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Qualifikationsnachweise unserer akademischen Dozenten samt Lebensläufen jedem Neuantrag auf Bewilligung eines Kurses beifügen. Immer wieder aufs Neue, obwohl dem Amt sämtliche Angaben bereits vorlagen. Zudem sollten wir keine Auswahlverfahren zwecks Zulassung zu den Kursen durchführen. Das bedeutete, dass viele Interessenten, die sich zur Teilnahme lediglich brieflich informiert und entschieden hatten, in der späteren Praxis unseres polytechnischen, naturwissenschaftlichen und interdisziplinären Unterrichts überfordert sein konnten und abbrechen mussten. Eine wirklich unwirtschaftliches, kontraproduktives Verfahren.

      Abbrecher waren vielleicht kurzfristig gut für das Amt, denn es musste nicht mehr zahlen. Für die Volkswirtschaft waren Abbrecher allerdings schlecht, denn die entstandenen Kosten bis zum Abbruch verpufften. Und für uns und die Betriebswirtschaft waren Abbrecher sowieso schlecht. Schließlich stand und fiel die Kalkulation eines Kurses mit der Anzahl der Absolventen, wobei wir inzwischen – neue Schikane – keine „Puffer“-Absolventen mehr aufnehmen durften.

      Und natürlich schraubte Frau Söhnlein wieder an der Kursgebühren-Stellschraube, obwohl man mir in der Besprechung beim Landesarbeitsamt eine feste Stundensatz-Zusage gemacht hatte. Plötzlich meinte Frau Söhnlein, das gelte doch nur für einen Kurs, nicht für die Folgekurse. Also begann wieder die eklige Feilscherei, mit dem man nicht nur meine Arbeitskraft, sondern – viel schlimmer – die Arbeit der Dozenten an den qualitativen Unterrichtserfordernissen, die das Amt zugleich mit Strenge einforderte, bis zur Unmöglichkeit einschränkte. Frau Söhnlein überflutete uns mit einer schikanösen Bürokratisierungswelle.

      Aber sie schränkte auch unseren curricularen Handlungsspielraum ein. Wie sollten wir beispielsweise Laborunterricht erteilen, wenn sie keine Mittel für Labormaterialien in die Kursgebühren einkalkulieren wollte? Sollten sich die Teilnehmer bloß im Labor aufhalten und in die leeren Reagenzgläser schauen?

      Ich hatte bei Herrn Lewin wegen dieser Misslichkeiten angerufen. Auch wegen der Auswahlverfahren hatte ich nachgefragt. „Wir sind ein freier Bildungsträger und bieten unsere Weiterbildungsangebote nur als Paket mit den Vorkursen an, weil in diesen Schnupperkursen die potentiellen Teilnehmer die reale Unterrichtsstruktur wie auch die qualitativen Anforderungen erleben können. Darf man uns diese Auswahlkurse einfach untersagen?“

      „Natürlich nicht, Herr Koenig. Das ist ganz alleine Ihre Angelegenheit. Das ist wieder einmal so eine Handstreichaktion der Frau Söhnlein. Insbesondere sind diese fünftägigen Schnupperkurse nicht nur sinnvoll für beide Seiten, für Teilnehmer wie Bildungsträger, sie schließen zudem mit einem Zertifikat ab, dass mindestens den Stellenwert jeder anderen einwöchigen Berufsfortbildung hat. Schreiben Sie das der Söhnlein und sagen Sie, dass man Ihnen nicht in Ihr Bildungsmodell hineinreden darf.“

      „Dann wächst aber die Stimmung gegen uns. Sie wird tödlich beleidigt sein. Und damit ist uns nicht geholfen. Sie sitzt auf dem Geld. Sie verwaltet die Kasse.“

      „Es ist aber nicht ihre Kasse und nicht ihr Geld!“

      „Trotzdem. Könnten Sie uns nicht eine Art neutrale Stellungnahme zu den Auswahlverfahren und auch zu den umstrittenen Kursgebühren in Bezug auf die Labormaterialien schreiben?“

      „Gut. Dann fordern Sie das bei mir schriftlich an.“

      Ich hatte es getan und Lewins Stellungnahme mit all den guten Gründen für die Schnupperkurse und die Laborangelegenheit erhalten. Ich hatte eine Kopie an Frau Söhnlein gesandt mit der Bitte, sie möge die Entscheidung zu den Auswahlverfahren überdenken. Das war nun bereits vor sechs Wochen geschehen, und noch immer lag uns keine Reaktion vor. Vielleicht sollte ich Herrn Braun vorsichtig darauf ansprechen.

      Er saß mit mürrischem Blick in der Bibliothek und ein ebenso mürrisches „Guten Morgen“ erreichte meine Ohren.

