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hatte er ihn an der Angel, denn durch seine Bereitschaft, das teure Versicherungspaket zu kaufen und den offensichtlichen Beweis des Desinteresses am eigenen Vorteil, hatte er das Vertrauen des Versicherungsmaklers gewonnen. „Ich habe gehört, dass Sie ein vertrauenswürdiger Geschäftsmann sind, dem man sein Geld zur Vermehrung überlassen kann. Man sagt ihnen ein goldenes Händchen nach.“

      Keck und treuherzig hatte Harksen ihm in die Augen geblickt: „Das kann ich nicht abstreiten.“

      Der Makler gab ihm einen Scheck, den er aus einem vorbereiteten Briefumschlag zog. „Fahren Sie eine gute Ernte ein.“

      Harksen las die Ziffer – 75.000 Mark. Mit dieser gewaltigen Summe hatte er damals, in seinen Anfangszeiten, nicht gerechnet. Jetzt hieß es nur noch: kühlen Kopf bewahren und keine freudige Erregung zeigen. Mit dieser Summe hätte er auf einen Schlag alle seine Altkunden befriedigen können. Der Versicherungsagent wollte das Geld erst in einem Jahr wiederhaben. Nun hatte Harksen insgesamt 120.000 Mark auf seinem Anlage-Konto.

      Das Geschäft mit der realen Börsenspekulation war somit beendet, stattdessen kam die Lawinenlogik zum Tragen: Bis der eine Kunde sein Geld zurückhaben wollte, so war sich Harksen sicher, käme ein anderer mit einem noch größeren Betrag. Und sie kamen, und alle glaubten die Geschichte vom großen Börsenmakler, die er ihnen vorspielte. Er war für sie der Gott der guten Geschäfte, zumal er immer wieder mal einen Teil der Einlagen mit Gewinn an sie ausgeschüttet hatte. Harksen sprach fließend Dänisch, er war an der Grenze aufgewachsen. Seine Legende gegenüber den Kunden war, dass er seine Gewinne an der dänischen Börse mache.

      Eines Tages gab er bei seinen Kunden die Parole aus: „Macht ein Konto in Dänemark auf, an der dortigen Börse werden die Gewinne erwirtschaftet. Von dort könnt ihr sie selbst besser transferieren.“

      Seine Kunden nahmen das Geld ohnehin lieber im Ausland entgegen, da konnten sie dem deutschen Fiskus ein Schnippchen schlagen. So flog Harksen mit drei Ge­schäftspartnern an einem sonnigen Mittwoch nach Kopenhagen. Die drei, Hans, Jens und Markus, waren in der Hamburger High Society bestens vernetzt und sollten – so Harksens Hintergedanken – sein Renommee als bedeutender Börsenmakler im nordischen Geldadel weitertragen.

      Als Erstes eröffneten die drei mit Harksens Übersetzungshilfe ihre Konten bei der Danske Bank, anschließend gingen sie einen trinken. Jens, der ein schwerreicher Autohändler war, druckste erst etwas rum, bevor er mit seinem Anliegen herauskam: „Du, Jürgen, ich muss gestehen, ich habe noch nie eine Börse von innen gesehen. Kannst du uns nicht mal an die Stätte deines Wirkens mitnehmen?“

      Jürgen Harksen lief es heiß und kalt den Rücken runter. Nun saß er in der Falle, denn natürlich hatte auch er noch nie die Börse in Kopenhagen von innen gesehen. Wie konnte er ihnen den Wunsch abschlagen? Jetzt hieß es nach vorne durchstarten. Er sagte es ihnen zu. Als sie am frühen Nachmittag ins Plaza-Hotel zurückkamen, gingen die drei auf ihre Zimmer, während er den Portier fragte, wo hier die Börse sei und wie man dort hineinkomme. Der Portier nannte ihm die Zeiten, zu denen die regelmäßigen Börsenführungen stattfänden.

      Harksen ging mit dem Stadtplan in der Hand um ein paar Straßenecken zur Börse. Dort buchte er für sich und auf die Namen seiner drei Geschäftsfreunde Karten für die Besuchertour am nächsten Tag bei einem älteren Herrn, den er beiläufig in ein nettes Gespräch verwickelte.

