würde. Nie hatte sie genügend Zeit, eine der Mäuse im Garten genau anzuschauen. Regungslos saß sie jetzt im Gras und beobachtete die Maus, die ruhig vor den Steinen saß. Nach einer Weile stand sie auf und lief zu dem alten abgeschnittenen Baumstumpf, den Papa schon vor ihrer Geburt an den Teich gestellt hatte. Irgendwo seitlich schlüpfte die Maus dann in den Stamm.

      Das Mädchen wollte es sofort ihrer Mutter erzählen, aber dann fiel ihr ein, dass sie ja gar nicht hier spielen durfte, und ließ es lieber sein.

      Den ganzen Sommer über beobachtete Marianne die Maus. Sie wurde ihr so vertraut, dass sie, wenn die kleine Maus einmal nicht auftauchte, sie schrecklich vermisste.

      Auch in dem Sommer, als sie acht wurde, war die Maus da. Es passierte immer das Gleiche. Kind und Maus starrten sich eine Weile an, dann setzte sich die Maus vor den Steinhaufen. Dort blieb sie eine Weile, um dann in den Baumstumpf zurückzukehren.

      Als Marianne zwölf wurde, vergaß sie die Maus, mit zwölf hatte man andere Sorgen.

      Viele Jahre später, Marianne hatte gerade ihr Studium abgeschlossen, besuchte sie ihre Eltern, um sich mal wieder so richtig verwöhnen zu lassen. Sie lag im Garten auf einem Liegestuhl neben dem Teich und döste vor sich hin, als etwas sie veranlasste, ihre Augen zu öffnen. Eine Maus saß vor dem Steinhaufen und starrte sie an. Sie sah genau so aus, wie das süße Mäuschen ihrer Kindheit, aber das konnte doch nicht sein, oder?

      III

      … ungefähr dreitausend Tage später...

      Letzte Nacht habe ich von den Ratten geträumt, die uns ganz am Anfang einmal behelligt haben. Wenn ich daran denke, überkommen mich immer noch Schauer der Angst. MUS sei Dank, es war nur ein Traum, hoffe ich jedenfalls. Es hat sich anders angefühlt, als ein prophetischer Traum. Es ist eigentlich nur ein Bild von ein paar Ratten gewesen, die still am See gestanden haben. Was mir daran so viel Angst gemacht hat, weiß ich nicht. Wenn eine Gefahr bestehen würde, müsste Benedikte nicht eine Vision darüber haben?

      *

      Während die Jahreszeiten wechseln, haben wir mit MUS´ Hilfe einige Änderungen herbeigeführt. Niemand hat heutzutage mehr als zwei Kinder, die eine hervorragende Ausbildung, ihrer Talente entsprechend, erhalten. Manche werden immer noch mit besonderen Fähigkeiten geboren, diese werden im Orden vom Heiligen See unterstützt und verfeinert. Mutter und Custos haben sich verbunden und leben direkt am Heiligen See. Sie gehen jeden Tag nach draußen, helfen sammeln und essen mit uns gemeinsam.

      Bene hatte sich uns damals angeschlossen, genau wie Auruma und Bellusa. Satis und Autax wollten das nicht, und sind schon lange verstorben.

      Tabitha und Medicus wirken immer noch als Lehrer für Medizin, ihre Kinder sind als Clan der Heimatlosen weggezogen, man hat nie wieder von ihnen gehört. Gemma dagegen unterstützt sie immer noch tatkräftig.

      Tara war eines Tage einfach verschwunden, zusammen mit Karl, dem ehemaligen Ratsherrn. Bevor wir ihr anbieten konnten, das Leben mit uns zu teilen, war sie fort gewesen. Der Name ihres Clans ist irgendwie passend gewesen, sie sind in alle Winde verstreut und inzwischen ganz sicher tot.

      *

      Es ist jetzt Sommer, wir haben den siebten Mond. Benedikte hatte heute morgen eine Vision. Von Westen kommt eine Gefahr auf uns zu, ein schneller Wind, ein großer Sturm. Berti untersucht seine vielen Vorratslager, ob alles trocken und sicher ist.

      „Maxi, kannst Du mal kommen?“ Er ruft nach mir. Ich gehe hinüber und schaue mir an, was er mir zeigen will.

      „Diese Beeren, etwas hat sie angeknabbert, es sieht fast aus, wie aufgerissen und es war keine Maus!“

      Tatsächlich sehen die Bissspuren nicht nach Mäusen aus. Wir hinterlassen andere Abdrücke. Was könnte das gewesen sein, wir hatten noch niemals eine andere Spezies in unserem Bau. Höchst alarmierend also.

