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Roststellen, die über die ganze Karosserie verteilt waren wie ein Ausschlag.

      „Eigentlich gehört der Cortina ja der Stadt, aber sie werden ihn an mich abtreten. Für so gut wie nichts.“

      So gut wie nichts?, dachte Percy. Wie alt ist der Karren? 30 Jahre?

      „Ist das nicht schon ein Oldtimer?“, fragte Milten.

      „Natürlich, der ist jetzt schon fast vierzig Jahre alt, ist aber auch ein feines Wägelchen. Und wenn wir in den Ruhestand gehen, also dafür haben wir uns auf jeden Fall schon etwas überlegt. Ich zumindest.“

      „Und du, Mook, was willst du machen?“

      „Habe eine Bell UH-1gekauft. Bin am Renovieren. Fast fertig.“

      Der junge Polizist, der bis grade eben der Unterhaltung geduldig beigewohnt hatte, ergriff das Wort. „Meine Herren, dürfte ich Ihnen den Tatort zeigen?“

      Milten wandte sich nicht an den Uniformierten mit der Bügelfalte, sondern an Keglin: „Warum habt ihr uns eigentlich hergerufen?“

      „Da unten sitzt eine alte Bekannte von euch. Ich glaube, die solltet ihr euch mal ansehen. Jemand hat ihr ... Er wird euch die Details nennen“, sagte Keglin und zeigte auf den jungen Polizisten. „Wir gehen jetzt erst mal frühstücken.“

      Milten warf einen Blick auf seine Taschenuhr. „Es ist gerade mal halb sieben morgens, da geht ihr schon frühstücken?“

      „Klar“, sagte Mook und öffnete die Beifahrertür des Ford Cortina.

      „Wir sehen uns auf der Wache ihr beiden, bis später“, verabschiedete sich Keglin.

      „Wenn Sie mir bitte folgen würden“, sagte der junge Uniformierte, der sich als Dan Rivierie vorstellte. „Die Leiche wurde vom Hausmeister gefunden“, sagte er und führte sie in den Keller. „Es handelt sich um eine Frau, die ich auf Mitte dreißig schätzen würde. Sie trägt einen pinken Hosenanzug, jedenfalls war er mal pink.“

      Bei der Erwähnung des pinken Hosenanzugs klingelten in den Köpfen der beiden Detectives die Alarmglocken. Milten und Percy tauschten einen Blick aus.

      „Die Haut der Leiche weist Blasen auf und der gesamte Körper ist geschwollen. Auf dem Boden ist eine widerliche Pfütze aus Flüssigkeiten, machen Sie sich also auf den Geruch gefasst. Ich würde sagen, dass die Frau seit mindestens drei Tagen tot ist, der Gerichtsmediziner wird uns Genaueres sagen können, sobald er eingetroffen ist. Der Hausmeister hat sie gefunden, als sie anfing zu stinken. Bitte, hier entlang.“ Dan Rivierie öffnete eine Türe und schaltete das Licht im Gang ein. Kleine Stellräume mit Holzgittern davor reihten sich aneinander, dahinter befand sich Gerümpel, das unter dem eigentlichen Wohnraum der Mieter gelandet war. Kisten mit Büchern, Kühlschränke, die vor sich hin brummten, und Kartons mit Dingen, die nie jemand vermissen würde, wenn sie von jetzt auf nachher verschwinden würden. In der Luft lag ein Geruch und während sich Dan Rivierie die Nase mit einem Tuch verdeckte, folgten ihm Milten und Percy, als könnten sie überhaupt nichts riechen. Der Gestank des Todes machte ihnen nichts aus, lediglich der Anblick war selbst für den abgebrühtesten jedes Mal aufs Neue ein Schock.

      „Sie ist dort hinten, kommen Sie“, sagte Rivierie und ging voran. Die drei erreichten einen der Stellräume, vor dem ein Mann stand, der den Eindruck machte, als wäre er jetzt am liebsten ganz weit weg. In seinen Händen hielt er eine schwarze Seemannsmütze, die er sich vor die Latzhose hielt. Wohl aus Respekt vor der Toten. Sein Gesicht war kerbig, die Haut an seinen Armen von vielen Jahren auf hoher See rau und furchig.

      „Das ist Herr Faison, er ist der Hausmeister des Gebäudes.“

      Der Hausmeister nickte und zeigte auf die Leiche. „Hab sie so gefunden. Hing da wie ein Stück Fleisch zum Trocknen. Jemand hat sie schlimm zugerichtet, ganz schlimm.“ Er trat unruhig auf der Stelle hin und her.

