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das Wasser zurück und gab völlig aufgeweichten Boden Preis. Wochen später erschienen einige der Fremden im Hospital. Sie hatten Malaria, wurden unbeschreiblich von Mücken geplagt. Carlina konnte die Krankheit nicht behandeln. Verriet ihnen aber, aus welchen Pflanzen sie ein wirksames Antimückenmittel gewinnen konnten. Die fremden Malariakranken mussten das Dorf sofort wieder verlassen. Denn wenn sie von Dorfmücken gestochen werden, würde diese die Malaria auf Zoratoms Bürger übertragen.

      Eigentlich ist Zoratom, zusammen mit Ettenheim, auch eine Insel, denn der Ort ist nur über die zwei Brücken zu erreichen. Nach Norden und Süden, jenseits der Wiesen und Felder, gibt es in den Vorbergen keine befahrbaren Wege mehr. Im Osten steht der Urwald des Schwarzwalds, in den nur noch Wanderpfade führen. Für jeden Fremden ist die Anfahrt oder der Anritt ein besonderes Erlebnis. Wenn die Räder über die Brücken hallen oder die Hufe auf die Bohlen donnern weiß ein jeder, dass er nun eine andere Welt betritt. Eine Welt, in der es viel mehr gibt als in der eigenen. Die anreisenden Fußballer wissen natürlich von dem Krankenhaus und den fähigen Ärzten. Wissen von Schmieden, Schuhmachern, Gerbern, Korbmachern, Töpfern, von köstlichen Backwaren, dem sagenhaften Restaurant, den Geschäften, den vielerlei Obst-und Feldfrüchten und dem Markt. Wissen, dass vieles angeboten wird, was es zuhause nicht gibt. Alles wollen sie sehen und probieren.

      Die größte Überraschung ist das Ausmaß des Sportheims. Es ist neu. Im Innern gibt es eine Theke, eine Bühne, und Tische und Bänke für bestimmt dreihundert Menschen. Im Seitentrakt sind eine umfangreiche Toilettenanlage und zwei Umkleideräume mit Duschen untergebracht. Warmwasserduschen. Das Haus ist aus Stämmen errichtet. Nach dem Brückenbau hatten nicht wenige Männer Lust, noch etwas anderes aus Bäumen zu gestalten. Die Ratsversammlung beschloss, ein größeres und dichteres Sportheim zu bauen und danach das alte abzureißen. Weil die Gemeinschaft über elektrische Sägen verfügt, gingen die Arbeiten schnell voran. Fenster und Türen wurden alten Gebäuden entnommen. Das Dach wurde mit selbstgebrannten Dachpfannen belegt, darauf die Photovoltaikanlage des alten Sportheims montiert. Damit war die Bautätigkeit aber nicht beendet. Inzwischen entstehen auch Wohnhäuser in Holzbauweise. Manche haben einfach Lust auf ein neues Haus und da man nun weiß wie es geht, spricht nichts dagegen, den Ort endlich mal zu modernisieren. Erstmals seit der Pandemie vor achtzig Jahren werden neue Wohnhäuser und Scheunen errichtet. Aus Stämmen, Balken und Bohlen.

      Es wird unruhig in der Ortschaft. Zwei Mannschaften und ihre Anhänger treffen tagsüber ein, die nächste Mannschaft gegen Abend, die letzten zwei erst während der Nacht. Auf dem Zeltgelände herrscht emsiges Treiben, an Schlaf ist nicht zu denken. Getränke werden verlangt, und Brennholz. An den Lagerfeuern wird die Ankunft gefeiert und werden Bekanntschaften gemacht. Am willkommensten ist die Gruppe aus Bruchsal, denn die Bierbrauer haben volle Fässer mitgebracht. Mit deren Inhalt gedenken sie ihre Verpflegung einzutauschen. Schon kurz nach deren Ankunft tauschen die ersten Einheimischen Wein- und Schnapsflaschen gegen volle Bierkrüge. Es wird gelacht und gesungen, man geht von einem Feuer zum nächsten, schaut was es zu trinken gibt und wo schöne Mädchen und Kerle sitzen. Eifrig werden Freundschaften geschlossen. Richard erlaubt seinen Spielern lediglich ein Bier, zum Kosten. Ansonsten hat die Gastgebermannschaft Alkoholverbot, denn sie stellt auch die Aufsicht und dabei ist es nützlich, wenn die Aufpasser kühlen Kopf bewahren können.

      Umso stiller ist es am nächsten Morgen. Gegen Mittag drängen die Gäste ins Sportheim um zu frühstücken. Richard steht an der Essensausgabe und grinst fröhlich vor sich hin. Die gegnerischen Mannschaften haben dem örtlichen Wein und Schnaps ordentlich zugesprochen. Das Schädelbrummen ist ihnen deutlich anzusehen. Sie sind geschwächt. Richard hat einiges von seiner introvertierten Art abgelegt. In den vergangenen Jahren hat er mit Carlinas Hilfe gelernt, die Leute, mit denen er sich unterhält, auch anzuschauen. Zumindest solange sie reden. Seine Antworten spricht er immer noch an ihnen vorbei.

