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Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Читать онлайн.Название Sagenbuch der Bayrischen Lande
Год выпуска 0
isbn 9783742772664
Автор произведения Alexander Schöppner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Eilt unter wilden Herzensschlägen
Er dem verrathnen Karl entgegen.
»Mein Herr und König, ach verzeiht,
Wenn ich statt Wonn' Euch bringe Leid,
Wenn jetzt das Unheil aus meinem Munde
Vergiftet des Sieges süße Kunde.«
»So sprecht, Herr Taland, doch sogleich,
Welch' Unfall traf mein armes Reich,
Oder wohl gar mein liebes Gemahl,
Oder mein Kind, oder alle zumal?«
»Nicht Reich und Kind! zu dieser Stund
Ist beides, Herr! stark und gesund,
Aber, o dürft ich doch nimmer sprechen
Von dem verruchten, schwarzen Verbrechen!«
Schon wacht des Königs ganzer Grimm:
»Sprich, Unglücksbote!« zürnt er ihm,
Und was auch Taland's Gewissen sagt,
Die schuldlose Gattin wird verklagt:
Sie habe verletzt der Treue Band,
Gesündigt frech an König und Land,
Und daß kein Hüter ihr Aug' bewache,
Verschlossen Herrn Taland im finstern Gemache.
Und Karl befiehlt, im Zorn entbrannt:
»Die Buhlerin, sie sei verbannt!
Und daß ihr Blick ferner dem Frevel nicht tauge
So raubt auf immer das Licht ihrem Auge!«
Wie drauf Herr Karl auf seinem Schloß
Erscheint, da ist die Lust nicht groß,
Denn Hildegardis' Mißgeschick
Betrübet jeden guten Blick;
Noch fühlen All' ihr herbes Leiden,
Als sie vom Kinde mußte scheiden,
Und durch den Spruch, den Karl gefällt,
Hinausziehn in die fremde Welt. –
Inzwischen wankt in düsterm Sinn
Die tiefgebeugte Königin,
Das Herz beim Kind und beim Gemahl,
Der Gränze zu und neuer Qual.
Die niedern Knechte, ihr Geleit,
Gedenken jetzt in Traurigkeit
Zum Erstenmal, daß um zu enden,
Sie ihr die Augen sollen blenden.
»O Gott,« ruft ihre Dienerin,
»So richtest du die Tugend hin!«
Doch jene zürnt: »Mit Gott kein Rechten!«
Und wendet mild sich zu den Knechten:
»So nehmet dieses Auges Licht!
Seitdem das Liebste mir gebricht,
Erregt die Erde mir nur Schmerzen,
Den Himmel schau' ich mit dem Herzen!«
Allein das Auge, wie verklärt,
Das nach den Knechten hin sich kehrt,
Macht, daß das Herz der Harten zagt,
Und Keiner sie zu blenden wagt.
»Lebt wohl, Frau Königin! wir gehn,
Mag auch, was will, mit uns geschehn!
Das hohe Licht des Himmels spricht
Aus Euerm Blick, die Erde nicht.«
»Sieh Gottes wundervolle Hand!«
Ruft sie, zur Dienerin gewandt,
Und nimmt vereint mit ihr den Pfad
Gen Rom nun hin, der heil'gen Stadt.
Doch Karl'n dem König fehlt die Ruh
Und Herrn Talanden auch dazu;
Ja dieser Arge büßt den Schein
Der Augen nun von selber ein.
Umsonst ist aller Aerzte Fleiß –
Da zieht er, wie auf Gott's Geheiß,
Zu baden sich im Segensstrom,
Mit seinem Bruder Karl gen Rom.
Und siehe da, kaum sind sie hier,
Da tritt die hohe Frau herfür,
Berührt den Blinden, und sogleich
Umfängt ihn neu des Lichtes Reich.
Und vor ihr nieder sinkt Taland,
Und spricht: »So hat's der Herr gewandt!«
Bekennt freiwillig jede Schuld
Und fleht um Hildegardis' Huld.
»Das gilt dein Leben, arger Knecht!«
Ruft Karl; doch Gnad' ergeht für Recht,
Auf Hildegardis' frommes Flehn
Darf er nur aus dem Reiche gehn.
Drauf durch des heil'gen Vaters Mund
Fleußt neuer Segen auf den Bund
Des hohen Paars, zu Gottes Ehr';
Den scheidet forthin Keiner mehr.
Und zum Gedächtniß der Geschicht
Hat Hildegardis aufgericht
Ein Kloster, welches, hoch erhöht,
Zu Kempten diesen Tag noch steht.
30. Wie Sancimon und Celebrand das Kloster zu
Kempten gebauet.
P . F . H u e b e r Unsterbl. Gedächtniß etc. der
Helden von Thaurn, Andechs und Hohenwarth.
Ingolstadt 1670. S. 190. B r u s c h chron. p. 98.
Der erste Stein des fürstlichen Klosters Kempten ist
von Rolando, so dazumal aus den Franzosen der
stärkste soll gewesen sein, im Beisein vieler Fürsten
und Herren mit großer Majestät gelegt worden. Zu
Verfertigung des ganzen Gebäues aber hat Hildegardis
zween an Größe und Stärke unvergleichliche Riesen
gebraucht, Sancimon und Celebrand mit Namen,
welche so viel Stein und Mörtel alltäglich herzugetragen
haben, als sechzehn gemeine Taglöhner hätten
ausrichten können; waren aber dabei dermaßen gefräßige
Leut, daß sich Jedermann mit Lachen über sie
verwundert, da sie wie andere Herkules ganze Ochsen
hinweggefressen. Einer derselben, Celebrand, ist nach
dem Tode der Stifterin nach Welschland gekommen,
Sancimon aber zu Kempten gestorben und mitten in
des Klosters Kirche begraben worden.
31. Heinrich Findelkind von Kempten.
Nach dem Volksbuch: Historisches Schatzkästlein für
Bayern. München 1832. I., S. 21. Vgl. H o r m a y r
goldene Chronik S. 128.
Der Mayr von Kempten, von seinem Abte geliebt,
und durch diese Gunst, durch rastlosen Fleiß und
Segen von Oben bereichert, hatte neun Söhne. Dazu
wurde ihm ein zehnter Knabe bei Nachtszeit vor die
Thüre seines Hauses gelegt. Die Hausfrau und Ehewirthin