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wusste Earl nichts zu sagen. Die Taktik hatte ihn überrumpelt. Milten und Percy verließen den Raum. Draußen klopfte der Erfinder seinem Partner auf die Schulter.

      „Gut gemacht, Percy.“

      „Wie bitte?“, sagte das Erdmännchen verdattert.

      „Dein kleiner Schattenboxkampf da drin hat ihn mächtig verunsichert.“

      „Schattenboxkampf? Tut mir leid, ich hab dir gar nicht richtig zugehört.“

      „Du hast mir gar nicht zugehört?“

      „Das mache ich doch nie. Du bist der Bessere von uns beiden, wenn es ums Verhör geht. Ich reagiere, wie sagt der Captain so schön, zu impulsiv auf die Verschwiegenheit des Verdächtigen. Was hast du rausbekommen?“

      „Einen Namen, der Besitzer einer Pfandleihe. Er hat Earl gesteckt, dass die Bücher in dem Bürogebäude gelagert werden.“

      „Wollen wir gleich vorbeischauen?“

      „Natürlich, Typen wie der haben auch bei Nacht noch offen. Da wird das richtige Geschäft doch erst gemacht, wenn die Leute verzweifelt sind und die Langfinger den Tagesumsatz abholen. Und danach ist Schluss für heute. So langsam kommt ein Wunsch in mir auf. Und zwar diesen Bart loszuwerden und mich zu duschen.“

      Percy blieb stehen. „Na endlich.“

      Auf der Fahrt in die Innenstadt lief das Autoradio. Das Zentrum der Stadt war ein hartes Pflaster.

      Bimbeldove konnte, was die Kriminalitätsrate anging, in Ringe eingeteilt werden. Je weiter man ins Innere vordrang, desto größer war die Gefahr, Opfer eines Verbrechens zu werden. Die Innenstadt? Hier stank sogar schon die Gemüse-Abteilung im Supermarkt nach Bier und Pisse. Aber wenn man es sich leisten konnte, in einem der äußeren Ringe zu leben, hatte man einen schönen Garten und ein nettes Haus nebst Nachbarn, die morgens freundlich grüßten.

      Es wirkte, als hätte die Stadt ihre guten Seiten nach außen gekehrt, um nicht gleich zu zeigen, was für aussichtslose Verhältnisse wirklich vorherrschten.

      Milten arbeitete innerlich an Dingen, die er an sich verändern wollte. Percy fragte sich, was den plötzlichen Gemütswandel in seinem Partner ausgelöst hatte. Aber konkreter Grund hin oder her, er war dankbar, dass er stattgefunden hatte. Milten gab ein jämmerliches Bild ab und auch wenn das Erdmännchen zu allen Tageszeiten mit Sonnenbrille und gelegentlich mit ungekämmtem Fell auftrat, war Milten eine echte Zumutung. Er zog einen Mief hinter sich her, dass man meinen könnte, der Erfinder würde nicht auf Percys Couch, sondern in seinem Mülleimer nächtigen. Noch so eine Angelegenheit, an der es zu arbeiten galt: Miltens Wohnsituation. Seitdem er sich von seiner Frau getrennt hatte, lebte er auf Percys Couch. Damit hatte das Erdmännchen keine Probleme, ganz im Gegenteil. Zwischen den beiden hatte sich eine starke Freundschaft entwickelt und Percy war froh, jemanden zu haben, mit dem er seine Freizeit verbringen konnte und der auch mal den Abwasch übernahm. Milten war anfangs ein angenehmer Mitbewohner gewesen. Er räumte auf und kochte hin und wieder. Beide blieben nachts lange wach, spielten Videospiele und unterhielten sich. Milten war eine echte Bereicherung. Jedenfalls so lange, bis aus der Trennung auf Probe ein Briefträger mit Scheidungspapieren wurde. Ohne ein letztes Mal Luft zu holen, tauchte er in seinem Selbstmitleid ab. Als Grund für die Scheidung nannte Melody Miltens unvorhersehbaren Drang, an Ideen zu arbeiten, die ihn nächtelang ans Zeichenbrett oder den Computer fesselten, wo er Tabellen erstellte und Rechnungen durchführte, die ins Endlose zu laufen schienen. Percy hatte ihm dafür in seiner Wohnung einen eigenen Raum überlassen. Sollte er doch machen, was er wollte. Nur weil er gerne Zeit mit sich selbst verbrachte, fühlte sich Percy noch lange nicht von ihm vernachlässigt. Daher konnte er auch nicht nachvollziehen, wieso Melody irgendetwas in der Richtung empfunden hatte. Erst recht, wenn diese komische Frau sich gleich mehrere Kerle hielt.

