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Schmerzen auf. Wir hören es. Manche von uns warten. Andere aber singen ein Lachen über ihr Leid und hacken freudig weiter. So ist es bei uns - Rabe ist nicht gleich Rabe. Solche gibt’s und solche. Die anderen sind am besten genährt. Sie überleben uns alle in Zeiten der Not. Also ist diese Welt nicht das Paradies.“

      Ich nicke ihr zu, verstehe. Alles scheint mir höllendüster auf dieser Erde. Höllen - Feuer, denke ich. Bin ich denn ein Magier oder nicht? Erinnere mich und hebe meine Arme empor, schließe meine Augen und wachse gewaltig. Noch immer in Menschengestalt singe ich die Elbenworte. Aus tiefsten Tiefen in mir braust es weiß heran, glüht auf im Zentrum meiner Stirn, verlässt sie jetzt, bricht wie ein Sonnenstrahl hervor.

      Schreiend weichen die Nebel zurück. Denn Licht zerteilt das Dunkel und bahnt sich einen Weg.

      Stimmen aus fernen Zeiten und Welten sehen, staunen, murmeln und beten: „Und siehe, es war ein Leuchtender Pfad, ein funkelnder Weg, der sich durch feuchte Wiesen wand. Ein Pfad war es, glitzernd wie diamantenes Feuer. Es war der Kristallene Pfad seiner Sehnsucht, sein Lebensweg, der sich da schweigend am Morgen dieses einen neuen Tages auftat. Seht und staunt und betet. Denn er und sie sind ...“

      Und nicht nur ich höre diese Stimmen, sondern auch die Rabin auf meiner rechten Schulter.

      Und sie ruft lachend: „Ach, du bist es ja, von dem die Rabenweisen schon immer sagten, dass er eines Tages kommen werde, einer, der ist wie wir und anders doch zugleich. Kommen wird er, sprachen sie, um uns von Füchsen, Greifen und Menschen zu befreien. Du bist der Erlöser!“

      Ich aber schweige, weil ich weiß, dass ich nicht der bin, für den sie mich hält. Immer wieder gab es einen unter den Menschen - und anderen Wesen, in dem manche den Messias sahen. Einer war es nicht, zumindest nicht der König, den sie sich erhofften. Er konnte es nicht sein. So ließen sie ihn ans Kreuz schlagen. Und doch verbreiteten sich seine Lehren und die seiner Jünger ... Weh mir, was mir passieren mag!

      Die Rabin aber, die meine Gedanken liest und alles versteht, weint: „Du bist es also nicht! Und alles bleibt, wie es ist. Also ist das Rabenparadies auf Erden noch immer nur ein Traum.“

      Ich bleibe stehen, trete für einen Augenblick aus meinem Körper und sehe sie lange an, die da auf meiner rechten Schulter sitzt, und erkenne dich wieder in ihr:

      „Aber du bist es ja?! Du bist es und weißt selbst nicht, dass du es in Rabengestalt bist! Mein Gott, du bist die fehlende Hälfte des Mannes zum Menschen! Du bist meine Liebe, Nai... Welch seltsame Dinge geschehen nur hier mit dir und mir!?“

      Diesmal aber versteht sie nichts, kann es mit ihrem Rabenverstand nicht begreifen.

      So kehre ich in meinen Menschenkörper zurück.

      So gehen wir schweigend und unvereint auf meinem Leuchtenden Pfad weiter, der sich schlängelnd durch den Nebel windet.

      Was wir beide aber wissen, ist dies: Irgendetwas wird geschehen. Dieser Nebel wallt nicht umsonst. Dieser Nebel ist Tarnung für das, was darunter schlummernd oder lauernd liegt. Wir werden ihm begegnen. Und nichts wird wieder so sein wie zuvor. - Doch ist es nicht immer so?

       So schritten sie still dahin. Wie Wächter ragten die schwarzen Äste und Gipfel toter Bäume aus der Nebeldecke empor. Alles war wie ein Traum - ein magisch schöner Traum, kein Monster nirgendwo, kein Alb. Also packten die Nebel weder Manfred noch die Rabin auf seiner Schulter. Also behielt er seine Führerin bei sich und ging mit ihr auf dem schmalen Pfad aus Licht durchs stille Moor, zu dem die Wiesen längst geworden waren.

      „Schläfst du? Wach auf! Was siehst du?“, spricht irgendwer mit tiefer, donnernder Stimme tief in mir?

      Ich schrecke auf. Schaue mich um.