      Als Harksen am nächsten Tag mit seinen Freunden die Börse betrat, begrüßte ihn der ältere Herr wie einen alten Bekannten. Für die drei Geschäftsfreunde war damit klargestellt, dass ihr Jürgen hier ein und aus geht. Bevor sich andere Touristen zu der organisierten Führung einfanden, nahm er seine Freunde mit auf die Empore. Unterwegs auf den Treppen begegneten ihnen einige wichtig aussehende Herren, die Harksen voller Zuversicht auf einen Gegengruß begrüßte. Das klappte fast immer, denn die Dänen sind freundliche Menschen. Zudem hätte er tatsächlich einer ihrer Geschäftspartner sein können, den sie nur lange nicht gesehen hatten.

      Während der Rundtour hielt Harksen seine Begleiter mit aktuellen Investmentgeschichten aus dem Wirtschaftsteil der Zeitungen bei Laune und registrierte beiläufig, dass sein Auftritt als Gruß-August seine Wirkung nicht verfehlte. Dann sah er plötzlich einen voluminösen Herren, der mit schwerer Aktentasche die Treppen herunterkam. Er wirkte noch wichtiger als alle vorherigen Wichtigtuer. Am Revers trug er ein Namensschild: Lars Peterson. „Mensch Lars, lange nicht gesehen“, grüßte ihn Harksen auf Dänisch. Der Angesprochene schaute einen Moment etwas verwirrt durch goldumrandete Brillengläser, machte aber gute Miene zum unbekannten Spiel und entgegnete nach einem kurzen Blick auf das Namensschild, das Harksen am Revers trug: „Jürgen! Toll, dich mal wieder zu sehen.“

      Harksens Freunde, die kein Wort Dänisch verstanden, waren platt vor Staunen. Anschließend verwickelte er Herrn Peterson in ein unverfängliches Gespräch über die besten Restaurants und bekannte dänische Firmen. Hauptsache, es fielen bestimmte Firmennamen, etwa Dan Air oder Tjaereborg, damit seine Freunde glaubten, die beiden unterhielten sich über bereits getätigte oder zukünftige geschäftliche Transaktionen. Als Peterson sich verabschiedet hatte, klopften die Freunde Harksen auf die Schulter: „So weit wie du möchten wir es auch mal bringen.“

      Jens hatte als Hamburgs bestgestellter Autohändler natürlich sein Renommierobjekt, das neueste Motorola-Handy, mit.

       (Im Unterschied zu dem Modell, das mir Frau Wenzel zwei Jahre zuvor empfohlen hatte, kam es ohne störende 200mm-Antenne aus, und es hatte nur noch die bescheidenen Maße von 163 x 59 x 38 mm.)

      Gerade hatte sich Harksen nach dem Preis erkundigt – „Ich habe 3.500 Dollar gezahlt“, antwortete Jens – als das Handy klingelte. Christina, die Frau von Jens war dran. Er dröhnte gleich darauf los: „Weißt du was! Wir sind in der Höhle des Löwen. Es stimmt alles. Wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Jürgen ist als Börsenmakler groß im Geschäft.“

      Später am Abend gingen alle vier in den Börsenkeller auf ein gutes Essen und einen Wein. Der Zufall wollte es, dass Harksens neuer »Freund« Lars mit seiner Frau ein paar Tische weiter saß. Man wechselte ein paar unverbindliche Worte und prostete sich anschließend von Tisch zu Tisch gelegentlich zu. Am nächsten Tag flog Harksen mit seinen drei Auserwählten nach Hamburg zurück. Jens sagte auf dem Rückflug: „Meine Frau, die soll mir nochmal was erzählen, dann kriegt sie was zu hören!“

      Ohne dass Harksen mir das später erklären musste, war mir klar, dass dies ein großer Meilenstein in seiner Karriere als Hochstapler gewesen war. Im Grunde genommen war diese »Geschäftsreise« sein bestes Investment. Nun fingen die Hunderttausende erst richtig an zu fließen. Die misstrauischen Ehefrauen mit ihren warnenden Stimmen standen ab jetzt auf verlorenem Posten.

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