      Da ertönt ein lauter Pfiff aus dem inneren des Erdbaues. Dieser Pfiff bedeutet eindeutig Gefahr. Cito kommt sofort angerannt, gefolgt von Beatus. Sie stürmen in den Erdbau, Berti und ich folgen ihnen dicht auf den Fersen.

      „Da hinten habe ich sie gesehen,“ schreit Activa, „es sind zwei, ein großer und ein kleinerer.“ Sie wirkt aufgeregt. Berti nimmt seine Frau tröstend in den Arm. Activa ist normalerweise nicht so leicht zu erschrecken. Sämtliche Schüler strecken ihre Köpfe aus den Unterkünften, sie bereiten sich gerade auf den Unterricht vor, der bald beginnen soll. Der Alarmpfiff und der allgemeine Tumult haben sie neugierig werden lassen.

      Cito und Beatus rennen in die angewiesene Richtung, plötzlich hört man sie lachen. Ich laufe zu ihnen und dann sehe ich den Grund dafür, ein paar Hirschkäfer, er riesig und ängstlich an die Wand gedrückt, sie, wesentlich kleiner steht schützend vor ihm.

      „Wehe, Ihr rührt meinen Mann an,“ droht sie mit gefletschten Zähnen. Ich trete vorsichtig einen Schritt nach vorne und spreche sie an.

      „Wir werden Euch nichts tun, aber verratet Ihr mir, wie Ihr hier herein gekommen seid?“

      „Nun, wir suchten Schutz vor dem Sturm, der sich zusammenbraut. Ich schaute vorsichtig durch das Loch im Baumstumpf und sah niemanden. Es war groß genug, also brachte ich meinen Mann hier herein, aber er hatte Hunger. Bitte entschuldigt, aber ich habe in Eurer Kammer ein paar Beeren aufgerissen, damit er den Saft auflecken kann. Wenn er hungrig ist, wird er immer etwas unleidlich, und das kann ich heute nicht gebrauchen. Der aufkommende Sturm verursacht mir Kopfschmerzen.“ Ich versuche mein Gesicht nicht zu verziehen und das Lachen zu unterdrücken. Nachdem ich mich etwas gefasst habe, frage ich weiter.

      „Und wie seid ihr hier herunter gekommen?“

      „Nun,“ antwortete sie, „das war das erste Loch, das wir finden konnten, als wir aus der Kammer stürzten. Leider haben wir zu spät gemerkt, das es hier noch sehr viel mehr Lebewesen gibt. Wir suchten nach einem Ausweg, als plötzlich eines der Wesen laut pfiff. Mein Wolfram hat es mit der Angst bekommen, also habe ich versucht, ihn zu beschützen. Das müsst ihr doch verstehen, ihr würdet Eure Männer doch auch beschützen, oder?“ Sie sieht mich nach Zustimmung heischend an. Inzwischen kichert es aus allen Wohnhöhlen.

      „Selbstverständlich,“ sage ich mit ernster Miene.

      „Mein Name ist Maxi, das sind Cito und Beatus. Der Name Eures Gatten ist Wolfram, aber wie lautet der Eure?“ Sie schüttelt den Kopf.

      „Natürlich, das hatte ich vergessen, Säuger haben es mit der Etikette. Nun gut, meine Name ist Hedwig, und das ist, wie Ihr schon gemerkt habt, mein Mann Wolfram. Eigentlich dringen wir nicht in fremde Heimstätten ein, nur im Notfall, so wie heute, der Sturm, Ihr versteht?“ Wir verstanden.

      „Ihr könnt gerne hierbleiben, bis der Sturm vorbei ist.“

      „Wo sollen wir denn sonst hingehen,“ sagt Hedwig.

      „Wollt Ihr noch etwas Essen?“ Frage ich. Sofort richtet sich Wolfram zu seiner vollen Größe auf, sein Geweih ist fast größer als sein Körper, er ist eine imposante Erscheinung.

      „Ein wenig Fruchtsaft oder Nektar könnte ich schon noch vertragen.“ Ich lächle beide freundlich an.

      „Gut, dann kommt mit in die Halle, wir werden Euch etwas bringen.“

      Mit den Hirschkäfern im Gefolge, gehen wir alle gemeinsam wieder nach oben. Activa holt noch ein paar Beeren und legt sie vor Wolfram und Hedwig auf den Boden. Sofort reißt Hedwig die Früchte mit den gewaltigen Reißzähnen auf und schiebt

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