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doch nur die grüne Farbe des Grases zeichnete sich vom bedrohlichen, grauen Horizont ab. Im Laufen drehte ich den Kopf für einen kurzen Moment nach hinten und sah die schwarze Nebelwand, die mich unaufhaltsam verfolgte. Ich glaubte zwei dunkle Augen erkannt zu haben, die mich mit durchdringendem Blick beobachteten, richtete den Kopf stur nach vorne und lief so schnell ich nur konnte. Die Wiese nahm überhaupt kein Ende. Ich war allein, verfolgt von diesem geheimnisvollen Nebel, der nichts Gutes verhieß. Mein Herz raste. Ich hatte Angst mich umzuschauen, doch trotzdem drehte ich erneut den Kopf und blickte über die Schulter. Die Wand war näher gekommen, der wabernde Dunst verhüllte alles, was hinter mir lag.

      Ich wünschte mir, mich in einer Erdspalte verstecken zu können, doch das satte grüne Gras mit den verwelkten Frühlingsblumen bot keinerlei Verstecke. Schneller und schneller setzte ich meine Füße voreinander, so dass ich das Gefühl hatte, den Boden kaum noch zu berühren. Im nächsten Moment trat ich in ein kleines Loch und verlor das Gleichgewicht. Ich stürzte seitlich nach vorne hinüber und landete der Länge nach im Gras. Durch die Geschwindigkeit meines Laufes rollte ich zweimal über die rechte Schulter ab, bevor ich leicht benommen liegenblieb. Ich wollte mich gerade wieder aufrappeln, als ich die dunklen Augen direkt über mir sah. Zwei Hände aus Nebel streckten sich mir entgegen, um mich in den vernichtenden Schlund der Dunkelheit zu ziehen. Schützend hielt ich meine Arme vor den Kopf, mein panischer Schrei war das einzige Geräusch, das die morbide Stille der Umgebung durchbrach.

      Ich schreckte hoch und saß aufrecht im Bett. Für einen kurzen Moment versuchte ich, die dunkle Nebelwand mit meinen Händen abzuwehren, dann registrierte mein verschlafenes Unterbewusstsein, dass ich nur geträumt hatte. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Im nächsten Moment kehrte die Erinnerung zurück. Ich war eingesperrt in einem dunklen Raum, oder war dies auch nur ein Traum? Ich riss die Augen wieder auf und sah mich um. Nein, dies war kein Traum. Es gab keine Nebelwand, die mich mit dunklen Augen verfolgte, aber das Zimmer war Wirklichkeit. Für einen kurzen Moment hatte ich gehofft, in meinem eigenen Bett zu liegen, doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht.

      Ich starrte auf die kahlen Wände, dann wanderte mein Blick wieder zu der schweren Tür hinüber. Noch immer fiel der schwache Lichtstrahl unter ihr hindurch in den Raum hinein. Wie war es mir überhaupt gelungen, in dieser Situation einzuschlafen? Langsam stand ich auf und ging auf die Tür zu. Ich lauschte nach irgendwelchen Geräuschen von der anderen Seite, doch alles war still. Was sollte ich tun? Wenn ich anfing um Hilfe zu schreien, konnte es sein, dass der Kerl käme und mir etwas antäte. Aber würde dieser Moment früher oder später nicht sowieso eintreten? Vielleicht bestand ja die Chance, dass irgendjemand anderes da draußen war und meine Schreie hörte – jemand, der ganz zufällig hier vorbeikam. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und begann zu schreien.

      »Hilfe ...; Hallo, ist da jemand?... Bitte helfen Sie mir.«

      Ich presste das Ohr gegen die Tür und horchte angestrengt. Keine Reaktion. Wütend begann ich mit den Fäusten gegen das Holz zu trommeln.

      »Hiiiiilfe...., Hiiilfe.... Helfen Sie mir, ich bin eingesperrt. Ist da denn niemand? Hiiiilfe ...«

      Ich lehnte die Stirn gegen die Tür und atmete tief durch. Langsam und kraftlos schlug ich mit der rechten Faust noch zweimal gegen das Holz. Verzweifelt musste ich die Sinnlosigkeit dieser Aktion einsehen und drehte mich resigniert um.

      Gerade als ich zu meinem Bett zurückgehen wollte, vernahm ich von draußen ein Geräusch. Eine weiter entfernte Tür wurde zugeschlagen, dann hörte ich Schritte. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte, oder ob es einen Grund gab, beunruhigt zu sein. Der schmale Lichtkegel zu meinen Füßen wurde erneut von einem sich bewegenden Schatten verdrängt. Die Schritte wurden lauter und ich wich verängstigt zurück. Es gab in diesem Raum keinerlei Möglichkeit, sich zu verstecken und so lief ich mit schnellen Schritten zur gegenüberliegenden Wand und presste meinen Rücken gegen den Verputz. Der Schatten hatte sich vor der Tür wieder zu der Breite von zwei Füßen reduziert, als ich hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde. Es gab ein klickendes Geräusch, dann wurde die Klinke heruntergedrückt.

