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anderen beiden noch ins Bein und setzen sie unten vors Gebäude. Dann rufen wir Verstärkung.“ Percy wandte sich wieder an die Schützen. „Also wie sieht's aus? Handschellen oder Plastiktüten?“

      Als Antwort donnerten ein paar Kugeln ins Treppenhaus. Die beiden hörten, wie sich die Türen des Aufzugs schlossen.

      „Wo gehen sie hin?“, fragte Milten.

      „Na, sie versuchen abzuhauen, was sonst.“

      Percy überprüfte die Wunde des blutenden Schrotflinten-Schützen und legte ihm Handschellen an. „Wir lassen ihn hier. Er blutet, aber nicht sonderlich stark. Milten, wir teilen uns auf, ich sehe oben nach und du unten. Entweder sie wollen über das Dach abhauen oder über den Haupteingang im Erdgeschoss. Wir dürfen sie nicht verlieren, verstanden?“

      Milten nickte und rannte die Treppe hinunter.

      Percy eilte nach oben Richtung Dach.

      Milten hastete die Treppe nach unten. Mal nahm er zwei Stufen auf einmal, dann sogar drei. Schweiß trat ihm auf die Stirn und als er unten angekommen war, schoss er mit erhobener Waffe durch die Tür.

      Unvorsichtig, aber voller Tatendrang.

      Doch da war niemand. Das Foyer war leer und abgesehen von seinem Auto vor dem Eingang war weit und breit keine Spur von den Dieben. Sie waren also Richtung Dach geflüchtet. Und Percy war alleine da oben. Sofort machte Milten wieder kehrt, steckte seinen Revolver im Rennen in das Holster und sprintete so schnell er konnte die Treppe empor. Zwischen dem siebten und neunten Stock hörte er Schüsse. Percy rief etwas Unverständliches, dann wurde es still.

      Als er das Dach erreicht hatte, atmete er schwer. Milten zog seinen Revolver und versuchte, die Kontrolle über seine Atmung wiederzubekommen. Wenn er gleich den Abzug drückte, kam es auf eine stille Hand an.

      Milten atmete langsam ein und wieder aus. Ein und wieder aus. Dann spannte er den Hahn seines Revolvers und schritt die letzten Treppenstufen langsam empor. Die Tür stand halb offen. Vorsichtig, um auch ja keinen unnötigen Lärm zu verursachen, machte er die Tür vollends auf. Jegliches Knarzen konnte ihn verraten und das Feuer womöglich in seine Richtung lenken.

      Die Tür gab die Sicht frei. Milten wurde bereits erwartet. Eine Frau hielt Percy ihre Waffe an den Kopf, bereit, ihn sofort zu erschießen. Sie hatte kringelförmige Ohren und von ihrem Bauch starrte Milten eine kleine Kreatur entgegen. Hinter ihr warf ihr Kollege die Kisten mit den Büchern auf ein benachbartes Dach. Die Frau drückte ihre Waffe fester an Percys Kopf. „Lass die Knarre fallen oder das Erdmännchen hat gleich ein Loch im Kopf.“

      „Percy?“, rief Milten und zielte durchs Visier. Er wartete auf die Schussfreigabe.

      „Nur wenn du dir sicher bist, dass du ...“

      Der Abzug wurde betätigt, der Bolzen vollführte den Hammerschlag und die Kugel explodierte aus dem Lauf und setzte sich im Fleisch fest.

      Percy konnte sich befreien. Die Angeschossene griff sich unter Schmerzen an ihren Bauch, die Pistole hing schlaff in ihrer Hand. Blut quoll aus dem Kopf der kleinen Kreatur hervor.

      Percy sammelte seinen Revolver wieder auf und richtete ihn augenblicklich auf seine Angreiferin. „Ich meinte eigentlich, drück nur ab, wenn du sie auch wirklich erwischst.“

      „Hab ich doch“, sagte Milten und zielte auf den anderen Bücherdieb, der die Hände sofort anhob. Eine schwere Kiste Bücher fiel ihm auf die Füße.

      „Du hast ihr in den Bauch geschossen. Was, wenn sie aus Schreck abgedrückt hätte?“

      „Hat sie aber nicht. Beruhige dich!“

      Percy ließ seine Waffe sinken und drehte sich zu Milten um, der sofort seinen Revolver zwischen der Frau und dem Mann hin und her schwenkte.

      „Ich soll mich beruhigen? Milten Greenbutton“, sagte er in ernstem Ton und stemmte die Vorderpfoten in die Hüfte. „Das ist genau das, was ich gemeint habe. Und ich bin's leid, wie dein gesetzlicher Vormund zu klingen, scheiße noch eins!“

      Die Frau schrie vor Schmerz und riss ihre Pistole nach oben.

