Скачать книгу

ja ständig. Also noch einmal: Guten Tag, Frau Drachin. Welche Pracht und so chinesisch! Ganz entzückt von ihrer Gestalt. Wahrhaftiges Sinnbild der Einheit von Wasser und Land, Himmel und Erde, Geist und Materie, Gut und Böse ... Aber was rede ich da? Sie sind doch echt! Oder etwa nicht?“

      Ich verschnaufe und rieche nicht ihren dampfenden Atem, der mich nun umbläst. Denn ich habe nur noch Augen für ihr goldenes Haupt. Und erst ihre Augen aus Kristall, ihre träumenden, leuchtenden Augen!

      Was ist das? Bin ich nähergerückt oder weshalb sind sie plötzlich so groß?

      Und was schlängelt sich da in ihnen durch Schwärze?

      Das ist ja ein leuchtender Pfad, ganz wie der meine. Er ist es ja! Habe ich ihn wieder einmal erblickt: meinen Weg zu mir. Ich schaue ihn an, mein Blick folgt ihm tief hinein in Drachenaugen, Drachengedanken und Drachenträume.

      „Schau!“, spricht der magische Blick der Drachin noch immer.

      Ich tue es ja, tue es noch immer, bin längst gebannt, gefangen in ihren Augen, finde mich wieder in einem ungeheuren Raum und begreife, was mein Schwert OM mir schon zeigen wollte: Hier im Drachenland ist all meine Magie ohne Wirkung.

      Das aber weiß die Drachin längst. Lächelnd - ja, auch Drachen können das, doch nicht so wie Menschen, denn Drachen haben keine Menschengesichter, es ist ein Lächeln von Weisheit und Erleuchtung - lächelnd treten ihre Gedanken in mich ein.

      Starr stehe ich, Manfred der Magier, winziges Wesen, noch immer in meiner Menschengestalt - worin sonst!? Doch nackt, nun ohne Bärenfell - vor ihr.

      Und lautlos schießen ihre Feuer auf mich zu, hüllen mich ein ...

      Draußen sehe ich meinen Magier-Menschenkörper verglühen Geschah das nicht alles schon einmal?, frage ich mich noch.

      Draußen habe ich meinen Körper verloren.

      Das ist geschehen, Vergangenheit.

      Jetzt lebe ich in den leuchtenden Augen der Drachin und sehe mit ihnen, wie ein Wirbel von Luft, Atem aus ihren/meinen Nüstern, die Asche meines Menschenkörpers fortbläst.

      Weißt du eigentlich, wie die Welt entstand, wie unsere Welt entstand?, denkt sie mir zu, der ich nun in ihr bin.

      Ach, ich höre es ja in dir. Du weißt es nicht. Nun gut, ich sage es dir. Lausche meinen Gedanken!

      Und die Drachin erinnert sich. Ihre Gedanken wandeln sich zu Worten in meiner Seele: Am Anfang teilte sich das Weltenei in Leichtes und Schweres, in Yang und Yin, denn P’an-ku, der Weltenschöpfer war gewachsen. Als aber der Drachenköpfige mit dem Leib einer Schlange starb, bildete sich aus seinem Körper die Vielfalt der Erde: Flüsse wurden aus seinen Tränen, aus seinem Haar und seinen Augenbrauen entstanden Sterne und Planeten, sein Schweiß verwandelte sich in Regen und die in seinem Haar nistenden Flöhe wurden Menschen. Und nun fragst du noch immer, wer wir sind?

      Wir sind die Herrscher von Himmel, Unterwelt und Wasser.

      Dies hier aber ist unsere Welt inmitten eurer Welt, der du den Namen Nebelland gabst.

      Dann Schweigen.

      Schließlich kommt die Antwort auf die nie gestellte Frage: Es gibt solche und solche Drachen, denkt die Drachin, in der ich nun wohne, mir zu. Ist es nicht auch so bei Magiern und Menschen, bei Raben und Spinnen, bei allen Wesen?

      So ist es, antworte ich im Geist.

      Unter den Drachen der Finsternis, die das Dunkel lieben, gibt es solche, die liebend dort leben. Sie haben ein schwarzes Herz und es ist gut. Und solche gibt es dort, die ein weißes böses Herz besitzen und ihre Kräfte gebrauchen, um andere Wesen zu quälen, mit Feuer zu foltern und langsam zu töten.

      Und so ist es auch bei den Drachen des Lichts, die im Tag wohnen: manche haben schwarze böse Herzen und missbrauchen ihre Macht. Die anderen mit den weißen guten Herzen lieben das Leben, wie wir, wie ich, wie DU!

