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Anruf mal etwas schlau gemacht. Er hat weit über 200 Bücher geschrieben und sitzt laut Beth gerade an dem, was er als seinen Magnum Opus beschreibt. Sie hat mir versprochen, sich bei mir zu melden, sobald sie mit Booktian in Kontakt getreten ist.“

      „Na, das kann ja was werden“, sagte Percy. „Ich habe Booktian bereits einmal getroffen, hab mir eines seiner Bücher unterschreiben lassen. Er ist nett, fast schon freundlich, wenn man bedenkt, dass er durch den Fankontakt davon abgehalten wird, seine Geschichten zu Papier zu bringen. Aber das ist schon eine Weile her. Er soll sich in die Knuppelberge zurückgezogen haben. In eines seiner luxuriösen Anwesen.“

      „Ein exzentrischer Künstler?“, fragte Milten.

      Percy verzog ungläubig die Mundwinkel und gestikulierte ein soso. „Ich glaube nicht. Er ist sehr besessen von seiner Arbeit und dass er nie alleine ist, wird wohl auch zu seiner Persönlichkeit beitragen.“

      „Wie meinst du das, nie alleine?“

      „Jedem Vielschreiberling sitzt so eine Kreatur auf dem Bauch, die eigenständig spricht und denkt und sogar ein paar Hände hat. Wie die, die du abgeknallt hast.“

      „Wie ein Parasit?“

      „In gewisser Weise ist es wohl so, aber meistens ist es eine freundschaftliche Beziehung. Es soll schon Fälle gegeben haben, in denen sich die beiden gegeneinander gewendet haben. Die meisten koexistieren friedlich. Booktian hat mit seinem zusammen an mehreren Bilderbüchern gearbeitet. Das Schnitzelbärbuch, das wir aus Vanessas Rachen gefischt haben, ist das Ergebnis dieser Zusammenarbeit. Der Bäuchling hat das Buch illustriert und Booktian hat es geschrieben.“

      Milten hatte so viele Fragen. Ein Lebewesen mit zwei Gehirnen, die unabhängig voneinander fungierten, aber demselben Körper innewohnten. Teilten sie sich ein Verdauungssystem? Welches Hirn regelte den Sexualtrieb und was, wenn der eine in der Nacht aufs Klo musste, der andere aber tief und fest schlief? Wer kontrollierte das einzige Paar Beine? Milten starrte verträumt in den Ventilator an der Zimmerdecke. In seinem Mund steckte der Bleistift, mit dem er sonst seine Ideen notierte. Das arme Schreibgerät kassierte gerade immer mehr Bissspuren, bald würde er ihn bis zur Mine durchgebissen haben.

      Percy zog auf der Suche nach Batterien alle Schubladen an seinem Schreibtisch auf. In der obersten befanden sich Heftklammern und Briefumschläge, Druckerpapier und Stifte, von denen die Hälfte keine Deckel mehr hatte. Percy stieß die Schublade zu und zog an der darunter, der Auszug klemmte und er musste mit der zweiten Pfote nachhelfen, um sie aufzubekommen. Dann erkannte er, warum die Schublade geklemmt hatte. Darin lag etwas, das aussah wie eine Pizza, die man mit Moos bepflanzt hatte, in der Hoffnung eine kleine Zivilisation zu züchten. Pilze sprießten aus der Pizza und der Schimmel kletterte die metallenen Wände empor, um auch den Rest des Schreibtischs für die Pizzapilzkolonie zu erobern. Die gesamte Schublade war von einer perligen Flüssigkeit überzogen, die die Scharniere dem Rost preisgegeben hatte. Der Geruch, der dem Erdmännchen entgegenkam, war fremdartig. Was immer in dieser Schublade gerade zum Leben erwacht war, es atmete keinen Sauerstoff. Percy kniff die Augen zusammen und wollte meinen, dass ein fünfbeiniges Insekt sich gerade ein Stück alten Thunfisch mit einer Stubenfliege teilte. Percy schlug die Schublade sofort wieder zu. Hier waren nirgends Batterien für seinen Gameboy. In der nächsten Schublade hätte ihn eine Ansammlung von kleinen Lebewesen erwartet, deren Biomüll basierte Zivilisation gerade lauthals einen feindlichen Cheeseburger eroberte. Aber dazu kam es gar nicht mehr, Percy machte sich lieber auf den Weg in den nächsten Supermarkt. Milten träumte noch immer vor sich hin.

      „Was hältst du davon, wenn wir uns nachher daheim treffen?“, schlug Percy vor. „Ich muss noch ein paar Besorgungen machen. Es ist Donnerstag und der Freitag steht schon vor der Tür. Lassen wir es gut sein für diese Woche. Der Fall mit Vanessa ist sowieso so gut wie eingetütet.“

      „Es ist gerade mal Mittag, bist du dir sicher, dass wir uns das leisten können?“

      „Milten, du musst lernen, deine Freiheiten auszuleben. Wir ermitteln sowieso rund um die Uhr, wenn es ein Fall verlangt. Dieser Fall verlangt momentan nach neuen Batterien.“

      „Dreifach A?“, lästerte Milten.