      Ein Abzug wurde dreimal gedrückt und weitere Kugeln sausten über Percys Kopf hinweg in die Brust der Frau. Die taumelte rückwärts, und kippte über den Rand des Dachs in die Tiefe.

      Milten zielte wieder auf den Mann, der immer noch mit erhobenen Händen da stand. Fassungslos sah er seiner Kollegin hinterher.

      „Großartig, Milten“, sagte Percy, „einfach großartig.“ Das Erdmännchen warf die Vorderpfoten in die Luft. Dann verstaute er seinen Revolver.

      „Sie hätte dich erschossen“, verteidigte sich Milten.

      „Und deine beste Lösung dafür war, einfach draufzuhalten? Was wurde aus anschießen, aber nicht erschießen? Wir haben abgemacht, niemand einfach nur über den Haufen zu knallen.“

      „Ich ... sie hätte“, stammelte Milten.

      Percy gestikulierte ihm, sich zu entspannen. „Lass gut sein. Du hast ja recht. Trotzdem, jetzt ist sie für ein paar Bücher draufgegangen. Hey, Holzkopf“, sagte Percy zu dem Mann mit den erhobenen Händen, „hat es sich gelohnt?“

      Er schüttelte wie wild den Kopf.

      „Na, das will ich wohl meinen“, sagte Percy. „Leg ihm Handschellen an. Ich melde alles der Zentrale. Wir brauchen einen Krankenwagen und jemand mit einem großen Spachtel, der die Frau mit den runden Ohren von der Straße kratzt.“

      „Was war sie, Percy?“

      „Sah aus wie ein Autorus Fantasticus, ein Vielschreiberling. Die meisten von der Art verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Büchern und nicht mit dem Diebstahl solcher. Sehr merkwürdig. Hey, Kollege, wie hieß sie?“

      „Sonia, Officer. Ihr Name war Sonia.“

      „Arme Sonia“, sagte Percy und verließ das Dach, „das alles für ein paar Bücher, die sowieso bald im Laden stehen. Manche sind doch zu dumm.“

      Nachdem Percy über Funk alles weitergegeben hatte, versammelten sich zahlreiche Blaulicht-Fahrzeuge vor dem Gebäude. Der angeschossene Dieb wurde vom Notarzt versorgt. Sein Komplize saß schon mit den Händen hinter dem Rücken im Streifenwagen. Milten wurde wegen des Gebrauchs seiner Dienstwaffe befragt und Percy betrachtete aus sicherer Distanz, wie Sonia von der Straße gehoben und in einen schwarzen Plastiksack gepackt wurde. In seiner Hand hielt er einen kleinen Pappbecher mit schwarzem Kaffee.

      Die Nacht war lauwarm und bald vorüber. Genau wie dieser Fall.

      „Alles in Ordnung?“, fragte eine tiefe Stimme von hinten.

      Percy drehte sich um und erkannte Captain Joe Thursday, der Chef der Abteilung, der er und Milten unterstellt waren.

      Sein Schnauzer war umgeben von einem stoppeligen Gesicht. Die Augen sprachen Bände über den Schlaf, den er bald nachzuholen hatte. Es war das Gesicht eines überpflichtbewussten Vorgesetzten, der um sieben ein- und um sechzehn Uhr ausstempelte, dann aber doch noch bis zehn Uhr in seinem Büro saß.

      „Captain, was machen Sie hier?“

      „Ich war zur Abwechslung mal auf dem Weg nach Hause, als ich über Funk erfahren habe, was hier vorgefallen ist. Als durchgegeben wurde, dass man dich als Geisel genommen hatte, wollte ich schnell vorbeisehen.“ Joe Thursday blickte sich um. Es war ihm wohl ein klein wenig unangenehm, in väterlicher Pflicht nach dem Wohlbefinden seiner Angestellten zu sehen, trotzdem kam er wohl einfach nicht drumherum. „Ich musste kurz herkommen, sonst finde ich die ganze Nacht keinen Schlaf.“

      Percy lächelte matt und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Lieb von Ihnen, Captain, aber ich bin in Ordnung. Das war nicht das erste Mal, dass mir jemand eine Waffe an den Kopf gehalten hat.“ Percy seufzte. „Und es wird wohl auch leider nicht das letzte Mal gewesen sein.“

      Der Plastiksack wurde in den Leichenwagen verladen, und ein zweiter Mann schloss die Türen hinter der

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