      Verwundert sehe ich in ihr auf:

      Bin ich denn ein Drache?

      Da dachte ich doch immer, ich wäre nur ein Mensch mit magischen Kräften, der die Körper anderer irdischer Wesen annehmen kann, doch niemals den eines Drachen.

      Wie ist dein Name, Große Drachin?

      Wir tragen viele Namen, so wie Menschen Kleider tragen, wie auch dir viele Namen gegeben wurden. Doch erinnere dich und nenne mir einfach den Namen deiner Mutter!

      Und ich stammle Silben, die sich zu Worten verbinden und weiß nicht, woher ich sie weiß und spreche/denke ihr zu: „Meine Mutter ... hieß ... heißt für alle Zeit ‘Smorré-Aié’.“

      Ja, das ist der Name deiner Mutter. Das ist mein Name!, höre ich sie in mir lachend sprechen.

      Und staunend begreife ich. Mutter!, stammle ich weinend in ihr und sehe alles: Du bist es, die einst vom Vater Sonn begattet und befruchtet wurde. Verstehe. Wie viele Jahrhunderte, Jahrtausende mögen seitdem vergangen sein, damals lichteten sich die Nebel für eine Sekunde nur, hier unten in dieser Dimension des Nebellandes. Das war der Lichtschrei von Sonn und Erde und mein Beginn.

      Also weißt du, wer dein Vater ist.

      Ja, jetzt erinnere ich mich, als wäre ich dabei gewesen, ich war ja dabei als Ei und Sonnensamenstrahl.

      Mein Gott, wie kann ich mich an meinen Ursprung erinnern?

      Das können doch weder Mensch noch Magier! Doch ein Drache, eine Drachenseele ...

      Denn da ist noch mehr, sind auch noch die Erinnerungen an meine zweite Geburt, dem Schlüpfen aus dem Ei.

      Und ich erinnere mich an meine dritte Geburt als Magier, das war einst vor langer Zeit am Beginn meiner Reise. Glaubte ich doch damals noch, als ich die Stadt verließ, als strahlend schöner Menschenheld dem Drachen zu begegnen, dem Drachenungeheuer, das meine Prinzessin bewacht, wollte den Drachen im heroischen Kampf besiegen, dann Siegfried gleich im Drachenblut baden, meine Liebe befreien und mit ihr für „immer und ewig“ zusammen sein. Welch irrealer Märchentraum das doch war!

      Nun habe ich meine Mutter gefunden. Und sie ist eine Drachin!

      Also bin ich kein Drachentöter, sondern ein Drache und weder Held noch Prinz noch Mensch. Und weit und breit ist da keine Prinzessin in Sicht, die ein Drache, die ich mir gar selbst einst raubte. Nairra ist nicht mehr, denn sie starb. Was aber ist mit Drefman, wenn er denn mein Bruder und meine dunkle, schwarze Seite ist, so wäre ja auch er ein Drache und Sohn vom Sonn und meiner Drachin-Mutter? Doch nein, das kann niemals sein, wo er doch schwärzer ist als schwarz, ein Kind der Unterwelt, das sich am wohlsten bei Nacht und in den Höhlen unter der Erde fühlt, wo Menschen Höllen vermuten, in eisiger Kälte an den Polen und in tiefsten Meerestiefen. Also kann er nicht mein Bruder sein, obwohl ich ihn einst so nannte und ihn als mein Spiegelbild sah!

      Dann Stille - Strom, Fluss, Bach und Quelle versiegen.

      Keine Worte.

      Keine Gedanken.

      Die Augen geschlossen - Verharren im Nichts, das alles ist.

      Draußen wird es dunkel und Nacht, aber niemals völlig finster. Denn über den Bergen geht rund und voll, hinter Nebeln fast verborgen, schwach, verschwommen, klein und fern, die Volle Mondin auf.

      Aus dem Schlaf gerissen, plötzlich erwacht stehe ich auf. Bin wieder allein. Keine Drachin weit und breit. Ist es Zeit, wofür?

      Meine rechte Hand ergreift das Schwert, zieht es aus meiner linken Seite, wo es schlummernd ruhte. Nun rast es leuchtend im Halbkreis nach rechts und dann zur Mitte zurück. Ich halte es aufrecht vor mir. So wird Nacht zu Tag für Drachenaugen.

      Doch da ist nichts und niemand weit und breit, was mir gefährlich werden könnte.

      Der Feuerstrahl erlischt.

      Betrachte mein

Скачать книгу