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Wohlwollen, andere mit Neugier oder vielleicht sogar ein wenig Mitleid. Er schauderte, fühlte Gefahr, ein Prickeln zwischen den Schulterblättern. Was konnten sie nur von ihm wollen?

      Schließlich sprach ihn der Älteste mit tiefer, volltönender Stimme an, die in Yals Innerem vibrierte.

      „Nun, Yal Rasmon“, sagte der große, weißhaarige Magier. „Sei gegrüßt. Du wirst dich bestimmt fragen, warum wir dich gerufen haben.“ Varruk machte eine kleine Pause und legte die Fingerspitzen aneinander. „Wir haben dich gerufen, weil wir eine Aufgabe für dich haben.“

      Yal starrte Varruk Erasant überrascht an. „Eine Aufgabe? Ich bin nur ein geringer Diener der Elemente. Was könnte ich schon für die Herrinnen und Herren des Weisen Rates tun?“

      Er biss sich auf die Lippen. Zu viele Worte, zu wenig Vorsicht.

      Varruk Erasant lächelte. Aber das kalte Funkeln in seinen gelben Augen jagte Yal einen Schauer über den Rücken.

      „Deine Bescheidenheit ehrt dich, Yal Rasmon. Aber sie ist fehl am Platz.“ Varruk schlenkerte lässig mit der Hand. Der große Rubin, den er an seinem Ringfinger trug, blitzte kurz auf.

      „Doch einerlei. Du magst über deine Stärke denken, wie du willst. Wie gesagt, du wirst diese Aufgabe übernehmen und sie würdig erfüllen.“

      Yal seufzte innerlich. Varruk hatte ein Talent für Dramatik. Wann kam er endlich auf den Punkt?

      „Wie du ja sicher weißt, haben wir ein wertvolles Mitglied unseres Rates verloren. Madryl Ardolans Hinscheiden hat uns mit Trauer und Zorn erfüllt. Und noch immer ist die Ursache seines Todes nicht geklärt und der feige Mörder nicht gefasst.“

      Yal hörte unterdrückte Seufzer aus den Reihen der Magier.

      Varruks schneidende Stimme ließ ihn zusammenzucken.

      „Wir müssen ein neues Mitglied berufen, damit der Rat wieder vollständig ist. Und wir haben dich auserkoren, Yal Rasmon.“

      Yals Atem stockte. Er glaubte, sich verhört zu haben. „Mich? Aber … warum?“

      In den Augen der anderen sechs Magier las er seine eigene Überraschung. Auch sie hatten wahrscheinlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, was Varruk geplant hatte.

      Varruk lachte. Ja, das musste ein Spiel genau nach seinem Geschmack sein! Er liebte es über alles, seine Umgebung zu verblüffen.

      „Warum nicht, Yal Rasmon? Ich sagte schon, dass du stark bist. Und du bist ein Feuermagier. Wir können niemanden wählen, der einem anderen Element angehört, sonst wäre das Gleichgewicht nicht gegeben.“

      „Ja, das leuchtet mir ein. Aber eigentlich …“ Yal war noch immer benommen. Es stimmte nicht, was Varruk sagte. Er war kein Feuermagier, trug auch Anteile von Wasser und Erde in sich. Eine Ungewöhnlichkeit, die ihm bisher nicht zum Vorteil gereicht hatte. Erst die Lehrzeit bei Varruk Erasant hatte seinen feuermagischen Anteil gestärkt. Und was hatte er schon getan, um diese Ehre zu verdienen? Gar nichts. Im Gegenteil. Seit er sich in Findward niedergelassen hatte, vernachlässigte er seine neu gewonnenen Kräfte und widmete sich Aufgaben, die eigentlich ein Erdmagier erfüllte. Heiltränke aller Art herzustellen war eine wenig ehrenvolle Tätigkeit für einen Feuermagier.

      „Woher willst du wissen, dass Yal Rasmon wirklich für diese Aufgabe geeignet ist? Er scheint mir etwas sehr jung zu sein.“ Die dunkle Stimme der schönen Wassermagierin ließ sein Inneres erbeben.

      Varruk hob die Augenbrauen. „Liebste Lalana - natürlich wird er zuvor noch einen besonderen Auftrag erfüllen müssen, um sich wirklich würdig zu erweisen.“

      Lalana. Lalana Yallasir, die Gefährtin Madryls. Das war sie also. Yal hatte von dieser außergewöhnlichen Verbindung gehört. Es kam sehr selten vor, dass sich Magier verschiedener Elemente fanden.

      Der Älteste erhob sich mit einer eleganten Bewegung. Instinktiv wich Yal einen Schritt zurück, als der alte Magier auf ihn zukam.