      Mir stockte der Atem, als die Tür sich öffnete und dem Licht Einlass gewährte. Im Türrahmen zeichnete sich derselbe Schatten ab, den ich bereits beim ersten Mal gesehen hatte. Sämtliche Hoffnungen auf Befreiung zersplitterten wie eine achtlos weggeschmissene Glaskugel auf einem Betonboden. Kein Held, der auf einem weißen Pferd in mein Verlies eindrang, um mich in sein Schloss zu bringen; kein junger Prinz, der im Kampf gegen das Böse zufällig des Weges kam, die Übeltäter vernichtete und mich auf Händen in die Freiheit trug. Das Zittern in meinem Körper wurde unerträglich.

      Der fremde Mann machte einen Schritt in den Raum hinein und blieb stehen. Sein Blick fiel auf den zerbrochenen Teller und die am Boden liegenden Sandwiches. Dann sah er zu mir herüber. Obwohl ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, spürte ich, wie seine Augen mich fixierten. Automatisch senkte ich den Blick zu Boden.

      Der Mann machte einen Schritt zur Seite und ging in die Hocke. Er streckte die linke Hand aus und griff nach den Scherben des Tellers. Ohne auch nur einen Moment zu überlegen, stieß ich mich von der Wand ab und rannte auf die Tür zu. Ich war noch gut einen Meter vom rettenden Ausgang entfernt, als der Mann sich schwerfällig erhob und umdrehte. In dem Augenblick, in dem ich an ihm vorbeirannte, spürte ich, wie die Hand des Fremden sich brutal um mein Handgelenk legte. Er zog mich kurz zu sich, so dass ich mit dem vollen Schwung meines Laufes gegen den Türrahmen stieß und benommen in die Knie ging. Noch immer umklammerte er mein Handgelenk. Ich presste meine freie Hand gegen die Stirn, wo sich ein stechender Schmerz ausbreitete. Ruckartig riss der Mann mich hoch und stieß mich auf das Bett. Ich schrie vor Schmerz und Angst auf und begann leise zu wimmern.

      »Bitte, tun Sie mir nichts ..., bitte nicht ...« Meine Stimme klang unwirklich und verzerrt.

      Ich hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte heftig. Das Zittern meines Körpers ließ das alte Bettgestell vibrieren. Panisch kniff ich die Augen fest zusammen; zu groß war die Angst, den fremden Mann direkt neben mir stehen zu sehen. Ich spürte die Hilflosigkeit in mir aufsteigen und hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Ich erwartete erneut, jeden Moment seine Hand auf meinem Körper zu spüren. Als die Tür mit einem lauten Knall in ihr Schloss fiel, fuhr ich erschrocken zusammen.

      Mit verheulten Augen blickte ich auf und durchsuchte den Raum mit hektischen Blicken. Ich war allein. Der Schlüssel drehte sich im Türschloss, dann entfernte sich der Schatten wieder.

      Ich saß aufrecht in meinem Bett und wischte mir die Tränen ab. Alle meine Gliedmaßen bebten noch immer vor Angst und ließen sich in diesem Moment auch nicht davon überzeugen, dass die Gefahr vorerst gebannt war. Zum zweiten Mal war der fremde Mann mittlerweile bei mir in meinem dunklen Verlies aufgetaucht. Er hatte mir wieder nichts angetan, aber bedeutete dies wirklich, dass ich in keiner akuten Gefahr war? Oder war es einfach nur eine Frage der Zeit, bis meine letzte Stunde gekommen war? Er hatte wieder nicht mit mir gesprochen. Was zur Hölle wollte er überhaupt von mir?

      Ich spürte, wie mein Kreislauf zusammenzubrechen drohte und legte mich hin. Nein, um Hilfe zu rufen, war wahrscheinlich keine erfolgversprechende Strategie, um aus diesem Gefängnis zu entkommen. Nur ganz allmählich schien mein Blutdruck wieder in normale Bereiche abzusinken und das Zittern ließ nach.

       Kapitel 5

      Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, aber dennoch war ich mir völlig sicher, dass viele Stunden vergangen sein mussten, seitdem der Mann zum zweiten Mal bei mir gewesen war. Es fiel mir wahnsinnig schwer, auch nur vereinzelte, klare Gedanken zu fassen. Meine Gehirnzellen schienen viel zu verwirrt zu sein, um ihrer Arbeit nachzugehen. Völlig orientierungslos liefen die kleinen grauen Zellen gegen die Wände des Stammhirns und prallten hilflos zurück. Ein unkoordinierter Haufen von winzigen Rädchen, die es nicht schafften, das große Rad des rationellen Bewusstseins in Bewegung zu versetzen. Ich starrte apathisch die Decke an. Es lag zur Zeit nicht in meiner Macht, mich aus dieser Situation zu befreien. Ich konnte aus eigener Kraft nicht entkommen und auch keinerlei Hilfe herbeirufen. Den nächsten Schritt musste der unheimliche Mann machen.

      Ich spürte, wie mein Magen rumorte und setzte mich aufrecht

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