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war, dass die Anzahl meiner Fans in den vergangenen Monaten ganz schön angestiegen war. Sie schrieben mir Briefe, schickten mir Fotos und erzählten mir, ich wäre ein großer Star. War ich das? Eigentlich hatte ich bisher doch noch nicht viel erreicht. Ein Star war in meinen Augen jemand, der über Jahre oder Jahrzehnte in der Öffentlichkeit überzeugt hatte. Ich hingegen war noch ganz am Anfang; aber träumen durfte man ja…

      Mittlerweile war mein Vertrag vorzeitig um ein weiteres Jahr verlängert worden und auch mein Dad war nach seinen anfänglichen Bedenken mächtig stolz auf mich. Ich mochte die Serie; in der Rolle der ebenso verzogenen, wie zickigen Dana Burton konnte ich mich so richtig austoben. Ich tauchte in eine völlig andere Welt ein. Und das Coolste war, dass ich bereits ein paar Angebote für kleinere Fernsehprojekte bekommen hatte.

      Aber ich musste auch erfahren, dass der vermeintliche Traumjob seine Schattenseiten hatte. Eigentlich war ich immer ein totaler Familienmensch und schon nach recht kurzer Zeit hatte ich meine Eltern und meine Schwester Angela wahnsinnig vermisst. Abends hatte ich regelmäßig in meinem Bett gelegen und geheult. Ich wollte das Leben einer Erwachsenen führen und hatte schnell gemerkt, dass ich in vielerlei Hinsicht doch noch ein Mädchen war. Ein kleines Mädchen, dem seine Mummy fehlte; wie uncool…

      Terry Gordon hatte natürlich auch schnell gemerkt, dass mit mir irgendwas nicht gestimmt hatte – war nicht so schwierig, da ich ständig meinen Text versaut hatte. Er hatte daraufhin mit den Studiobossen gesprochen und prompt war meinen Eltern eine Wohnung in Westwood – nicht weit entfernt vom Filmgelände – angeboten worden. Nach anfänglichem Zögern hatte sich Dad von der Central Bank, bei der er arbeitete, von Detroit nach Los Angeles versetzen lassen und war mit Mum, meiner Schwester Angie und all unseren Habseligkeiten in die Stadt der Engel gezogen. Als mein Vater mir die vom Familienrat einstimmig getroffene Entscheidung mitgeteilt hatte, wollte ich die ganze Welt umarmen. Ich war so unbeschreiblich glücklich, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu heulen.

      Ich hatte damals allerdings trotzdem beschlossen, auch weiterhin in meiner mittlerweile lieb gewonnenen Wohngemeinschaft wohnen zu bleiben.

      Irgendwie musste ich damals schließlich einen Weg finden, Schritt für Schritt selbstständiger zu werden. Aber nun hatte ich ja auch die Möglichkeit, meine Familie jederzeit zu besuchen; und davon machte ich in der Folgezeit reichlich Gebrauch.

      Mittlerweile hatte ich meinen Privatlehrer gegen einen Schauspiellehrer eingetauscht und mich vollkommen auf eine Zukunft in Hollywood konzentriert. Da der straffe Drehplan die Möglichkeit des ganztägigen Besuchs einer Schauspielschule nicht zuließ, hatte ich seitdem viermal die Woche abends am Kurs eines ehemaligen Schauspielers teilgenommen.

      Dad hat immer gesagt, ich wäre eine verdammte kleine Perfektionistin, die mit nichts zufrieden sei. Wahrscheinlich liegt er damit nicht ganz verkehrt. Im Nachhinein machte ich mir oft Vorwürfe, warum ich etwas nicht besser hingekriegt hatte; auch wenn alle anderen sagten, dass es absolut okay gewesen wäre. Abends ständig in einen Schauspielkurs zu rennen, war wahrscheinlich auch so eine Perfektionismus-Geschichte. Als wären die Drehtage nicht schon stressig genug gewesen. In den letzten Wochen hatte ich nachts, wenn ich völlig erschöpft in meinem Bett lag, ´zig mal das nachhaltige Verlangen gespürt, alles hinzuschmeißen. Doch ich hatte die Zähne immer wieder zusammengebissen und eisern durchgehalten.

      An den Wochenenden erholte ich mich zusammen mit Peter – der ebenfalls an dem abendlichen Schauspielkurs teilnahm – von dem Stress der Dreharbeiten und versuchte neue Energie zu tanken. Der recht gut gefüllte Terminkalender einer ambitionierten Nachwuchsschauspielerin ließ zwar nicht wirklich viel Spielraum für eine Beziehung, aber da Peter aus derselben Branche kam, funktionierte es doch irgendwie.

      Ich warf einen Blick auf die Uhr und streckte mich. Jeder einzelne Knochen in meinem Körper schien sich zu Wort zu melden, um sich über meine mangelnde Fürsorge zu beschweren. Ich war völlig fertig. Erschöpft bummelte ich die Straße entlang und freute mich bereits auf ein heißes Bad in meiner Wohnung. Wie in Trance trottete ich den alltäglichen Weg entlang, den meine Füße mir vorgaben. Ich war so sehr in meine Gedanken versunken, dass ich die schnell näherkommenden Schritte in meinem Rücken erst gar nicht hörte. Meine Augen waren auf den Boden gerichtet und folgten meinem Schatten, der sich mit der Geschmeidigkeit einer senilen Greisin über den Asphalt quälte. Mit langsamen und kantigen Bewegungen kroch der dunkle Fleck über den Bürgersteig.