      Nach dem Frühstück, manche mit einem belegten Brot in der Hand, marschieren die Gäste durchs Dorf. Werden magisch vom Hospital angezogen. Urs und Meggy, Zoras Kinder die auf die Achtzig zugehen, treten heraus und erklären, was das Krankenhaus alles kann. Dann kommen auch noch die neue Oberärztin Kim, Meggys Tochter, und Gesche die Zahnärztin heraus. Die Alten sind nur noch Assistenten. Die Älteste, Elfriede, forscht nur noch an Pilzen. Ihr Stammplatz befindet sich am Tisch hinter dem Wohnhaus. Bei schönem Wetter. Sonst forscht sie im Labor mit Blick nach draußen. Sie ist noch Ratsmitglied. „Solange ich zum Sportheim gehen kann, bleibe ich im Rat“, sagt sie.

      Die Gäste streunen in Gruppen von einer Werkstatt zur anderen. Kaufen sich Schuhe, Stiefel, Jacken, Hosen, Socken und anderes, solange es noch etwas zu kaufen gibt. Schauen interessiert, was der Schmied gerade bearbeitet, was der Steinmetz auf Lager hat, holen sich Anregungen bei den Schreinern, Zimmermännern und Töpfern. Dann verschwinden einige im Laden, andere in der Bäckerei und kommen mit Obst oder Gebäck wieder heraus. Manche gehen ins Restaurant teuer essen. Die sich schon auskennen, gehen in Grisslys Kantine und essen umsonst. Eine Gruppe ist von Buran eingeladen und marschiert zu dessen Hof am Waldrand.

      Als die Sonne etwas tiefer steht und das Essen verdaut ist, füllen sich die zwei Sportplätze mit Spielern. Jeder will die Qualität des Platzes testen und sich warm kicken. Bis in die Dunkelheit hinein wird gebolzt, Beleuchtung gibt es keine. An diesem Abend bleiben alle nüchtern, denn morgen früh steht das erste Spiel an. Das Eröffnungsspiel bestreiten Zoratom und Frankfurt. Danach spielt der Schwarzwald gegen Straßburg. Zuletzt Basel gegen Bruchsal. Vor Aufregung kann mancher der Protagonisten nicht richtig schlafen. Richard schickt seine Spieler frühzeitig nach Hause, damit sie in gewohnter Atmosphäre nächtigen.

      Kurz vor zehn Uhr, nach einem frühen minimalen Frühstück, laufen die zwei Mannschaften zum Eröffnungsspiel aus dem Sportheim auf den Platz. Lautstarker Beifall brandet ihnen entgegen. Aus hunderten Händen, was so noch keiner gehört hat. Manche Spieler durchfließt ein leichtes Zittern und sie bezweifeln, ob sie vor dieser einschüchternden Kulisse überhaupt den Ball treffen. Am Spielfeldrand steht der Krankenwagen und stehen zwei Ärztinnen und zwei Krankenpfleger, die das Schlimmste befürchten. Das Hospitalpersonal war strikt gegen dieses Fußballturnier gewesen, musste sich aber dem Wunsch der Mehrheit beugen. Gleich sechs Mannschaften, graute es Kim. Wo doch schon zwei am Wochenende so viel Arbeit verursachen.

      Nach einer Viertelstunde ist jegliches Zittern vergessen, beide Mannschaften schwitzen und stehen unter Starkstrom. Das Spiel wogt hin und her, die Gegner beschnuppern sich, schauen, was die Anderen so alles können. Man traut sich selten nach vorne, man will die Abwehr nicht alleine lassen. Richard hat seinen Leuten eingeschärft in der ersten Halbzeit auf Sicherheit zu spielen, keine Risiken einzugehen und vielleicht das Spiel unter Kontrolle zu bringen. In der Zweiten sollen sie aufdrehen und wenn kein Durchkommen ist, die Frankfurter mit Weitschüssen unter Druck setzen. Beide Mannschaften bemühen sich, die Zuschauer sind begeistert, weil ihnen Sport und kein müdes Gekicke präsentiert wird. Leider fällt in der ersten Halbzeit kein Tor, den Stürmern fehlt noch die Unterstützung des Mittelfeldes.

      In der Zweiten werden Richards Leute schneller, spielen steil nach vorne, wechseln mit weiten Pässen die Seiten, wollen unbedingt ein Tor. Und kommen zum Erfolg. Das Publikum tobt, es wird gebrüllt, dass man es bis Basel hört. Die Frankfurter schüchtert dieser ungewohnte Lärm nicht einmal ein. Sie halten dagegen und rennen sich die Lungen aus dem Leib. Kassieren aber trotzdem noch einen Treffer, ein aufsetzender Weitschuss hat den Torwart überlistet. Die Frankfurter setzen alles auf eine Karte, stürmen fast geschlossen auf den gegnerischen Kasten zu und versenken den Ball im Netz. Beim Versuch das Unentschieden zu erzwingen, kontern die Einheimischen, überrennen die Frankfurter Abwehr und deren Torwart. Mit drei zu eins seien die Gäste noch gut bedient, finden die Zuschauer.

      Danach spielen die Schwarzwälder gegen die Straßburger. Sie haben das Pech in der größten Hitze spielen zu müssen. Dennoch erfordert auch dieses Spiel einen Sieger, wenn man ins Endspiel kommen will. Beide Mannschaften rennen viel und verlieren oft den Ball. Viel technisches Unvermögen, erkennt Richard. Das Spiel geht zwei zu zwei aus.

      Gegen Abend dann, Basel gegen Bruchsal. Nur noch die Hälfte der Zuschauer ist anwesend. Das ändert sich aber schnell. Die Bruchsaler spielen wie Furien, lassen ihre Gegner gerne über die Schuhe stolpern. Die Zuschauer pfeifen. Die Bierbrauer machen enormen Druck, werden immer aggressiver. Nach einem schlimmen Foul pfeifen und schreien

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