      „Doppel“, gab Percy zurück.

      „Dein Gameboy.“

      „Richtig, mein Gameboy.“

      „Na gut. Ich hab sowieso noch etwas, um das ich mich kümmern sollte.“

      „Milten, wenn du vorhast, deiner Ex hinterherzustellen ...“

      „Keine Sorge“, sagte Milten und packte die nächste Lüge gleich hinterher. Dabei rutschte seine Stimme eine Oktave tiefer wie so oft, wenn er log. „Das werde ich nicht.“

      Percy schenkte Milten einen kritischen Blick. „Milten Greenbutton“, ermahnte er seinen Freund, „halte mich nicht für ein Erdmännchen, das mit faulen Tricks arbeitet. Ich will dir nicht vorschreiben, was du zu tun hast, ich will dir helfen.“

      „Ich weiß“, sagte Milten und senkte den Blick auf seinen gewienerten Schreibtisch. „Entschuldigung.“

      „Weißt du was, du bekommst eine Aufgabe. Hier“, sagte Percy und kritzelte etwas auf einen Zettel. „Das ist etwas, das uns sehr viel Freude bereiten wird. Fahr in die Yellowbuttonstreet Nummer 64. Dort gibt es einen Laden, der heißt Riggle Raggels Play and Blaze. Der Inhaber ist ein Freund von mir, gib ihm diesen Zettel und bezahle, was er dir einpackt. Dann geh nach Hause. Wir treffen uns dort in ungefähr zwei Stunden.“

      „Der Name klingt aber nicht so vertrauenerweckend.“

      „Vertrau mir“, sagte Percy und lächelte.

      „Ist es etwas Illegales?“

      „Oh Milten“, sagte Percy und schüttelte den Kopf. „Du hast ja gar keine Ahnung. So viel Spaß, wie wir damit haben werden, sollte es das eigentlich sein. Wir sehen uns später, ich mach mich auf den Weg.“

      Percy warf den Zettel auf Miltens Schreibtisch und verabschiedete sich. Der Erfinder faltete ihn neugierig auseinander. Als er erkannte, was Percy darauf notiert hatte, musste er grinsen.

      5

      Auf dem Weg zu seinem Mustang vibrierte Percys Smartphone. Für einen kurzen Moment genoss er das angenehme Surren in seiner Hosentasche, dann zog er es hervor, in der Hoffnung, eine Nachricht von Rachel erhalten zu haben.

      Auf dem Display leuchte eine Textnachricht auf:

      Hallo Schmatz! Hier ist deine Oma, meinst du, es wäre dir möglich, mich zu besuchen, bevor man mich in eine Kiste packt und vergräbt?

      Percy starrte verdattert auf die Nachricht. Seine Oma war vor Kurzem in dieselbe Stadt gezogen, in der er lebte und arbeitet: Bimbeldove. Nach eigener Angabe wollte sie es im hohen Alter noch mal so richtig krachen lassen. Percy hatte versprochen, sie bald zu besuchen, aber da sie scheinbar gleich Anschluss gefunden hatte, beließ er es beim Austausch von Textnachrichten. Seither waren drei Monate vergangen und seine Oma schien jeden Tag mitgezählt zu haben. Percy öffnete ein neues Fenster, um ihr zu antworten. Sofort poppte eine weitere Nachricht auf:

      Ich weiß, dass du die Nachricht gelesen hast, Percyvall Meercat!

      Ach du Schande. So nannte ihn wirklich niemand. Nicht mal in seiner Personalakte war sein voller Vorname verzeichnet, der ihm noch nie sonderlich gut gefallen hatte. Percyvall klang zu sehr nach einem Zepter schwingenden Schnösel, der sich nicht entscheiden konnte, welches Tier für seine Suppe sterben sollte. Also hatte er kurzerhand Percy daraus gemacht. Das war flotter und viel umgänglicher. Percy tippte die Antwort in das Handy. Die nächste Nachricht seiner Oma ploppte auf:

      Ich kann sehen, dass du mir schreibst, also hast du wohl gerade nichts zu tun. Ich erwarte dich in einer halben Stunde. Ich habe Kekse gebacken und brauche jemand, der probiert. In Liebe, Oma.

      Percy seufzte und löschte die lange Antwort, die erklärte, dass er gerade keine Zeit hatte, um vorbeizuschauen. Er antwortete ihr mit einem kurzen „Bis gleich, Oma“ und steckte das Handy weg. Seine Gameboy-Batterien

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