      Milten war klar, dass er sich nicht allzu wohl fühlte und mit einem Blick auf die Leiche wurde ihm auch klar, was Percy und er schon vermutet hatten.

      Die Tote war Vanessa May. Die Bürgermeisterin von Sharpytown, die ihnen bei ihrem ersten gemeinsamen Fall begegnet war.

      Ihr Körper war in den Keller gespannt wie ein groteskes Kunstwerk. Die Arme waren an den Gitterstäben befestigt und hingen in der Luft. Die Beine, jedenfalls das eine, das noch dran war, zeigte mit den Zehen nach hinten. Das Gelenk musste um 180 Grad gedreht worden sein, und zwar mit enormem Kraftaufwand. Der gesamte Körper war übersät von Stichwunden und ihr pinkes Oberteil hatte man abgeschnitten. Ihre Brüste waren in Blut getränkt worden. Die Haare mit getrocknetem Blut nach hinten gekämmt. Jemand hatte sich Mühe gegeben, sie genau so herzurichten. Aber das Schlimmste war der Ausdruck in ihrem Gesicht. Ihr Mund stand offen, irgendetwas steckte darin fest und ihre Augen starrten Milten und Percy an. Ihr Blick winselte noch immer um einen schnellen Tod, den sie wohl nicht erhalten hatte.

      In ihrer Brust steckte ein Messer. Und hinter ihr, in großen Buchstaben, hatte jemand den Namen „Booktian“ an die Wand geschmiert. Das Blut der Schrift war an der Wand heruntergelaufen und getrocknet.

      „Herr ...“, setzte Percy an, doch der Anblick der toten Vanessa schaltete sein Kurzzeitgedächtnis aus.

      „Faison, Nelson Faison.“

      „Herr Faison, wem gehört dieser Keller?“

      „Sonia Kealy, hab sie schon ’ne ganze Weile nicht mehr gesehen. Ist viel unterwegs. Sie arbeitet als Taxifahrerin.“

      „Sonia Kealy?“, wiederholte Milten. „Das ist doch die Frau, die ich gestern Abend erschossen habe.“

      „Na, das wäre dann ja mal schnell geklärt“, sagte Percy. „Wir warten auf die Fingerabdrücke aus dem Labor. Wenn alles übereinstimmt, können wir diesen Fall wohl gleich ins große Archiv des Servers schicken.“

      „Was steckt in ihrem Mund?“, fragte Milten und löste das Polizeiabsperrband vor dem Kellereingang. Das Band wurde grundsätzlich angebracht, um Neugierige vom Tatort fernzuhalten, die sonst wichtige Spuren verwischen würden.

      Milten zog ein paar Plastikhandschuhe aus seiner Weste, streifte sie über und drückte Vanessa Mays Mund nach unten. Dabei achtete er darauf, nicht in die Lache aus Körperflüssigkeiten zu treten, die sich unter ihr angesammelt hatte.

      „Kennt ihr die etwa?“, fragte der junge Polizist.

      „Das ist Vanessa May. Sie war Bürgermeisterin in einer sehr angenehmen Stadt namens Sharpytown. Ich wusste, dass man sie aus der Stadt vertrieben hat, das war auch kein Wunder. Sie hat so einiges verdient, aber das hier“, sagte Percy und zeigte auf den Leichnam, „das hier ganz bestimmt nicht. Sie muss schreckliche Qualen gelitten haben.“

      „Vanessa hat etwas im Mund, das aussieht wie eine Zeitschrift“, bemerkte Milten. „Man hat es zusammengerollt und ihr bis in den Hals gestopft.“

      „Zieh es raus, ich glaube nicht, dass wir hier allzu großes Rätselraten betreiben müssen.“

      Milten fasste das eine Ende des Magazins, das nicht von Blut und Speichel aufgelöst war und zog es aus dem Rachen. Dann entrollte er das Magazin, das sich als Buch entpuppte.

      „Es ist ein Softcover-Buch.“

      „Wie lautet der Titel?“

      „Der kleine Schnitzelbär – Was sind Träume?“

      „Was?“, sagte Percy entgeistert. „Das kann nicht sein.“

      „Doch. Von Florian C. Booktian. Tz, der Typ hat seine Bücher wirklich überall rumliegen.“

      „Er ist recht berühmt“, sagte Rivierie. „Ich lese gerade selbst eines, der erste Teil seiner zweiten Farbenwochen-Heptalogie. Die Bücher sind gut, sie handeln von ...“

      „Danke, das wäre alles“, würgte Percy den jungen Polizisten ab. „Bitte gehen Sie wieder nach oben und halten Sie nach der Spurensicherung Ausschau.“

      „Natürlich“, sagte Rivierie und ging davon.

      Milten

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