      Irritiert blieb ich stehen, als der Schatten vor meinen Füßen plötzlich größer und breiter wurde. Eine schwarze Hand, die nicht mir gehörte, griff seitlich über die Schulter und verschmolz mit dem Schatten meines Kopfes. Ich spürte den starken Druck, der im nächsten Moment auf meinem Mund und meiner Nase lag, ich nahm einen penetranten Geruch wahr, der bei jedem Atemzug meinen Körper durchströmte. Die Welt begann sich vor meinen Augen zu drehen. Ich ruderte wild mit den Armen, versuchte mich aus der unsichtbaren Umklammerung zu befreien, aber meine Kräfte schwanden mehr und mehr. Eine seltsame Leichtigkeit überkam mich, dann wurde es schließlich schwarz um mich herum.

       Kapitel 3

      Der dichte Nebel, der sich wie ein dunkler Schleier über alles niedergelegt hatte, lichtete sich nur ganz langsam. Verschwommene Konturen setzten sich zu durchgehenden Linien zusammen, erzeugten nach und nach ein düsteres, räumliches Bild. Ich schloss für ein paar Sekunden die Augen und öffnete sie vorsichtig wieder. Eine beängstigende Dunkelheit umgab mich. Eine Dunkelheit, die es mir zwar gerade noch ermöglichte, die Formen einzelner Möbelstücke zu erkennen, meinen Orientierungssinn jedoch völlig überforderte. Ich lag auf der Seite und starrte auf einen leeren Sessel. Behutsam versuchte ich mich aufzurichten, doch das Zimmer fing augenblicklich an, sich zu drehen. Instinktiv legte ich die Hand über die Augen. Mein Herz begann zu rasen, während mein Kreislauf nur äußerst langsam in Schwung kam, um bereits einen kurzen Moment später in ein hyperaktives Bewegungsprogramm zu verfallen.

      Ich versuchte, gleichmäßig zu atmen und mich selbst zu beruhigen. Wie in Zeitlupe nahm ich die Hand von den Augen und blickte mich in dem dunklen Raum um. Der Nebel in meinem Kopf war nun völlig verschwunden und auch die verschiedenen Gegenstände um mich herum hatten in meiner Wahrnehmung wieder eine feste Konsistenz angenommen. Ich setzte mich auf und verharrte für einen Moment bewegungslos. Während meine Augen sich ganz langsam ein wenig an die Dunkelheit gewöhnten, lauschte ich angestrengt nach irgendwelchen Geräuschen in meinem Umfeld. Doch nicht der kleinste Laut drang zu mir durch.

      Was war geschehen? Wo zur Hölle war ich hier? Je klarer mein Kopf wieder wurde, desto stärker wurde auch die Panik, die mich gnadenlos wie eine Welle erfasste. Krampfhaft versuchte ich mich daran zu erinnern, was passiert war. Ich war im Studio gewesen. Wir hatten lange gedreht, ich wollte nach Hause gehen…; Verdammt, Heather, konzentrier dich.

      Ich erinnerte mich daran, wie ich das Studiogelände nach einem anstrengenden Drehtag völlig erschöpft verlassen hatte und wie sehr ich mich auf das Wochenende gefreut hatte. Doch was war dann geschehen? Jemand schien aus meinem Gedächtnis eine kleine Ecke mit Hammer und Meißel herausgeschlagen zu haben.

      Meine Erinnerungen endeten auf der Straße vor dem Studio und nun war ich plötzlich in einem dunklen Raum eingesperrt. Was war nur passiert? Hatte man mich niedergeschlagen? Ich spürte keinerlei Schmerzen und ein Abtasten meines Hinterkopfes ergab auch keine Hinweise auf körperliche Gewaltanwendung. Vielleicht hatte man mich auch betäubt; ich glaubte, mich an einen durchdringenden Geruch erinnern zu können, war mir dessen aber nicht sicher. Zumindest hätte es das starke Schwindelgefühl erklärt, das ich beim Erwachen verspürt hatte.

      Mein Handy – verdammt, wo war mein Handy? Hektisch blickte ich mich in alle Richtungen um. Wo war meine Handtasche? Ich musste sie finden. Wenn ich mein Handy hatte, konnte ich Hilfe rufen; meinen Dad, die Polizei, die Homeland Security…; Gott, wo war meine Handtasche? Ich fiel auf die Knie und rutschte angespannt kreuz und quer durch den dunklen Raum. Ich wünschte mir eine Taschenlampe, um in jede verflixte Ecke dieses Zimmers leuchten zu können. In meiner Handtasche hatte ich eine kleine Taschenlampe…; tolle Idee, Heather. Nachdem ich unzählige Minuten lang erfolglos über den Boden gekrabbelt war, musste ich resignierend einsehen, dass meine Tasche nicht hier war. Keine Handtasche, keine Taschenlampe, kein Handy.

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