      Vor mir ragt ein gewaltiger Felsen aus den Nebeln auf, moosbewachsen, immer wieder zur Regenzeit von Bächen überströmt.

      Nun gut - aber der redet ja!

      „Fremder, du denkst, die Drachen wären vergangen, vor Zeiten gegangen, von Schwertern und Heiligen Lanzen der Ritter zerschlagen. Doch da irrst du gewaltig. Lausche meinen Worten und staune, wenn du denn hören kannst und willst!“

      Also schließe ich meine Augen und lausche dem Sprechenden Fels:

      „Einst zog ein Magier aus, der einen Menschenkörper trug, die Drachen zu suchen. Nach langer Zeit fand er sie endlich im Tal der Tausend Nebel.

      ‘Sei gegrüßt, Bruder!’, sprachen die Drachen in ihm.

      ‘Seid gegrüßt!’, antwortete er ihnen und wunderte sich nicht darüber, dass sie ihn ‘Bruder’ genannt hatten.

      Sie führten ihn in das Zentrum des Steinernen Kreises. Dort sahen sie ihn mit ihren feurigen Augen an.

      So schlief er ein und begann zu träumen, sah sich im All schweben und die dunkle Seite eines fernen Planeten betreten. Dort war es, wo ihn das Licht des roten Sonn so überraschend traf - denn die dunkle Seite blieb nicht finster, denn der Planet hatte begonnen, sich schneller zu drehen. Erstaunt sah er empor und schloss die Augen nicht, erhob sich von der Erde zu dem Lied, dem magischen Ton, den der Planet nun sang, hob seine Hände empor und sah sie staunend an. Denn seine Hände waren weder weiß noch gelb noch schwarz, sie waren nicht mehr nackt und doch ohne Fell und ohne Federn, sie waren von leuchtend grünen Schuppen bedeckt. Jetzt wusste er, dass er schon immer ein Drache gewesen war.“

      Ich schrecke auf wie aus einem Traum und öffne meine Augen und - finde mich noch immer im Nebelland. Meine Hände sind Menschenhände: weiße, nackte Haut, wenig behaart. Keine Kleidung hüllt mich ein. Denn es ist warm geworden. Kein Sprechender Felsen - nirgendwo. Doch auch die Rabin auf meiner Schulter, die mir ihren wahren Namen nicht verraten wollte, hat mich unbemerkt verlassen. So bin ich wieder allein.

      Welch seltsame Dinge ich doch träumte!? Ist alles wahr? War es, ist es oder wird es sein? Vielleicht aber bin ich gar nicht hier, sondern schlafe irgendwo in weiter Ferne, träume dort mehr, als manch einer sich erträumen mag, träume dort meinen Traum vom Nebelland, in dem ich träume zu erwachen und mir diese Fragen jetzt und hier zu stellen?

      Traumfetzen hüllen mich noch immer ein, während ich mir verschlafen die Augen reibe. Bilder und Fragen, denke ich, Nebel hier und Nebel da, drei waren wir.

      Drei.

      Ich bin einer von denen, die sich einst trafen in einem anderem Nebeltal, irgendwo und irgendwann.

      Drei in dunkle Mäntel gehüllte Gestalten sind wir - denn es ist klirrend kalt an diesem Morgen. Längst haben wir unsere Schwerter gezogen, erhoben. Dort oben berührten sich klirrend unsere Klingen. Dieses Klirren aber klingt und singt und hallt noch immer fort.

      Ich sehe die anderen dicht vor mir und kann doch ihre Gesichter nicht erkennen. Denn dort, wo Augen, Nase und Mund sein sollten, ist nur Schwärze.

      Dreimal Gevatter Tod wäre zweimal zu viel.

      Sind wir alle drei Männer? Sind Frauen dabei? Ob die anderen überhaupt Menschen sind?

      Erdenmutter bebt. Aufgehender Sonn, dessen erste Strahlen für einen Augenblick bis zur Erdoberfläche reichen und die Klingen zu rotem Feuer werden lässt.

      Dann umhüllen uns wieder nur Nebel.

      Stumm stehen wir unbewegt den ganzen Tag, den Abend und die Nacht.

      Um Mitternacht geschieht es, schlägt der Blitz ein, wirft Feuer in die Dreiheit/Einheit unserer Schwerter.

      Sie brennen in weißem Licht.

      Weiter frisst sich die Glut - z e i t l u p e n h a f t - von der Spitze zur Basis der Klinge, zum Griff, zur Hand, zum Arm, zum Rumpf.

      Drei glühende Fackeln in der Nacht sehe ich nun.

      Und eine davon war ich?

      Erinnere

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