      Varruk tat, als würde er es nicht bemerken und wandte sich an die anderen Ratsmitglieder.

      „Ihr wisst alle, mit welcher Aufgabe Madryl Ardolan beschäftigt war.“

      „Er versuchte, die Elementsteine zu finden, mit denen die magischen Welten wieder geöffnet werden können“, sagte Lalana Yallasir. „Und er war auf der Suche nach dem Tor zu Myn Fantrix, dem Ort, der Unsterblichkeit gewährt.“

      „Und – hatte er Erfolg?“ Der zweite Wassermagier beugte sich interessiert vor. „Wir haben ja nie etwas darüber erfahren. Es wurde ein großes Geheimnis aus den Nachforschungen Madryls gemacht.“

      Varruk nickte. „Natürlich. Es wäre auch jetzt noch zu früh, etwas zu offenbaren. Nur so viel – er war auf dem besten Weg, sein Ziel zu erreichen.“

      Varruk holte einen Beutel aus seiner Robe und übergab ihn Yal. „Öffne ihn!“

      Yal tat, wie ihm geheißen und leerte den Inhalt auf seine Handfläche. Vier Steine, klein und bunt wie Kinderspielzeug. Weiß, rot, braun und blau. Die Farben der Elemente. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor den Augen und hinter seiner Stirn begann es dumpf zu klopfen. Er blinzelte und es war vorbei.

      Lalana Yallasir sprang auf, starrte auf die ausgestreckte Hand Yals und sog mit einem scharfen Geräusch die Luft ein. „Die – die Abbilder der Elementsteine! Du hast sie! Woher …?“

      Der Älteste brachte sie mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen. „Das ist einerlei. Es ist nur wichtig, dass sie in Sicherheit sind.“

      „Wo ist der fünfte? Es gab fünf davon. Der Stein für Myn Fantrix – der Wichtigste, die Schöpfung Madryls - wo ist er?“

      Varruk zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Er ist verschwunden.“ Er wandte sich an Yal. „Es wird deine Aufgabe sein, ihn zu suchen. Ohne das Abbild von Myn Fantrix sind die anderen vier wertlos. Nur mit allen fünf zusammen kann man den Aufenthaltsort der wahren Elementsteine ermitteln.“

      Yal betrachtete die Steine. In seinem Kopf drehte sich alles. „Ich … ich habe keine Ahnung. Warum ich?“

      „Ja, warum er? Ich habe mit Madryl zusammengearbeitet, ich kenne die meisten Rituale, die er benutzt hat, kenne seine Magie. Warum nicht ich?“, fauchte Lalana Yallasir.

      Yal wich zurück. Eine Wolke aus Nebel wallte auf ihn zu, hüllte ihn ein. Durchdringender, modriger Geruch stieg in seine Nase.

      Varruk wischte mit einer Handbewegung den Nebel weg, ließ ihn verdampfen.

      „Nur ein Feuermagier kann das Ritual durchführen, liebste Lalana, das weißt du so gut wie ich. Nur Feuer vermag die fünf Steine zu verschmelzen, sie zu einer Einheit zu machen und damit den Blick zu öffnen für die Magie der Elementsteine.“ Varruks Stimme klang nachsichtig, so als ob er zu einem ungezogenen Kind sprechen würde. Lalana sah ihn stumm an, aber in ihren blauen Augen leuchtete noch immer Zorn. Abrupt wandte sie sich ab und kehrte zu ihrem Stuhl zurück, ein Bild gekränkten Stolzes.

      „Könnte uns Unwissenden vielleicht jemand erklären, worum es hier eigentlich geht?“ Die tiefe Stimme Sel Dragmons unterbrach die Stille.

      Varruk drehte sich mit einer fließenden Bewegung um. Die Blicke der beiden Magier kreuzten sich. Sel Dragmon hielt dem Feuermagier stand, obwohl so etwas wie Angst in seinen Augen aufflackerte. Ein Lächeln schlich sich auf die Züge des Ältesten. „Was genau willst du wissen, mein Lieber?“

      „Madryl hatte die Aufgabe, die Elementsteine zu suchen. Aber was hat es mit diesen Abbildern auf sich?“

      „Hast du das Buch der Mythen nicht gelesen?“ Leichter Spott klang in den Worten des Feuermagiers.

      Sel Dragmon hob die Augenbrauen. „Natürlich. Aber ich dachte …“

      „Du dachtest, es genügt, sie zu finden, oder?“ Varruk breitete dramatisch die Arme aus. „Aber das allein ist es nicht.“

      Ein leiser Seufzer wisperte durch die Halle. Jetzt war der

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