      Möglich war natürlich, dass Milten lieber Zeit mit seinen Erfindungen verbrachte anstatt mit seiner Partnerin. Vielleicht war ihm die Idee der Ehe lieber als die tatsächliche Realität, darin zu leben. Und Percy kannte auch Miltens negative Seiten. Oft kam es vor, dass er ihn morgens einsammeln musste, weil er nicht pünktlich auf der Polizeistation aufgetaucht war. Und so gut wie jeden Tag murmelte er unterwegs vor sich hin und machte sich Notizen in seinen ständigen Begleiter: das Notizbuch an seinem Hosenbund. Inzwischen war das dicke Buch eine Ansammlung aus verrückten Ideen für Erfindungen und Notizen, die zu ihren Fällen gehörten. Nur noch Milten konnte das Gekritzel wirklich auseinanderhalten. Der Erfinder war ein guter Detective, aber seine Gedanken flossen gleichzeitig in zu viele Richtungen und manchmal hatte Percy das Gefühl, dass dann zu wenig von Milten an einem Ort war, um zu funktionieren. Aber bald würde Ordnung in Miltens Leben einkehren, dafür würde Percy schon sorgen.

      Das Erdmännchen schaute zu ihm herüber. Milten saß auf dem Beifahrersitz und machte sich über sein Notizbuch gebeugt einen Vermerk. Jedenfalls glaubte Percy das. Denn Milten kritzelte auf Seiten herum, die schon bis zum Rande vollgeschrieben waren. Dann blätterte der Erfinder zwei Seiten vor, machte eine Notiz, zehn Seiten zurück und zog ein paar Kreise um ein ganz bestimmtes Wort. Es schien, als befinde sich in seinem Kopf ein Inhaltsverzeichnis, von dem nur er wusste.

      „Woran arbeitest du gerade?“, fragte Percy und parkte seinen 68er Mustang vor der Pfandleihe.

      „Ein Roboter, der den Leuten helfen soll.“ Milten fertigte eine kleine Skizze an. Percy beugte sich vor und erkannte ein Gerät, das aussah wie eine Bowlingkugel mit Armen, die in der Luft schwebte.

      „Wobei helfen?“

      „Beim Rasieren. Ich nenne ihn Shave-O-Bot.“

      Percy lächelte. Sei nett zu ihm, altes Erdmännchen, egal wie bescheuert seine Idee klingt. Er kann jetzt keine negativen Gedanken gebrauchen. „Das ist ein toller Name, Milten. Ich glaube nicht, dass es so was schon gibt.“

      „Das könnte sie sein, Percy, die eine große Erfindung, die uns reich macht.“

      Das Erdmännchen zog den Zündschlüssel ab und steckte ihn ein. „Bisher hast du meines Wissens nach nur ein riesiges Baggerrad gebaut, das abgebrannt ist. Als wir versucht haben, es als Kinderspielzeug zu vertreiben, haben sich mehrere Kinder daran Holzsplitter eingefangen und die Sache ging in Blutstropfen und Elterngeschrei unter. Dann hattest du die geniale Idee mit der Schokosahne-Kuh.“

      „Eine gute Idee, musst du zugeben!“, verteidigte sich Milten.

      „Ja, eine gute Idee, aber, Milten, die Welt ist ein wenig komplexer, als dass du eine Milchkuh mit Schokolade fütterst und sie dann durchschüttelst, um Schokosahne zu bekommen.“

      „Aber es hat funktioniert!“

      „Ja, es hat funktioniert. Bis die Kuh von dem ganzen Geschüttel direkt in die Schokosahne gekotzt hat.“

      „Ich weiß, ich weiß“, sagte Milten und wollte gerade noch etwas hinzufügen, als ihn Percy unterbrach.

      „Du weißt es und ich werde es nie vergessen. Dreißig Kühe auf der Weide, die einen haben sich übergeben, die anderen hatten explosive Diarrhö. Der Tierarzt hat es nachher liebevoll den Durchfall des Todes genannt. Ein paar von den Tieren sind mit Donnergetöse abgekackt.“ Percy schüttelte sich vor Ekel und lachte gleich darauf. „Der Geruch verfolgt mich noch immer in meinen Träumen. Dein Werbeslogan war auch nicht der beste: Frisch und braun, direkt aus der Kuh!“, Percy hob eine Augenbraue. „Der Slogan hat gepasst, nur dass das frische Braune nicht aus dem Euter kam.“

      „Aber meine letzte Idee war doch ganz gut, oder? Das vollautomatische Gemüsebeet. Es hat sich selber bepflanzt und abgeerntet.“

      „Das war sie, und weißt du was? Sie ist außerdem teuer. Sag mir, Milten, bevor wir dieses Gespräch beenden, denn meine Geduld ist fast so gering wie deine Verkaufszahlen, wie viele von den Gemüsebeeten haben wir bisher verkauft?“

      „Eines.“

      „Richtig. An meine Mutter. Und Erdmännchen essen selten Gemüse.“

      Milten kratzte sich am Nacken. „Aber immerhin hat es funktioniert.“

      „Es

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