      „Ich rede nicht gerne um den heißen Brei herum und möchte gleich zur Sache kommen, Herr Koenig.“

      „Ich mag es, wenn man direkt und ohne Umwege miteinander das bespricht, was einem am Herzen liegt. Deshalb freue ich mich sehr, dass Sie sich heute Zeit für unsere Bildungseinrichtung genommen haben.“

      „Meine Zeit ist allerdings begrenzt. Sie wissen, wie viele Bildungsträger mein Haus zu beaufsichtigen hat.“

      Ich schluckte. Er hatte tatsächlich beaufsichtigen gesagt.

      „Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie eine Menge Arbeit zu bewältigen haben. Wo immer wir können, möchten wir eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen uns und Ihrem Haus. Eine gedeihliche Zusammenarbeit verhindert Reibungsverluste und spart viel Zeit.“

      „Danke für Ihre guten Ratschläge, aber die habe ich nicht nötig. Es gibt ein Problem!“ Braun plusterte sich richtiggehend auf, setzte sich breitbeiniger als zuvor in den Lesesaalsessel, aber immerhin furzte er nicht.

      „Ich habe gehört, dass Ihre Vorkurse eigentlich völlig unnötig sind.“

      „Oh, wir haben uns dazu viele Gedanken gemacht, nachdem wir in den Anfängen unserer Kurse die Erfahrung machen mussten, dass sich viele Interessenten völlig falsche Vorstellungen von den hier durchgeführten anwendungsbezogenen Umweltkursen machten.“

      „Frau Söhnlein ist der Meinung, dass diese Vorkurse nicht zu den Hauptlehrgängen gehören und nicht finanzierbar sind.“

      „Der fünftägige Vorkurs handelt ein Thema ab, dass später im Hauptkurs zugunsten eines anderen Themas wegfällt. Insofern ist der Vorkurs wie ein Einführungskurs zu sehen und ist Bestandteil des Lehrgangs. Das Vorkursthema wird auch im Abschlusszeugnis dokumentiert.“

      Herr Braun rutschte während meiner Begründung unruhig auf dem Sessel hin und her. Schließlich sagte er in scharfer Tonlage, quasi abschließend: „Wenn Frau Söhnlein, die das ja sachlich zu prüfen hat, zu der Auffassung gelangt, dass diese Vorkurse nicht Bestandteil des Lehrgangs sind, dann ist das eben so.“

      Ich blieb ruhig, schließlich wusste ich die besten Argumente auf meiner Seite. „Ich hatte es so verstanden, dass Frau Söhnlein die Finanzierungsgrundlagen prüft, jedoch nicht die arbeitsmarktliche Erfordernis und die dazu notwendigen qualitativen Standards. Dafür ist doch der Fachvermittlungsdienst zuständig, oder irre ich mich?“

      Das brachte mein Gegenüber völlig aus der Fassung. Denn ich wagte es, die Kompetenzen seines Hause so aufzuzählen, wie sie eigentlich sein sollten. Er sprang aus dem Sessel auf und sagte mit sich fast überschlagender Stimme: „Nein, hier hat Frau Söhnlein das letzte Wort. Basta! Keine Diskussion mehr.“

      Er war rot angelaufen, und ich sah seine Halsschlagader pochen. Mir war schlagartig klar, was Lewin gemeint hatte, als er mich vor ihm gewarnt hatte: „Vorsicht! Choleriker!“

      „Sie haben Recht, Herr Braun“, sagte ich in beruhigendem Tonfall, „vielleicht findet sich ja später eine Lösung; man muss nichts übers Knie brechen.“

      Braun stürzte zur Tür, ich glaubte eine Schnappatmung zu vernehmen, dann blieb er wie angewurzelt stehen und sagte: „Außerdem würde ich mir gerne die Lernbedingungen in diesem Haus anschauen!“

      In diesem Haus! Eine distanziertere Bemerkung hätte er sich nicht einfallen lassen können. Der Mann war uns feindlich gesinnt, das war mir klar. Ich dachte an einen Spruch, den ich mal bei meinem Vater gehört hatte: Umarme deinen Feind, dann kann er dich nicht mit seinen Händen erwürgen.

      „Es ist aber gerade Unterricht. Haben Sie noch etwas Zeit bis zur ersten Pause? Das wäre in fünfzehn Minuten?“

      „Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich terminlich stark gebunden bin. Es gibt mehr als nur die GTU in meinem Arbeitsamtsbezirk, glauben Sie mir!“

      „Nun, dann lassen Sie uns am Rest einer Unterrichtsstunde teilnehmen.“ Ich ging voran und klopfte an die Tür des großen Seminarraumes, in dem Dr. Lutz Schimmelreith, der Leiter für alle GTU-Kurse, gerade zum Thema Abwassertechnik dozierte. Ich stellte Herrn Braun kurz vor, ebenso sein Anliegen.

      „Herr Braun möchte gerne einmal einen Unterrichtsraum und unsere Unterrichtsform gesehen, beziehungsweise erlebt haben“, sagte ich, sah zu Lutz, den ich

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